„Barelwī-Bewegung“ – Versionsunterschied

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{{Weiterleitungshinweis|Barelwi|Zum islamischen Reformer und Führer der Bewegung Tariqa-yi Muhammadiya siehe [[Sayyid Ahmad Barelwi]].}}
Die '''Barelwī-Bewegung''' ist eine orthodox-[[Sunniten|sunnitische]] Bewegung des [[Islam]]s in [[Südasien]], die sich im späten [[19. Jahrhundert]] unter dem [[Paschtunen|paschtunischen]] ''[[Hanafiten|Hanafī]]-[[Qadiriyya|Qādirī]]''-Gelehrten und Anführer<ref>vgl. Jamal Malik, B. Malik: ''Islamic History and Civilization, Islamische Gelehrtenkultur in Nordindien.'' Brill Academic Pub, 1997, S. 483. ([http://books.google.de/books?id=2inZ4OLb080C&pg=PA483&lpg=PA483&dq=#v=onepage&q&f=false Online-Auszug])</ref> [[Ahmed Raza Khan]] (1856–1921)<ref>[[Ahmed Raza Khan]] ist der Verfasser zahlreicher Bücher über viele islamische Themen, er übersetzte 1911 den [[Koran]] ins Urdu (unter dem Titel ''Kanz al-īmān fī tarjamat al-Qurʾān'', [http://d-nb.info/gnd/119480301/about/html d-nb.info])</ref> auf dem [[Indischer Subkontinent|indischen Subkontinent]] formierte. Ihr Name rührt von der nordindischen Stadt [[Bareilly]] her, von wo sie ausging. Sie sind strenge Anhänger der [[Hanafiten|hanafitischen]] [[Madhhab|Rechtsschule]].
[[Datei:DargahAlahazrat.jpg|mini|Mausoleum von Ahmed Raza Khan, dem Gründer der Barelwī-Bewegung]]
Die '''Barelwī-Bewegung''' ({{urS|بَریلوِی&lrm;|Barelvi}}) ist eine orthodox-[[Sunniten|sunnitische]] Bewegung des [[Islam]]s in [[Südasien]], die sich im späten [[19. Jahrhundert]] unter dem [[Paschtunen|paschtunischen]] ''[[Kadriya|Qādirī]]''-Gelehrten und Anführer<ref>vgl. Jamal Malik, B. Malik: ''Islamic History and Civilization, Islamische Gelehrtenkultur in Nordindien.'' Brill Academic Pub, 1997, S. 483. ({{Google Buch |BuchID=2inZ4OLb080C |Seite=483}})</ref> [[Ahmad Riza Khan Barelwi]] (1856–1921)<ref>Ahmed Raza Khan ist der Verfasser zahlreicher Bücher über viele islamische Themen, er übersetzte 1911 den [[Koran]] ins Urdu (unter dem Titel ''Kanz al-īmān fī tarjamat al-Qurʾān'', [http://d-nb.info/gnd/119480301/about/html d-nb.info])</ref> auf dem [[Indischer Subkontinent|indischen Subkontinent]] formierte. Ihr Name rührt von der nordindischen Stadt [[Bareilly]] her, von wo sie ausging. Sie sind strenge Anhänger der [[Hanefiten|hanefitischen]] [[Madhhab|Rechtsschule]]. Von den Sunniten [[Pakistan]]s, die 75 bis 80 Prozent der Bevölkerung des Landes ausmachen, sind ca. 70 Prozent Barelwīs.<ref name="auto1">[http://www.suedasien.info/analysen/2889 suedasien.info: Populärislamismus in Pakistan]</ref> Die Barelwīs sind auch außerhalb des südasiatischen Raumes tätig und betreiben etwa die [[Medina-Moschee (Sheffield)|Medina-Moschee]] in Sheffield.


== Lehre ==
Von den Sunniten [[Pakistan]]s, die 75 bis 80 Prozent der Bevölkerung des Landes ausmachen, sind ca. 70 Prozent Barelwīs.<ref name="auto1">[http://www.suedasien.info/analysen/2889 suedasien.info: Populärislamismus in Pakistan]</ref> Die Barelwīs sind auch außerhalb des südasiatischen Raumes tätig und betreiben etwa die [[Medina-Moschee (Sheffield)|Medina-Moschee]] in Sheffield.
Die Barelwi-Bewegung bezeichnet sich selbst als ''Ahl-e Sunnat wa Jama'at'' und verfolgt eine Ausrichtung des eigenen Lebens nach den Vorgaben des Propheten. Wichtige Quellen sind deshalb der Koran und die [[Hadith]]literatur. Hinzu kommen die [[Fatwa|Fatawa]]-Sammlungen von Ahmed Raza Khan.<ref>Usha Sanyal: ''Devotional Islam and Politics in British India. Ahmad Riza Khan Barelwi and his Movement, 1870–1920.'' Delhi 1996, S. 166–168.</ref>


