Nitroimidazole
Die Nitroimidazole sind eine Gruppe von Antibiotika, die in der Medizin eingesetzt werden. Sie können als Tablette verabreicht werden und wirken bakterizid gegen fast alle anaeroben Bakterien (außer Aktinomyzeten und Propionibakterien) und viele Protozoen. Der wichtigste Vertreter ist Metronidazol, neuere Varianten sind Tinidazol und Nimorazol. In Deutschland ist Nimorazol als Naxogin[1] auch nicht mehr im Handel. Tinidazol war als Simplotan (Pfizer) erhältlich, wurde mittlerweile in Deutschland aber aus pharmaökonomischen Gründen vom Markt genommen, ist hier aber weiterhin verkehrsfähig.
Entwicklung
Die Entwicklung der Nitroimidazole ging von dem 1953 aus einer Streptomyces-Art isolierten Azomycin (2-Nitroimidazol) aus, das sich als hochwirksam gegen Trichomonaden erwies, wegen seiner Toxizität aber nicht klinisch eingesetzt werden konnte.[2]
Der erste und wichtigste Vertreter der Nitroimidazole, Metronidazol, wurde 1960 von Rhône-Poulenc patentiert.
Molekularer Aufbau
Allen Nitroimidazolen gemeinsam ist die namensgebende Nitrogruppe sowie ein Heterocyclen mit zwei Heteroatomen Stickstoff. Metronidazol weist zudem eine Methylgruppe am Heterocyclen auf. Sein Nachfolger Tinidazol unterscheidet sich chemisch durch ein Schwefeldioxid-Molekül und eine weitere Methlygruppe am Schwefel dieses Moleküls, während Metronidazol statt des Schwefeldioxids eine Hydroxy-Gruppe aufweist.
Pharmakodynamik
Die bakterizide Wirkung der Nitroimidazole entfaltet sich intramikrobiell, wobei erst durch Reduktion der Nitro-Gruppe die hochwirksamen Metaboliten entstehen, welche intrazellulär die bakterielle DNA schädigen. Die Reduktion wird dabei erst durch anaeroben Stoffwechsel ermöglicht, was den Einsatz der Nitroimidazole gegen Anaerobier erklärt. Bei der DNA-Schädigung stehen v. a. Adduktbildungen mit benachbarten Basenpaaren eines DNA-Strangs im Vordergrund, die je nach Stärke der Bindungsstörung zu Strangbrüchen führen können.[3] Die Nitroimidazole haben dadurch einerseits den in der Medizin genutzten bakteriziden Effekt, andererseits einen mutagenen (erbgutschädigenden) Effekt; hierbei haben die Metaboliten allgemein eine höhere Affinität zu Bakterienzellen als zu menschlichen Zellen, was überhaupt erst ihren Einsatz beim Menschen erklärt.
Indikationen
Die Nitroimidazole sind zur Behandlung folgender Infektionen geeignet: Trichomonas vaginalis (Trichomoniasis), Gardnerella vaginalis (Aminkolpitis), Giardia lamblia (Lambliasis, Giardiasis), Entamoeba histolytica (Amöbenruhr, Amöben-Leberabszess), sowie diverse Anaerobierinfektionen (unter anderem Clostridium difficile).[3] Nitroimidazole werden entweder als Einmaldosis oder – in geringerer Dosierung – für fünf bis sechs Tage eigenommen. Das Therapieschema hängt von der zugrundeliegenden Erkrankung ab. Die Therapiedauer darf maximal 10 Tage betragen, da mögliche Risiken einer längerfristigen Einnahme nicht erforscht sind.
Kontraindikationen
Nitroimidazole dürfen nicht bei Erkrankungen des zentralen oder peripheren Nervensystems, Bluterkrankungen, Überempfindlichkeit und bei schweren Leberschäden angewendet werden.
In der Schwangerschaft und Stillperiode bzw. Trächtigkeit sind Nitroimidazole wegen der potentiell teratogenen Wirkung nur bei strenger Indikationsstellung (lebensgefährliche Infektionen) zugelassen, da der Wirkstoff die Plazentaschranke überwindet.
Sie führen durch Hemmung der Aldehyddehydrogenasen zu Intoleranz gegenüber Alkohol.[4] Bei gleichzeitigen Alkoholkonsum können schwere Nebenwirkungen und akute Intoxikationen (Vergiftungserscheinungen) eintreten.
Nebenwirkungen
Häufige unerwünschte Nebenwirkungen der Nitroimidazole treten in Form von Magen-Darm-Beschwerden auf. Außerdem kann es zu Geschmacksstörungen kommen in Form eines metallischen Geschmacksempfindens.[5] Weitere Nebenwirkungen sind Kopfschmerz, Schwindel, Benommenheit, Parästhesien und allergische Reaktionen, selten auch Neuropathien. Beim Auftreten von neuropathischen Symptomen (Kopfschmerz, Benommenheit, Verwirrtheit) sollte sofort ärztlicher Rat eingeholt und die Beendigung der Therapie mit Nitroimidazolen erwogen werden, um dem Entstehen einer möglicherweise irreversiblen Neuropathie entgegenzuwirken. Bei bereits entstandender Neuropathie muss die Einnahme beendet werden, um eine irreversible Schädigung zu vermeiden. Neuropathien könnten nach Abbruch der Einnahme reversibel sein.
Nitroimidazole wirken als Mutagene. Bei Mäusen weist Metronidazol eine karzinogene Wirkung auf, doch konnten ähnliche Studien bei Hamstern und große epidemiologische Studien an Menschen keinen Beweis für ein erhöhtes karzinogenes Risiko beim Menschen feststellen.
Einzelnachweise
- ↑ Naxogin. in der DrugBase Abda-Datenbank auf: justscience.de
- ↑ Eintrag zu Nitroimidazole. In: Römpp Online. Georg Thieme Verlag
- ↑ a b K. Aktories: Allgemeine und spezielle Pharmakologie und Toxikologie. 9. Auflage.
- ↑ E. Mutschler: Arzneimittelwirkungen. 9. Auflage. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-8047-1952-1.
- ↑ Sabine Cyrys: Viererband Grundlagenfächer. 2002, ISBN 3-437-42120-4, S. 427.