Advocatus Diaboli
Mit dem lateinischen Ausdruck Advocatus Diaboli, zu deutsch Anwalt des Teufels, wird im Bereich der Rhetorik eine Person bezeichnet, die mit ihren Argumenten die Position der Gegenseite vertritt, ohne ihr selbst anzugehören. Der Begriff bezeichnet umgangssprachlich den Kirchenanwalt, dessen Aufgabe es ist, in einem Heiligsprechungsprozess die zusammengetragenen Belege und Argumente für die Heiligsprechung anzufechten bzw. eigene Argumente gegen die Kanonisation einzubringen.[1]
Verwendungszweck
Das rhetorische Stilmittel kann dazu verwendet werden, die Argumente der eigenen Position im Hinblick auf mögliche Gegenargumente (des Advocatus Diaboli) zu schärfen. Bei Debatten kann die Einnahme der Position des Advocatus Diaboli auch der gezielten Provokation dienen.
Im Bereich der Pädagogik wird diese Methode angewendet, um den Lernenden Übung darin zu vermitteln, eine Meinung zu vertreten. Diese Unterrichtsmethode hat besonders im gesellschaftswissenschaftlichen Bereich Geltung.
Für Lernende von Berufen, in denen es besonders auf die Stichhaltigkeit von Argumenten und Beweisen ankommt (Rechtswissenschaft, Naturwissenschaften, Mathematik), ist die Entwicklung eines „inneren“ Advocatus Diaboli zum Schutz gegen Verlust der Objektivität durch Fehler wie Selbstüberschätzung, Betriebsblindheit usw. ein unverzichtbarer Bestandteil der Berufsausbildung.
Devil’s-Advocacy-Technik
Devil’s advocacy baut auf dem Prinzip des Advocatus Diaboli auf. Sie beschreibt eine Technik aus der Arbeits- und Organisationspsychologie, die dazu genutzt wird, um der voreingenommenen Informationssuche im Rahmen von Urteils- und Entscheidungsprozessen in Gruppen entgegenzuwirken. Bei der Devil’s-advocacy-Technik übernimmt ein zufällig ausgewähltes Gruppenmitglied die Rolle des Advocatus Diaboli (englisch devil’s advocate), dessen Aufgabe es ist, Vorschläge von der Gruppe zu kritisieren. Wenn sich alle über eine Lösung geeinigt haben, vertritt der Devil’s Advocate Gegenargumente zu dieser Lösung und versucht, dazugehörige Schwächen zu identifizieren. Die Gruppe muss dann auf die Kritik reagieren und prüfen, ob die Argumente, die von dem Devil’s Advocate hervorgebracht wurden, entkräftet werden können. Nach dieser Prüfung wird die anfänglich vorgeschlagene Lösung entweder ausgewählt oder abgewiesen.
Ablauf/Prozedur
- Die Gruppe diskutiert über das Entscheidungsproblem und schlägt die bevorzugte Alternative vor.
- Die Aufgabe des Devil’s Advocate ist es, alle Nachteile dieser Alternative zu identifizieren. Er überprüft den Gruppenvorschlag hinsichtlich möglicher Fehler und falscher Annahmen.
- Der Devil’s Advocate stellt seine Kritik den anderen Gruppenmitgliedern vor.
- Die Gruppe analysiert gemeinsam zusätzliche Informationsberichte, die wichtig sein könnten für die finale Gruppenentscheidung.
- Auf Basis dieser Analysen wird eine finale Gruppenentscheidung getroffen.
Ziel
Die Devil’s-Advocacy-Technik stellt eine Form von künstlicher Meinungsverschiedenheit (englisch contrived dissent) dar. Sie dient dazu, der Voreingenommenheit bei der Informationssuche in Gruppenentscheidungsprozessen entgegenzuwirken (vgl. Gruppendenken (Abschnitt Advocatus Diaboli)). Die Technik wird insbesondere bei homogenen Gruppen genutzt, da hier die Suche nach Gegenargumenten gefördert wird.
Einzelnachweise
- ↑ Elmar Güthoff: Kirchenanwalt. In: Walter Kasper (Hrsg.): Lexikon für Theologie und Kirche. 3. Auflage. Band 5. Herder, Freiburg im Breisgau 1996, Sp. 1509.
Literatur
zu Advocatus Diaboli
- Elmar Güthoff: Advocatus. In: Walter Kasper (Hrsg.): Lexikon für Theologie und Kirche. 3. Auflage. Band 1. Herder, Freiburg im Breisgau 1993, Sp. 175–176.
zur Devil’s-Advocacy-Technik
- Bierhoff, Hans-Werner (2006): Sozialpsychologie. Ein Lehrbuch. 6. Aufl. Stuttgart: Kohlhammer.
- Schulz-Hardt, Stefan; Jochims, Marc; Frey, Dieter (2002): Productive conflict in group decision making: genuine and contrived dissent as strategies to counteract biased information seeking. In: Organizational Behavior and Human Decision Processes 88 (2), S. 563–586.