Sie stützt sich stark auf Inhalte des Sufismus (z.&nbsp;B. ontologischen Monismus [[Ibn Arabi]]s) und Glaubensformen&#160;des Volksislam und steht in Opposition zur puristischen und islamistischen [[Dar ul-Ulum Deoband#Haltung zu anderen Gruppen|Deobandi-Bewegung]], der zweiten einflussreichen muslimischen Gruppierung in Südasien.<ref>{{Webarchiv |url=http://criticalppp.com/archives/239329 |text=Sunni Barelvi (Sufi Muslims) Struggle with Deobandi-Wahhabi Jihadists in Pakistan – by Arif Jamal |wayback=20130123010550}}</ref> Anders als die Deobandis mit ihren [[Medrese]]n stützt sie sich mehr auf [[Pir (Sufismus)|Pirs]] ([[Volksheiliger|Volksheilige]]) und deren [[Tekke|Dargahs]].<ref name="auto1" /> Die Opposition zu den Deobandis lässt sich auch auf die unterschiedliche philosophische Begründung zurückführen. Die Barelwis folgen durch die sufische Tradition der alten Lehre Muhyī d-Dīn Ibn ʿArabīs von der ,Einheit des Seins' ([[Wahdat al-wudschūd]]). Die Deobandis neigten durch ihre Nähe zu den [[Nakschibendi]] zur Lehre Ahmad Sirhindīs (1564–1624) von der ,Einheit der Schau' (Wahadat al-schuhūd). Durch den [[Wahdat al-wudschūd|Seinsmonismus]] in der Lehre Ibn ´Arabīs ist die Stellung Mohammads als Mittler und die Bedeutung der Scheichs als weitere vermittelnde Instanzen im Sufismus begründet.<ref>{{Literatur |Autor=Malik, Jamal |Hrsg=Noth, Albrecht; Paul, Jürgen |Titel=Islam in Südasien |Sammelwerk=Der islamische Orient-Grundzüge seiner Geschichte |Verlag=Ergon |Ort=Würzburg |Datum=1998 |ISBN=3-932004-56-6 |Seiten=505-543}}</ref> Die Barelwis stehen somit, obwohl in Opposition zu den Deobandis, in der Tradition der südasiatischen Madrasa (besonders der [[Farangi Mahall]]), zu deren Curriculum bis ins frühe 18. Jahrhundert auch die Ideen des Sufismus ([[Neuplatonismus]]) zählten.<ref>{{Literatur |Autor=Malik, Jamal |Titel=Islamische Gelehrtenkultur in Nordindien. Entwicklungsgeschichte und Tendenzen am Beispiel von Lucknow |Verlag=Brill |Ort=Leiden |Datum=1997 |ISBN=90-04-10703-7}}</ref>
Die Barelwi-Bewegung bezeichnet sich selbst als Ahl-e Sunnat wa Jama'at und verfolgt eine Ausrichtung des eigenen Lebens nach den Vorgaben des Propheten. Wichtige Quellen sind deshalb der Koran und die Hadithliteratur. Hinzu kommen die [[Fatwa|Fatawa-Sammlungen]] von Ahmed Raza Khan.<ref>Usha Sanyal: ''Devotional Islam and Politics in British India. Ahmad Riza Khan Barelwi and his Movement, 1870–1920.'' Delhi 1996, S. 166–168.</ref>

