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Tippfehler buchstabe fehlt Kitāb Ibṭāl al-istiḥsān und nicht Kitāb Ibṭāl al-istiḥān
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'''Qiyās''' ({{arS|قياس}}) bezeichnet in der [[Fiqh|islamischen Rechtswissenschaft]] eine bestimmte Form von [[Analogie (Recht)|Analogieschluss]], die als Mittel zur Normenfindung angewandt werden kann, wenn zu einem bestimmten Sachverhalt keine Aussage in [[Koran]] oder [[Sunna]] existiert und auch kein [[Idschmāʿ|Gelehrtenkonsens]] dazu besteht. Der Begriff ist von der arabischen Wurzel ''q-y-s'' {{ar|قيس}} abgeleitet, deren Grundbedeutung „messen“, „vergleichen“, „beurteilen“ ist.
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Das arabische Wort '''{{lang|ar-Latn|Qiyās}}''' ({{arS|قِيَاس}}) kommt von der Wurzel {{ar|قاس}}/{{ar|قيس}}, die in der Grundbedeutung „messen“, „vergleichen“, „beurteilen“ heißt. ''{{lang|ar-Latn|Qiyās}}'' als Hauptwort bedeutet: „Maß“, „Maßstab“, „Beispiel“, „Vergleich“; als ''[[terminus technicus]]'' im ''{{lang|ar-Latn|[[Fiqh]]}}'', in der islamischen Rechtswissenschaft, heißt es „[[Analogie (Recht)|Analogie]]“, „[[Analogieschluss]]“, in philosophischer Literatur wird es als Entsprechung zum gr. ''syllogismos'' verwendet (gr. analogia hingegen mit ar. mithl wiedergegeben).
 
Im [[Sunniten|sunnitischen]] Islam gilt der Qiyās nach Koran, Sunna und [[Idschmāʿ]] als die vierte Rechtsquelle. Die [[Zwölfer-Schia]] lehnt Qiyās ab, lässt dafür aber den Vernunftbeweis (''dalīl al-ʿaql'') zu.<ref>Vgl. dazu Gleave und Devin Stewart: ''Islamic Legal Orthodoxy. Twelver Shiite Responses to the Sunni Legal System''. Salt Lake City 1998, S. 15.</ref> Auch die [[Zahiriten]] und einige [[Hanbaliten]] lehnten den Qiyās ab.<ref>Vgl. Bernard 239b-240a.</ref>
Im Entwicklungsprozess der islamischen [[Jurisprudenz]] im 8–9.&nbsp;Jahrhundert waren nicht alle Rechtsfälle oder Aspekte der kultischen Handlungen anhand von [[Koran]] und der ''[[Sunna]]'' des Propheten und seiner Gefährten (''{{lang|ar-Latn|[[sahaba]]}}'') oder durch ''{{lang|ar-Latn|[[idschma]]}}'' der Gelehrten zu lösen. Rechtsvorschriften, die ursprünglich aus den ersten drei Quellen des ''{{lang|ar-Latn|Fiqh}}'' abgeleitet waren, versuchte man durch Analogie auf neue, noch nicht gelöste Fälle zu übertragen. Es war [[Muhammad ibn Idris al-Schafii|as-Schafii]], der den Analogieschluss zur vierten Quelle der Jurisprudenz machte; somit stellte er ihn als Rechtsquelle mit dem ''{{lang|ar-Latn|[[idschtihad]]}}'' bei der Interpretation des Rechts gleich. Diese Methode wird von allen klassischen Rechtsschulen (''{{lang|ar-Latn|[[Madhhab]]}}'') bis heute angewandt. ''{{lang|ar-Latn|Qiyās}}'' ist im sunnitischen Islam eine der ''{{lang|ar-Latn|usūl al-fiqh}}'' ({{ar|اصول الفقه}}) „Grundlagen der Rechtswissenschaft“.
 
Grundlegend für die sunnitische Auffassung vom Qiyās ist die Aussage von [[asch-Schāfiʿī]] in seinem ''Kitāb Ibṭāl al-istiḥsān'' („Buch der Entkräftung der Billigkeitserwägung“), das Teil seines ''Kitāb al-Umm'' bildet. Hier wird die bei den [[Hanafiten]] gepflegte "Billigkeitserwägung" ''(istiḥsān)'' als Mittel der Normenfindung zurückgewiesen, gleichzeitig aber auch definiert, welches die zulässigen Mittel der Normenfindung sind: "Niemandem, der als Richter oder [[Mufti]] tätig sein will, ist es erlaubt, sich bei der Rechtsprechung oder der Erteilung seines Gutachtens auf etwas anderes zu stützen als auf einen verbindlichen Bericht, nämlich das Buch, die Sunna oder das, was die Gelehrten übereinstimmend lehren, oder auf den Analogieschluss gemäß einem dieser Dinge".<ref>''Lā yaǧūzu li-man istaʾhala an yakūna ḥākiman au muftiyan an yaḥkuma wa-lā yuftiya illā min ǧihati ḫabarin lāzimin wa-ḏālika l-kitābu ṯumma s-sunnatu au mā qāla-hū ahlu l-ʿilmi lā yaḫtalifūna fī-hi au qiyāsin ʿalā baʿḍi hāḏā.'' Vgl. aš-Šāfiʿī: ''Kitāb al-Umm'' 7 Bände Ed. Būlāq: al-Maṭbaʿa al-amīrīya. 1321–1325h. Band VII, S. 270f.</ref> Asch-Schāfiʿī ging davon aus, dass Qiyās und [[Idschtihād]] identisch sind.
 
