„Instrumentvariablenschätzung“ – Versionsunterschied
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Während Instrumentvariablen heutzutage vor allem in Situationen mit ausgelassenen Variablen angewandt werden, wurden sie historisch zunächst als Lösung für Probleme aufgrund von Gleichzeitigkeit benutzt. Bei der Schätzung von Angebots- und Nachfragekurven zum Beispiel ergibt sich das Problem, dass als Datenpunkte nur Gleichgewichtspreise- und mengen bereitstehen, also Mengen, bei denen Angebot und Nachfrage aufeinander abgestimmt sind.<ref> Angrist & Krueger, 2001, S. 69 </ref> Der amerikanische Ökonom Philip G. Wright veröffentlichte 1928 ein Buch unter dem Titel ''The Tariff on Animal and Vegetable Oils''. In einem der Anhänge zu diesem Buch stellte Wright eine Methode dar, mit der die Nachfrage- und Angebotselatizitäten von Butter und Leinsamenöl geschätzt werden können. Dies gilt als die erste Studie, die den Instrumentalvariablenansatz benutzte.<ref> Stock & Watson, S. 425 </ref> |
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Später wurde herausgefunden, dass Instrumentvariablen auch Verzerrungen aufgrund von Messfehlern bereinigen können. Dies gilt auch für Verzerrungen aufgrund ausgelassener Variablen (engl. ''omitted variable bias'').<ref>Angrist & Krueger, 2001, S.71f.</ref> |
Später wurde herausgefunden, dass Instrumentvariablen auch Verzerrungen aufgrund von Messfehlern bereinigen können. Dies gilt auch für Verzerrungen aufgrund ausgelassener Variablen (engl. ''omitted variable bias'').<ref>Angrist & Krueger, 2001, S.71f.</ref> |
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Eine Schätzung basierend auf Instrumentalvariablen wird als lokaler Durchschnittseffekt (local average treatment effect, LATE) interpretiert. Das liegt daran, dass lediglich der durch das Instrument erklärbare Teil der Variation in der endogenen Variable für die Schätzung genutzt werden kann. |
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Version vom 31. März 2017, 16:06 Uhr
Die Methode der Instrumentenvariablen (IV, Instrument) ist ein Oberbegriff für bestimmte Schätzverfahren in der schließenden Statistik. Sie zählt zur Familie der GMM-Schätzer (englisch: Generalized method of moments[1]), einer Verallgemeinerung der Momentenmethode, die 1982 von Lars Peter Hansen vorgeschlagen wurde.
Ziel der IV-Methode ist es, bei einer Regressionsanalyse eine Korrelation zwischen den erklärenden Variablen und dem Fehlerterm auszuschließen. Dies geschieht indem man die erklärenden Variablen durch andere Größen ersetzt, die zwar in engem Zusammenhang mit ihnen stehen, aber nicht mit dem Fehlerterm korrelieren oder eine Linearkombination anderer erklärender Variablen darstellen.
Geschichte
Während Instrumentvariablen heutzutage vor allem in Situationen mit ausgelassenen Variablen angewandt werden, wurden sie historisch zunächst als Lösung für Probleme aufgrund von Gleichzeitigkeit benutzt. Bei der Schätzung von Angebots- und Nachfragekurven zum Beispiel ergibt sich das Problem, dass als Datenpunkte nur Gleichgewichtspreise- und mengen bereitstehen, also Mengen, bei denen Angebot und Nachfrage aufeinander abgestimmt sind.[2] Der amerikanische Ökonom Philip G. Wright veröffentlichte 1928 ein Buch unter dem Titel The Tariff on Animal and Vegetable Oils. In einem der Anhänge zu diesem Buch stellte Wright eine Methode dar, mit der die Nachfrage- und Angebotselatizitäten von Butter und Leinsamenöl geschätzt werden können. Dies gilt als die erste Studie, die den Instrumentalvariablenansatz benutzte.[3]
Später wurde herausgefunden, dass Instrumentvariablen auch Verzerrungen aufgrund von Messfehlern bereinigen können. Dies gilt auch für Verzerrungen aufgrund ausgelassener Variablen (engl. omitted variable bias).[4]
Idee
In vielen Situationen, in denen kausale Effekte untersucht und quantifiziert werden sollen, besteht eine Korrelation zwischen dem Fehlerterm und der erklärenden Variable. Möchte man zum Beispiel den Effekt von Bildung () auf das Arbeitseinkommen einer Person () untersuchen, so könnte man zum Beispiel ein Modell folgender Art schätzen:
- , wobei u einen Fehlerterm darstellt.
Eine Möglichkeit zur Schätzung von wäre die Methode der kleinsten Quadrate. Diese beruht jedoch auf mehreren Annahmen, unter anderem darauf, dass der Fehlerterm und die erklärende Variable unkorreliert sind.
Dies ist jedoch im genannten Beispiel sehr unwahrscheinlich. Es lassen sich leicht viele Variablen ermitteln, die nicht im Modell auftauchen, allerdings sowohl einen Effekt auf Bildung, als auch auf das Einkommen haben. Manche dieser Variablen sind obendrein kaum oder gar nicht messbar und können deswegen auch nicht als Kontrollvariablen mit in das Modell aufgenommen werden. So ist zum Beispiel der Fleiß einer Person mit großer Wahrscheinlichkeit sowohl mit dem Bildungsgrad dieser Person, als auch mit ihrem Einkommen korreliert; da der Fleiß auch nicht messbar ist und deswegen im Fehlerterm verbleibt, wird somit eben jene Korrelation zwischen der erklärenden Variable und dem Fehlerterm bestehen, die für die Validität der Methode der Kleinsten Quadrate nicht bestehen darf. In einem solchen Fall besteht ein Problem aufgrund ausgelassener Variablen (omitted variables), und der KQ-Schätzer wird inkonsistent sein. Die Korrelation zwischen dem Fehlerterm und den erklärenden Variablen wird als Endogenität bezeichnet. Neben ausgelassenen Variablen kann dieses Problem auch entstehen, wenn die Variablen nicht genau, sondern nur mit Messfehler gemessen werden können und wenn eine beidseitige, simultane Kausalität besteht ( hat einen kausalen Effekt auf , hat einen kausalen Effekt auf ).