Sie stützt sich stark auf Inhalte des Sufismus (z.B. ontologischen Monismus Ibn Arabis) und Glaubensformen des Volksislam und steht in Opposition zur puristischen und islamistischen [[Deobandis|Deobandi-Bewegung]], der zweiten einflussreichen muslimischen Gruppierung in Südasien.<ref>[http://criticalppp.com/archives/239329 Sunni Barelvi (Sufi Muslims) Struggle with Deobandi-Wahhabi Jihadists in Pakistan – by Arif Jamal]</ref> Anders als die Deobandis mit ihren [[Madrasa]]s stützt sie sich mehr auf [[Pir (Sufismus)|Pirs]] (Volksheilige) und deren [[Tekke|Dargahs]].<ref name="auto1" /> Die Opposition zu den Deobandis lässt sich auch auf die unterschiedliche philosophische Begründung zurückführen. Die Barelwis folgen durch die sufische Tradition der alten Lehre [[Muhyī d-Dīn Ibn ʿArabī|Muhyī d-Dīn Ibn ʿArabīs]] von der ,Einheit des Seins' ([[Wahdat al-wudschūd]]). Die Deobandis neigten durch ihre Nähe zur [[Naqschbandīya]] zur Lehre Ahmad Sirhindīs (1564-1624) von der ,Einheit der Schau' (Wahadat al-schuhūd). Durch den [[Seinsmonismus]] in der Lehre Ibn ´Arabīs ist die Stellung Mohammads als Mittler und die Bedeutung der Scheichs als weitere vermittelnde Instanzen im Sufismus begründet.<ref>{{Literatur |Autor=Malik, Jamal |Titel=Islam in Südasien |Hrsg=Noth, Albrecht; Paul, Jürgen |Sammelwerk=Der islamische Orient-Grundzüge seiner Geschichte |Band= |Nummer= |Auflage= |Verlag=Ergon |Ort=Würzburg |Datum=1998 |Seiten=505-543 |ISBN=978-3-932004-56-8}}</ref> Die Barelwis stehen somit, obwohl in Opposition zu den Deobandis, in der Tradition der südasiatischen Madrasa (besonders der [[Farangi Mahall]]), zu deren Curriculum bis ins frühe 18. Jahhundert auch die Ideen des Sufismus ([[Neuplatonismus]]) zählten.<ref>{{Literatur |Autor=Malik, Jamal |Titel=Islamische Gelehrtenkultur in Nordindien. Entwicklungsgeschichte und Tendenzen am Beispiel von Lucknow |Hrsg= |Sammelwerk= |Band= |Nummer= |Auflage= |Verlag=Brill |Ort=Leiden |Datum=1997 |Seiten= |ISBN=9789004107038}}</ref>

Sie forderte eine {{Zitat|ähnliche Abgrenzung der islamischen Gemeinschaft von der Umwelt wie die Deobandis […] Sie bezweckt die Stärkung des Islam bei einfachen Leuten durch die Propagierung der Scharia durch angesehene Mittler wie die Scheichs der Sufiorden. Sie betrachtet den Propheten Mohammad als übernatürliches Wesen. Ihr populärer [[Pietismus]], der gar nicht so weit vom Hinduismus entfernt ist, ruht auf seiner Quasivergöttlichung. Mohammed bildet die Identität der Gruppe, seine Beleidigung ist gleich eine Beleidigung der Gruppe.|ref=<ref>[http://www.ansary.de/Islam/Wahabit.html ansary.de: Die Wahhabiten]</ref>}}


== Glaubensauffassung bezüglich Mohammed und Praktiken ==
== Glaubensauffassung bezüglich Mohammed und Praktiken ==
Sie forderte eine {{" |ähnliche Abgrenzung der islamischen Gemeinschaft von der Umwelt wie die Deobandis […] Sie bezweckt die Stärkung des Islam bei einfachen Leuten durch die Propagierung der Scharia durch angesehene Mittler wie die Scheichs der Sufiorden. Sie betrachtet den Propheten Mohammad als übernatürliches Wesen. Ihr populärer [[Pietismus]], der gar nicht so weit vom Hinduismus entfernt ist, ruht auf seiner Quasivergöttlichung. Mohammed bildet die Identität der Gruppe, seine Beleidigung ist gleich eine Beleidigung der Gruppe.}}<ref>[http://www.ansary.de/Islam/Wahabit.html ansary.de: Die Wahhabiten]</ref> Die Barelwi-Glaubensauffassung über den islamischen Propheten Mohammed führt folgende Punkte auf:


* Er ist ''nuri baschar'': Ein Mensch (''baschar''), erschaffen aus Gottes Licht (''nur''), er bestehe nicht aus Fleisch und Blut, sondern aus Licht.<ref>{{Internetquelle |autor=Ahmed Raza |url=http://www.faizaneraza.org/book-detail/172 |titel=Noor o Bashar ::Islamic Books, Books Library |hrsg=Faizaneraza.org |offline=1 |archiv-url=https://web.archive.org/web/20120222055545/http://www.faizaneraza.org/book-detail/172 |archiv-datum=2012-02-22 |abruf=2012-09-24}}</ref> Deshalb wirft er selbst auch keinen Schatten.
Die Barelwi Glaubensauffassung über den islamischen Propheten Mohammed führt folgende Punkte auf:

* Er ist ''nuri bashar'': Ein Mensch (''bashar''), erschaffen aus Gottes Licht (''nur''), er bestehe nicht aus Fleisch und Blut, sondern aus Licht.<ref>{{Internetquelle|autor=Ahmed Raza |url=http://www.faizaneraza.org/book-detail/172 |titel=Noor o Bashar ::Islamic Books, Books Library |hrsg=Faizaneraza.org |zugriff=2012-09-24}}</ref> Deshalb wirft er selbst auch keinen Schatten.
* Er ist ''hazir'': An mehreren Orten zur gleichen Zeit. Wo er erscheint und in welcher Gestalt (körperlich oder geistig), entscheidet er allein. Seine Gegenwart bringt Segen (''baraka''). Sie ist besonders stark an seinem Grab und zu seinem Geburtstag.
* Er ist ''hazir'': An mehreren Orten zur gleichen Zeit. Wo er erscheint und in welcher Gestalt (körperlich oder geistig), entscheidet er allein. Seine Gegenwart bringt Segen (''baraka''). Sie ist besonders stark an seinem Grab und zu seinem Geburtstag.
* Er ist ''nazir'': Zeuge über alles, was in der Welt passiert.
* Er ist ''nazir'': Zeuge über alles, was in der Welt passiert.
* Er ist ''ilm-e-Ghaib'': Er hat Wissen über das Unbekannte, Verborgene und die Zukunft.
* Er ist ''ilm-e-Ghaib'': Er hat Wissen über das Unbekannte, Verborgene und die Zukunft.
* Er ist ''mukhtaar kul'': Er besitzt die Autorität, zu tun, was er will.<ref name="Asthana">N. C. Asthana, A.Nirmal: [http://books.google.com/books?id=8EqWnqdsgZMC&pg=PA67&dq=barelvi+noor+bashar&hl=en&ei=FRMrTLOQMcH98Aap3YnTCA&sa=X&oi=book_result&ct=result&resnum=1&ved=0CCgQ6AEwAA#v=onepage&q=barelvi%20noor%20bashar&f=false ''Urban Terrorism : Myths And Realities.''] Pointer Publishers, 2009, ISBN 978-81-7132-598-6, S. 67.</ref>
* Er ist ''muchtaar kul'': Er besitzt die Autorität, zu tun, was er will.<ref name="Asthana">N. C. Asthana, A.Nirmal: {{Google Buch |BuchID=8EqWnqdsgZMC |Seite=67 |Hervorhebung=barelvi noor bashar |Linktext=''Urban Terrorism : Myths And Realities.''}} Pointer Publishers, 2009, ISBN 978-81-7132-598-6, S. 67.</ref>
* Er ist ''habib'': von Allah geliebt. Diese Liebe geht so weit, dass Allah die Welt für ihn erschuf.<ref>vgl. Usha Sanyal: ''Devotional Islam and Politics in British India. Ahmad Riza Khan Barelwi and his Movement, 1870–1920.'' Delhi 1996, S. 249.</ref>
* Er ist ''habib'': von Allah geliebt. Diese Liebe geht so weit, dass Allah die Welt für ihn erschuf.<ref>vgl. Usha Sanyal: ''Devotional Islam and Politics in British India. Ahmad Riza Khan Barelwi and his Movement, 1870–1920.'' Delhi 1996, S. 249.</ref>


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Ahmad Riza hatte äußerst hierarchische Vorstellungen hinsichtlich der spirituellen Sphären: An oberster Stelle stand die Nähe zu Gott, an Nächster der Prophet und zuletzt der Sufimeister.<ref>Usha Sanyal: ''Ahmad Riza Khan Barelwi. In the path of the Prophet.'' Oxford 2005, S. 90.</ref>
Ahmad Riza hatte äußerst hierarchische Vorstellungen hinsichtlich der spirituellen Sphären: An oberster Stelle stand die Nähe zu Gott, an Nächster der Prophet und zuletzt der Sufimeister.<ref>Usha Sanyal: ''Ahmad Riza Khan Barelwi. In the path of the Prophet.'' Oxford 2005, S. 90.</ref>