== Bestandteile des Qiyās ==
Der Qiyās besteht aus vier Elementen: (1) einem Zielfall ''(farʿ),'' für den eine normative Bewertung ''(ḥukm)'' gesucht wird; (2) einem Ausgangsfall ''(aṣl),'' für den durch [[Koran]], [[Sunna]] oder [[Idschmāʿ|Konsens]] bereits eine normative Bewertung gegeben ist; (3) ein ermittelbarer Grund ''(ʿilla)'' für die normative Bewertung des Ausgangsfalls, der auf den Zielfall übertragbar ist; wenn alle drei vorgenannten Elemente vorhanden sind, dann ergibt sich (4) die normative Bewertung des Zielfalls.<ref>Vgl. Bernard 241b</ref>
 
Hinsichtlich der ''ʿilla'' werden zahlreiche Voraussetzungen genannt, die erfüllt sein müssen, unter anderem „deutliches Zutagetreten“ ''(ẓuhūr),'' „Feststellbarkeit“ ''(inḍibāṭ)'' und „Angemessenheit“ ''(munāsaba).''<ref>Vgl. Krawietz 221.</ref> Angemessenheit, die besonders viel diskutiert wird, soll dann vorliegen, wenn durch die ''ʿilla'' ein Nutzen ''(maṣlaḥa)'' bewirkt oder ein Schaden abgewehrt wird. So sind zum Beispiel Wohlstand die ''ʿilla'' für das Gebot zur Zahlung der [[Zakat]] und Vermeidung von [[Rausch]] die ''ʿilla'' für das koranische [[Alkoholverbot im Islam|Weinverbot]].<ref>Vgl. Kerr 69</ref>
 
In manchen Systemen wird die Kategorie „Angemessenheit“ noch weiter aufgegliedert,<ref>Die Darstellung folgt hier Kerr 69f.</ref> und zwar nach:
* Grad der Dringlichkeit in „zwingende Notwendigkeit“ ''(ḍarūra),'' „Bedürftigkeit“ ''(ḥāǧa)'' und „Vollständigkeit“ ''(tatimma).'' Zu den Dingen, die zwingend notwendig sind, gehören die fünf aus der [[Scharia]] ableitbaren Universalien ''(al-kullīyāt al-ḫams):'' Leben, Religion, Familie, Vernunft und Eigentum. Je größer die Dringlichkeit ist, desto mehr eignet sie sich für den Qiyās.
* Grad der Spezifität von ''ʿilla'' und ''farʿ.'' Je spezifischer beide sind, desto mehr eignen sie sich für den Qiyās.
* Position der religiösen Grundlagentexte gegenüber dem angestrebten Nutzen. Wird der Nutzen in den Texten explizit anerkannt, handelt es sich um einen „anerkannten Nutzen“ ''(maṣlaḥa muʿtabara),'' der eine gesunde Grundlage für die Argumentation darstellt. Wird dieser Nutzen in diesen Texten explizit ausgeschlossen, ist es ein „ausgeschlossener Nutzen“ ''(maṣlaḥa mulġāt),'' der nicht für die Argumentation taugt. Um einen „freigestellten Nutzen“ ''(maṣlaḥa mursala)'' handelt es sich, wenn die Grundlagentexte dazu gar keine wertenden Aussagen enthalten. Er kann ebenfalls als Argument verwendet werden.
 
== Literatur ==
* [[Monique Bernard|M. Bernard]]: /''Ḳiyās. G1. Troupeau:in ArtLaw. ''Ḳiyās'', inIn: ''[[Encyclopaedia of Islam]], 2.'' A.,New BdEdition. 5Band (1986)V, S. 238-242238–242.
* [[Robert Brunschwig|R. Brunschwig]]: „Argumentation fāṭimide contre le raisonnement par analogie (''qiyās'')“ in ''Recherches d'islamologie: Recueil d'articles offert à Georges C. Anawati et Louis Gardet par leurs collègues et amis''. Peeters, Louvain, 1977. S. 75–84.
* Jonathan E. Brokopp: ''Competing Theories of Authority in Early Maliki Texts'', in: Bernard G. Weiss (Hg.): Studies in Islamic Legal Theory, Brill, Leiden 2002, 3-22.
* Robert Gleave: ''Imāmī Shīʿī Refutations of qiyās.'' In: Bernard G. Weiss (Hrsg.): ''Studies in Islamic legal theory.'' Leiden 2002, S. 267–293.
* [[Joseph Schacht]]: ''The Origins of Muhammadan Jurisprudence'', Oxford University Press, Oxford 1967, S. 99 et passim.
* Malcolm Kerr: ''Islamic Reform. The Political and Legal Theories of Muḥammad ʿAbduh and Rashīd Riḍā.'' Berkeley 1966, S. 66–79.
* [[John Wansbrough]]: ''Qur'anic Studies'', Sources and Methods of Scriptural Interpretation, Oxford 1. A. 1977, S. 167 et passim.
* Birgit Krawietz: ''Hierarchie der Rechtsquellen im tradierten sunnitischen Islam.'' Berlin 2002, S. 203–223.
* Ruth Mas: ''Qiyas: A Study in Islamic Logic.'' In: ''Folia Orientalia.'' Vol. 34, (1998) 113–128. [http://spot.colorado.edu/~rmas/MasQiyas1998.pdf (online auf: ''spot.colorado.edu'')]
* Nabil Shehaby: ''ʿIlla and Qiyās in Early Islamic Legal Theory.'' In: ''Journal of the American Oriental Society.'' 102/1 (1982), S. 27–46.
* [[John Wansbrough]]: ''Qur'anicQur’anic Studies.'', Sources and Methods of Scriptural Interpretation, Oxford. 1. AAuflage. Oxford 1977, S. 167 etund [[passim]].
 
== Einzelnachweise ==
[[Kategorie:Islamisches Recht]]
<references />
 
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[[Kategorie:Islamische Rechtstheorie]]
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