„Casimirianum Neustadt“ – Versionsunterschied

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Version vom 5. September 2010, 13:32 Uhr

Casimirianum in Neustadt (links dahinter Turm der Marienkirche)

Das Casimirianum im pfälzischen Neustadt an der Haardt (heute Neustadt an der Weinstraße, Rheinland-Pfalz) war eine calvinistische Universität, die 1578 durch den Pfalzgrafen Johann Casimir gegründet und nach ihm benannt wurde. Das Casimirianum bestand nur fünf Jahre lang. Heute wird der Name für das restaurierte historische Gebäude verwendet.

Lage

Casimirianum (rechts von der Marienkirche)

Das Casimirianum liegt im Nordwesten des Stadtkerns von Neustadt am Speyerbach, unweit von Marktplatz, Stiftskirche und Marienkirche.

Geschichte

Universität

Nach dem Tode des calvinistischen Kurfürsten Friedrich III. (1576) setzte sein Sohn und Nachfolger Ludwig VI. in seinem Herrschaftsbereich kompromisslos das lutherische Bekenntnis durch. So wurden auch an der Universität Heidelberg alle Professoren und Studenten genötigt, die im Jahr 1577 im Kloster Berge endgültig beschlossene Konkordienformel zu unterschreiben, mit der sie dem reformierten Bekenntnis abschworen. Als Ausweichuniversität für diejenigen, welche die Unterschrift verweigerten und deswegen Heidelberg verlassen mussten, schuf der Pfalzgraf Johann Casimir, welcher – im Gegensatz zu seinem kurfürstlichen älteren Bruder Ludwig VI. – der Reformierten Kirche angehörte, das Casimirianum.

Es wurde 1578/79 durch Um- und Ausbau der Weißen Klause im vormaligen Kloster der Augustinerinnen eingerichtet und enthält Bauelemente aus Gotik und Renaissance. Der Hochschule waren zur Vorbereitung auf das Studium eine Partikularschule und ein Pädagogium (auch Gymnasium illustre genannt) vorgeschaltet. Die Universität blieb nur wenige Jahre in Neustadt; der Lehrbetrieb wurde bereits 1583/84 unter Kurfürst Friedrich IV., der noch nicht volljährig war und für den sein Onkel Johann Casimir als Administrator fungierte, zurück nach Heidelberg verlegt.

Pädagogium

Hingegen konnte sich das Pädagogium mehr als 200 Jahre in Neustadt halten. Zwar ging 1635, während des Dreißigjährigen Krieges, das Gebäude des Casimirianums bei einem Angriff schwedischer Truppen in Flammen auf und wurde schwer beschädigt, doch erst 1797/98, als französische Revolutionstruppen die Pfalz eroberten, endete auch das Pädagogium.

Während der sich anschließenden französischen Besetzung der Pfalz wurde in dem Gebäude ab 1808 eine École secondaire betrieben. Neustadt gehörte damals als annektierter Bestandteil Frankreichs zum Departement Donnersberg. Nach Napoleons Niederlage in der Schlacht bei Waterloo (1815) endete die Besetzung. 1816 begann die Zeit der bayerischen Verwaltung; die École secondaire wurde aufgelöst.

Professoren

Zacharias Ursinus, bedeutendster Theologe am Casimirianum

Für wenige Jahre war das Casimirianum die bedeutendste calvinistische Hochschule Europas, an der sich zahlreiche namhafte Gelehrte zusammenfanden.

Zacharias Ursinus – Aus ihrer Reihe ragt der Theologe Zacharias Ursinus (1534–1583), eig. Zacharias Baer, besonders heraus. Mit seinem Kollegen Caspar Olevian hatte er 1563 in Heidelberg den Heidelberger Katechismus herausgegeben, die wohl bedeutendste Bekenntnisschrift der Reformierten Kirche Deutschlands. Nach dem Tode seines Gönners Friedrich III. fand Ursinus in Neustadt am Casimirianum eine neue Lehrstätte. Er eröffnete seine Tätigkeit am 26. April 1578 mit einer Vorlesung über den Propheten Jesaja. In Neustadt erschien auch sein letztes größeres Werk, die Admonitio Christiana, eine scharfe Abrechnung mit der Konkordienformel. Ursinus verstarb im Alter von nur 49 Jahren und wurde in der Neustadter Stiftskirche beigesetzt. Hauptsächlich ihm verdankt das Casimirianum seine damalige Berühmtheit.

David Pareus – Der gleichfalls von Heidelberg ans Casimirianum gewechselte Theologe David Pareus (1548–1622), eig. David Wängler, Schüler und geistiger Erbe von Zacharias Ursinus, gab 1587/88 die Neustadter Bibel heraus. Sie basierte zwar auf der lateinischen Übersetzung Martin Luthers, war jedoch von Pareus mit reformierten Kommentaren versehen worden. Der Druck des Werkes erfolgte beim örtlichen Buchdrucker Matthäus Harnisch. Ein erhaltenes Exemplar der 3. Auflage (1594), zugleich der einzige Druck im Folio-Format, wird im Stadtmuseum Villa Böhm präsentiert. Außerdem veröffentlichte Pareus im Jahre 1600 Auslegungen (in lateinischer Sprache) des Heidelberger Katechismus. Pareus kehrte 1598 an die Universität Heidelberg zurück und übernahm dort eine Professur zunächst für Altes, dann für Neues Testament.

Jakob Christmann – Der Orientalist und konvertierte Jude Jakob Christmann (1554–1613) betrieb seine Studien in Hebräisch und Arabisch zunächst ebenfalls in Heidelberg, um dann wegen der Konkordienformel seine Lehrtätigkeit am Casimirianum in Neustadt fortzusetzen. Im Jahre 1582 widmete er dort dem Rektor und den Professoren seine arabische Grammatik Alpabetum arabicum, die offenbar als Lehrbuch für die Studenten gedacht war. 1584 konnte Christmann wieder – als Professor für Hebräisch – nach Heidelberg zurückkehren, wo ihn Kurfürst Friedrich IV. 1602 zum Rektor der Universität ernannte.

Heutige Situation

Nach seiner Restaurierung gegen Ende des 20. Jahrhunderts wird das Casimirianum heute vor allem für kulturelle Veranstaltungen genutzt.

Aus der Tradition des Casimirianums entwickelte sich im Verlauf des 19. Jahrhunderts auf der Basis einer Lateinschule das Kurfürst-Ruprecht-Gymnasium, das älteste Gymnasium der Stadt. Die anderen Gymnasien entstanden erst mehr als hundert Jahre später.

Siehe auch

Koordinaten: 49° 21′ 12,8″ N, 8° 8′ 3,5″ O