Durch diese Instanzen ist dem Gläubigen ein direkter Zugang zu Gott nicht möglich, sodass sich hieraus Mohammeds Heils- und Erkenntnismittlerschaft ergibt. In der Barelwi-Bewegung werden sowohl Auslegungstradition als auch Spiritualität über Instanzen vermittelt: das äußere Wissen um die rechte Auslegung des Koran und der Hadith-Literatur geschieht durch autorisierte Lehrer (Rechtsschulengelehrte) und ihre über Generationen fortgeführte Weitergabe. Gleiches gilt für die Spiritualität, die von Mohammed, über die Pirs (Sufimeister) dem Gläubigen vermittelt wird. Mittels dieser Kette hat der Gläubige Anteil an der spirituellen Leitung der lebenden Pirs, deren Vorgängern (Mausoleen) und somit an deren Verbindung zu Mohammed selbst, der Emanation Gottes.
Durch diese Instanzen ist dem Gläubigen ein direkter Zugang zu Gott nicht möglich, sodass sich hieraus Mohammeds Heils- und Erkenntnismittlerschaft ergibt. In der Barelwi-Bewegung werden sowohl Auslegungstradition als auch Spiritualität über Instanzen vermittelt: das äußere Wissen um die rechte Auslegung des Koran und der Hadith-Literatur geschieht durch autorisierte Lehrer (Rechtsschulengelehrte) und ihre über Generationen fortgeführte Weitergabe. Gleiches gilt für die Spiritualität, die von Mohammed, über die Pirs (spirituelle Meister im Sufismus) dem Gläubigen vermittelt wird. Mittels dieser Kette hat der Gläubige Anteil an der spirituellen Leitung der lebenden Pirs, deren Vorgängern (Mausoleen) und somit an deren Verbindung zu Mohammed selbst, der Emanation Gottes.


== Opposition ==
== Politische Opposition ==
Seit ihrer Gründung stehen die Barelwis in Opposition zu den Deobandi. Gelehrte [[Deoband]]s erklärten die Glaubensauffassung der Barelwis über Mohammed für unzulässig, Mohammed sei von den Barelwis vergöttlicht worden, was den Tatbestand des [[Schirk]] erfülle. Das Erbitten von Fürsprache erklärten sie ebenfalls für ''schirk'', auch das Feiern des [[Mewlūd|Maulid an-Nabi]] sei unzulässig. Der Deobandi-Gelehrte [[Aschraf Ali Thanwi]] bezeichnete diese Praktiken und Glaubensauffassungen als ''schirk'', [[Bidʿa]] und [[Kufr]].


Als Reaktion wurde er in einer Fatwa des Barelwi-Führers Ahmed Riza Khan aus dem Jahre 1900, zusammen mit anderen Deobandi-[[Ulema]] zu Ungläubigen erklärt, da sie u. a. keine „Liebe für den Propheten“ empfinden, den Propheten beleidigt haben und dadurch kufr begangen haben sollen. So seien auch alle Menschen, die die Deobandis nicht zu Ungläubigen erklären (den ''[[takfir]]'' sprechen) und diese so ansehen, ebenfalls Ungläubige. In der Fatwa wird er mit [[Muhammad ibn Abd al-Wahhab]], [[Ibn Tejmijja]] und [[Mirza Ghulam Ahmad]] verglichen.<ref>sufimanzil.org: {{Webarchiv |url=http://sufimanzil.org/fatwa/akeedahfatwas/arabic-fatwa-against-deobandis |text=''Arabic Fatwa against Deobandis'' |wayback=20100828090709}}</ref> Zu weiteren Gegnern der Barelwis zählen alle Strömungen der [[Salafist]]en, wie die [[Wahhabiten]] aus Saudi-Arabien, die [[Ahl-e-Hadith]] in Pakistan, der [[Jamaat-e-Islami]] und der [[Moslembruderschaft]].
Seit ihrer Gründung stehen die Barelwis in Opposition zu den [[Deobandi]]. Gelehrte Deobands erklärten die Glaubensauffassung der Barelwis über Mohammed für unzulässig, Mohammed sei von den Barelwis vergöttlicht worden, was den Tatbestand des [[Schirk]] erfülle. Das Erbitten von Fürsprache erklärten sie ebenfalls für ''schirk'', auch das Feiern des Mawlid an-Nabi sei unzulässig. Der Deobandi-Gelehrte [[Aschraf Ali Thanwi]] bezeichnete diese Praktiken und Glaubensauffassungen als ''schirk'', [[Bidʿa]] und [[Kufr]].

Als Reaktion wurde er in einer [[Fatwa]] des Barelwi-Führers Ahmed Raza Khan aus dem Jahre 1900, zusammen mit anderen [[Deobandi]]-[[Ulema]] zu Ungläubigen erklärt, da sie u. a. keine „Liebe für den Propheten“ empfinden, den Propheten beleidigt haben und dadurch [[kufr]] begangen haben sollen. So seien auch alle Menschen, die die Deobandis nicht zu Ungläubigen erklären (den ''[[takfir]]'' sprechen) und diese so ansehen, ebenfalls Ungläubige. In der Fatwa wird er mit [[Muhammad ibn Abd al-Wahhab]], [[Ibn Taimiyya]] und [[Mirza Ghulam Ahmad]] verglichen.<ref>sufimanzil.org: [http://sufimanzil.org/fatwa/akeedahfatwas/arabic-fatwa-against-deobandis ''Arabic Fatwa against Deobandis'']</ref> Zu weiteren Gegnern der Barelwis zählen alle Strömungen der [[Salafiten]], wie die [[Wahhabiten]] aus Saudi-Arabien, die [[Ahl-i Hadîth]] in Pakistan, der Jama'at-i islami und der Muslimbruderschaft.


== Literatur ==
== Literatur ==
* Usha Sanyal: ''Devotional Islam and Politics in British India: Ahmed Riza Khan Barelvi and His Movement, 1870–1920.'' Cambridge University Press/ Yoda Press 2010, ISBN 978-81-906668-6-2.
* Usha Sanyal: ''Devotional Islam and Politics in British India: Ahmed Riza Khan Barelvi and His Movement, 1870–1920.'' Cambridge University Press/Yoda Press 2010, ISBN 978-81-906668-6-2.
* Usha Sanyal: ''Ahmad Riza Khan Barelwi: in the path of the prophet.'' (= [[Makers of the Muslim World]]). Oneworld, Oxford 2005, ISBN 1-85168-359-3.
* Usha Sanyal: ''Ahmad Riza Khan Barelwi: in the path of the prophet.'' (= [[Makers of the Muslim World]]). Oneworld, Oxford 2005, ISBN 1-85168-359-3.
* Thomas K. Gugler: ''Mujāhidīn of Islamic Mission: The Barelwī Tablīghī Jamāʿat Daʿwat-e Islāmī''. Ph.D. Islamwissenschaft, Erfurt 2010. ([http://archiv.ub.uni-heidelberg.de/savifadok/volltexte/2010/1401/pdf/Gugler_Mugahidin_2009.pdf Online-Auszug]; PDF; 139&nbsp;kB)
* Thomas K. Gugler: ''Mujāhidīn of Islamic Mission: The Barelwī Tablīghī Jamāʿat Daʿwat-e Islāmī''. Ph.D. Islamwissenschaft, Erfurt 2010. ([http://archiv.ub.uni-heidelberg.de/savifadok/volltexte/2010/1401/pdf/Gugler_Mugahidin_2009.pdf Online-Auszug]; PDF; 139&nbsp;kB)

== Weblinks ==
* Südasien.info: [http://www.suedasien.info/analysen/2889 Populärislamismus in Pakistan]


== Einzelnachweise und Fußnoten ==
== Einzelnachweise und Fußnoten ==
<references />
<references />


[[Kategorie:Barelwī-Bewegung| ]]
{{Alternativbezeichnungen|Barelwī; Barelvi; Barelvi-Bewegung, Barelwi-Bewegung; Barelwīs; Barelwis; Barelvis; Barelwi movement}}
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Aktuelle Version vom 6. Dezember 2023, 19:35 Uhr

Mausoleum von Ahmed Raza Khan, dem Gründer der Barelwī-Bewegung

Die Barelwī-Bewegung (Urdu بَریلوِی Barelvi) ist eine orthodox-sunnitische Bewegung des Islams in Südasien, die sich im späten 19. Jahrhundert unter dem paschtunischen Qādirī-Gelehrten und Anführer[1] Ahmad Riza Khan Barelwi (1856–1921)[2] auf dem indischen Subkontinent formierte. Ihr Name rührt von der nordindischen Stadt Bareilly her, von wo sie ausging. Sie sind strenge Anhänger der hanefitischen Rechtsschule. Von den Sunniten Pakistans, die 75 bis 80 Prozent der Bevölkerung des Landes ausmachen, sind ca. 70 Prozent Barelwīs.[3] Die Barelwīs sind auch außerhalb des südasiatischen Raumes tätig und betreiben etwa die Medina-Moschee in Sheffield.

Die Barelwi-Bewegung bezeichnet sich selbst als Ahl-e Sunnat wa Jama'at und verfolgt eine Ausrichtung des eigenen Lebens nach den Vorgaben des Propheten. Wichtige Quellen sind deshalb der Koran und die Hadithliteratur. Hinzu kommen die Fatawa-Sammlungen von Ahmed Raza Khan.[4]

Sie stützt sich stark auf Inhalte des Sufismus (z. B. ontologischen Monismus Ibn Arabis) und Glaubensformen des Volksislam und steht in Opposition zur puristischen und islamistischen Deobandi-Bewegung, der zweiten einflussreichen muslimischen Gruppierung in Südasien.[5] Anders als die Deobandis mit ihren Medresen stützt sie sich mehr auf Pirs (Volksheilige) und deren Dargahs.[3] Die Opposition zu den Deobandis lässt sich auch auf die unterschiedliche philosophische Begründung zurückführen. Die Barelwis folgen durch die sufische Tradition der alten Lehre Muhyī d-Dīn Ibn ʿArabīs von der ,Einheit des Seins' (Wahdat al-wudschūd). Die Deobandis neigten durch ihre Nähe zu den Nakschibendi zur Lehre Ahmad Sirhindīs (1564–1624) von der ,Einheit der Schau' (Wahadat al-schuhūd). Durch den Seinsmonismus in der Lehre Ibn ´Arabīs ist die Stellung Mohammads als Mittler und die Bedeutung der Scheichs als weitere vermittelnde Instanzen im Sufismus begründet.[6] Die Barelwis stehen somit, obwohl in Opposition zu den Deobandis, in der Tradition der südasiatischen Madrasa (besonders der Farangi Mahall), zu deren Curriculum bis ins frühe 18. Jahrhundert auch die Ideen des Sufismus (Neuplatonismus) zählten.[7]

Glaubensauffassung bezüglich Mohammed und Praktiken

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Sie forderte eine „ähnliche Abgrenzung der islamischen Gemeinschaft von der Umwelt wie die Deobandis […] Sie bezweckt die Stärkung des Islam bei einfachen Leuten durch die Propagierung der Scharia durch angesehene Mittler wie die Scheichs der Sufiorden. Sie betrachtet den Propheten Mohammad als übernatürliches Wesen. Ihr populärer Pietismus, der gar nicht so weit vom Hinduismus entfernt ist, ruht auf seiner Quasivergöttlichung. Mohammed bildet die Identität der Gruppe, seine Beleidigung ist gleich eine Beleidigung der Gruppe.“[8] Die Barelwi-Glaubensauffassung über den islamischen Propheten Mohammed führt folgende Punkte auf:

  • Er ist nuri baschar: Ein Mensch (baschar), erschaffen aus Gottes Licht (nur), er bestehe nicht aus Fleisch und Blut, sondern aus Licht.[9] Deshalb wirft er selbst auch keinen Schatten.
  • Er ist hazir: An mehreren Orten zur gleichen Zeit. Wo er erscheint und in welcher Gestalt (körperlich oder geistig), entscheidet er allein. Seine Gegenwart bringt Segen (baraka). Sie ist besonders stark an seinem Grab und zu seinem Geburtstag.
  • Er ist nazir: Zeuge über alles, was in der Welt passiert.
  • Er ist ilm-e-Ghaib: Er hat Wissen über das Unbekannte, Verborgene und die Zukunft.
  • Er ist muchtaar kul: Er besitzt die Autorität, zu tun, was er will.[10]
  • Er ist habib: von Allah geliebt. Diese Liebe geht so weit, dass Allah die Welt für ihn erschuf.[11]

Aufgrund dieser Sicht auf den Mohammed als übermenschliches Wesen, als ersten und letzten Propheten, ohne dessen Vermittlung es keine Erkenntnis Allahs gibt, wird Respekt und strikter Gehorsam seiner Anweisungen gefordert.[12] Das Feiern des Mawlid an-Nabi, also des Geburtstags des Propheten, das Bauen von Mausoleen und das Erbitten von Fürsprache bei Heiligen (Auliya), Propheten und Pirs gehören zur gängigen Praktik bei der Barelwi-Bewegung.

Ahmad Riza hatte äußerst hierarchische Vorstellungen hinsichtlich der spirituellen Sphären: An oberster Stelle stand die Nähe zu Gott, an Nächster der Prophet und zuletzt der Sufimeister.[13]

Durch diese Instanzen ist dem Gläubigen ein direkter Zugang zu Gott nicht möglich, sodass sich hieraus Mohammeds Heils- und Erkenntnismittlerschaft ergibt. In der Barelwi-Bewegung werden sowohl Auslegungstradition als auch Spiritualität über Instanzen vermittelt: das äußere Wissen um die rechte Auslegung des Koran und der Hadith-Literatur geschieht durch autorisierte Lehrer (Rechtsschulengelehrte) und ihre über Generationen fortgeführte Weitergabe. Gleiches gilt für die Spiritualität, die von Mohammed, über die Pirs (spirituelle Meister im Sufismus) dem Gläubigen vermittelt wird. Mittels dieser Kette hat der Gläubige Anteil an der spirituellen Leitung der lebenden Pirs, deren Vorgängern (Mausoleen) und somit an deren Verbindung zu Mohammed selbst, der Emanation Gottes.

Politische Opposition

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Seit ihrer Gründung stehen die Barelwis in Opposition zu den Deobandi. Gelehrte Deobands erklärten die Glaubensauffassung der Barelwis über Mohammed für unzulässig, Mohammed sei von den Barelwis vergöttlicht worden, was den Tatbestand des Schirk erfülle. Das Erbitten von Fürsprache erklärten sie ebenfalls für schirk, auch das Feiern des Maulid an-Nabi sei unzulässig. Der Deobandi-Gelehrte Aschraf Ali Thanwi bezeichnete diese Praktiken und Glaubensauffassungen als schirk, Bidʿa und Kufr.

Als Reaktion wurde er in einer Fatwa des Barelwi-Führers Ahmed Riza Khan aus dem Jahre 1900, zusammen mit anderen Deobandi-Ulema zu Ungläubigen erklärt, da sie u. a. keine „Liebe für den Propheten“ empfinden, den Propheten beleidigt haben und dadurch kufr begangen haben sollen. So seien auch alle Menschen, die die Deobandis nicht zu Ungläubigen erklären (den takfir sprechen) und diese so ansehen, ebenfalls Ungläubige. In der Fatwa wird er mit Muhammad ibn Abd al-Wahhab, Ibn Tejmijja und Mirza Ghulam Ahmad verglichen.[14] Zu weiteren Gegnern der Barelwis zählen alle Strömungen der Salafisten, wie die Wahhabiten aus Saudi-Arabien, die Ahl-e-Hadith in Pakistan, der Jamaat-e-Islami und der Moslembruderschaft.

  • Usha Sanyal: Devotional Islam and Politics in British India: Ahmed Riza Khan Barelvi and His Movement, 1870–1920. Cambridge University Press/Yoda Press 2010, ISBN 978-81-906668-6-2.
  • Usha Sanyal: Ahmad Riza Khan Barelwi: in the path of the prophet. (= Makers of the Muslim World). Oneworld, Oxford 2005, ISBN 1-85168-359-3.
  • Thomas K. Gugler: Mujāhidīn of Islamic Mission: The Barelwī Tablīghī Jamāʿat Daʿwat-e Islāmī. Ph.D. Islamwissenschaft, Erfurt 2010. (Online-Auszug; PDF; 139 kB)

Einzelnachweise und Fußnoten

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  1. vgl. Jamal Malik, B. Malik: Islamic History and Civilization, Islamische Gelehrtenkultur in Nordindien. Brill Academic Pub, 1997, S. 483. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche)
  2. Ahmed Raza Khan ist der Verfasser zahlreicher Bücher über viele islamische Themen, er übersetzte 1911 den Koran ins Urdu (unter dem Titel Kanz al-īmān fī tarjamat al-Qurʾān, d-nb.info)
  3. a b suedasien.info: Populärislamismus in Pakistan
  4. Usha Sanyal: Devotional Islam and Politics in British India. Ahmad Riza Khan Barelwi and his Movement, 1870–1920. Delhi 1996, S. 166–168.
  5. Sunni Barelvi (Sufi Muslims) Struggle with Deobandi-Wahhabi Jihadists in Pakistan – by Arif Jamal (Memento vom 23. Januar 2013 im Internet Archive)
  6. Malik, Jamal: Islam in Südasien. In: Noth, Albrecht; Paul, Jürgen (Hrsg.): Der islamische Orient-Grundzüge seiner Geschichte. Ergon, Würzburg 1998, ISBN 3-932004-56-6, S. 505–543.
  7. Malik, Jamal: Islamische Gelehrtenkultur in Nordindien. Entwicklungsgeschichte und Tendenzen am Beispiel von Lucknow. Brill, Leiden 1997, ISBN 90-04-10703-7.
  8. ansary.de: Die Wahhabiten
  9. Ahmed Raza: Noor o Bashar ::Islamic Books, Books Library. Faizaneraza.org, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 22. Februar 2012; abgerufen am 24. September 2012.
  10. N. C. Asthana, A.Nirmal: Urban Terrorism : Myths And Realities. in der Google-Buchsuche Pointer Publishers, 2009, ISBN 978-81-7132-598-6, S. 67.
  11. vgl. Usha Sanyal: Devotional Islam and Politics in British India. Ahmad Riza Khan Barelwi and his Movement, 1870–1920. Delhi 1996, S. 249.
  12. vgl. Usha Sanyal: Devotional Islam and Politics in British India. Ahmad Riza Khan Barelwi and his Movement, 1870–1920. Delhi 1996, S. 265.
  13. Usha Sanyal: Ahmad Riza Khan Barelwi. In the path of the Prophet. Oxford 2005, S. 90.
  14. sufimanzil.org: Arabic Fatwa against Deobandis (Memento vom 28. August 2010 im Internet Archive)