Weitere Ansätze zur Lösung von Endogenitätsproblemen sind Regressions-Diskontinuitäts-Analyse, Paneldaten und darauf aufbauende Schätzmethoden sowie das klassische Experiment.
Mathematischer Hintergrund
Für den Kleinste-Quadrate-Schätzer gilt (im bivariaten Regressionsmodell mit einer erklärenden Variable):
Wenn und nicht korreliert sind, geht der zweite Term bei unendlich vielen Beobachtungen gegen Null und der Schätzer ist konsistent. Wenn und korreliert sind, ist der Schätzer inkonsistent.
Eine Instrumentvariable ist mit der erklärenden Variable, aber nicht mit dem Fehlerterm korreliert. Der Schätzer lautet:
Wenn und nicht korreliert sind, verschwindet der letzte Term und führt zu einem konsistenten Schätzer. Beachte: Ist nicht mit dem Fehlerterm korreliert, ist selbst eine Instrumentenvariable. In diesem Fall ist der KQ-Schätzer mit dem IV-Schätzer identisch.
Der Ansatz oben kann leicht zu einer Regression mit mehreren erklärenden Variablen verallgemeinert werden. sei eine Matrix von erklärenden Variablen, die aus Beobachtungen von Variablen resultiert. sei eine Matrix von Instrumentvariablen. Dann folgt
Implementierung
Diese Technik wird häufig mittels two-stage least-squares (2SLS) implementiert. Im ersten Schritt des 2SLS-Ansatzes wird jede endogene erklärende Variable auf alle gültigen Instrumente sowie alle exogenen Variablen regressiert. Da die Instrumente exogen sind, wird diese Approximation der endogenen Variablen nicht mit dem Fehlerterm korrelieren. Intuitiv bedeutet dies, dass die Beziehung zwischen und den endogenen erklärenden Variablen untersucht wird. Im zweiten Schritt wird die interessierende Regression wie gewohnt geschätzt, aber alle endogenen erklärenden Variablen werden durch die Näherungswerte aus Schritt 1 ersetzt.
Der so gewonnene Schätzer ist konsistent. Damit die Standardfehler richtig berechnet werden, muss nun nur noch die Summe der quadrierten Fehlerterme korrigiert werden:
- Schritt 1:
- Schritt 2:
Bedingungen
Ein gültiges Instrument muss folgende zwei Bedingungen erfüllen.
Relevanzbedingung
Ein Problem tritt auf, wenn die Instrumente nur schwach mit der/den endogenen Variable(n) korreliert sind (weak instrument). Überprüft wird diese Annahme üblicherweise durch einen F-Test in der ersten Stufe der 2SLS-Regression. Die abzulehnde Nullhypothese für diesen Test ist, dass die Instrumente gemeinsam keinen von null unterscheidbaren Einfluss auf die endogene Variable besitzen. Als Faustregel gilt, dass die resultierende F-Statistik größer als 10 sein sollte.[5]
Exogenität
Ein gültiges Instrument ist außer über die endogene Variable nicht mit der zu erklärenden Variable korreliert. Schwierig ist hierbei, dass diese Annahme nicht auf Basis der vorhandenen Daten statistisch getestet werden kann sondern argumentativ begründet werden muss. Lediglich wenn ein gültiges Instrument bereits existiert lässt sich die Exogenität eines weiteren Instruments mit Hilfe des Sargan-Hansen Tests überprüfen.
Darüber hinaus sind Schätzer auf Basis von gültigen Instrumentvariablen zwar konsistent, aber in der Regel nicht unverzerrt, sodass größere Stichproben benötigt werden.[6]
Interpretation
Eine Schätzung basierend auf Instrumentalvariablen wird als lokaler Durchschnittseffekt (local average treatment effect, LATE) interpretiert. Das liegt daran, dass lediglich der durch das Instrument erklärbare Teil der Variation in der endogenen Variable für die Schätzung genutzt werden kann.
Literatur
Lehrbücher und Übersichtsartikel
- Ahn, Seung C.; Schmidt, Peter: Efficient estimation of models for dynamic panel data. in: Journal of Econometrics, Vol. 68, Iss. 1, 1995, Seite 5-27.
- Angrist, Joshua D./Pischke, Jörn-Steffen: Mostly Harmless Econometrics:An Empiricist's Companion, Princeton University Press, 2008
- Angrist, Joshua D./Krueger, Alan B.: „Instrumental Variables and the Search for Identification: From Supply and Demand to Natural Experiments“, Journal of Economic Perspectives, Volume 15, Number 4, Herbst 2001, S.69–85
- Eckey, Hans-Friedrich/Kosfeld, Reinhold/Dreger, Christian: Ökonometrie. 3., überarb. und erw. Aufl., Wiesbaden: Gabler, 2004.
- Greene, William H.: Econometric Analysis. 5. Aufl., Upper Saddle River, NJ: Prentice Hall, 2003.
- Stock, James H./Watson, Mark W.:Introduction to Econometrics. 2.Auflage, Pearson Education, 2007
- Verbeek, Marno (2012): A Guide to Modern Econometrics: 4. Aufl., Chichester: John Wiley & Sons, 2012.
- Wooldridge, Jeffrey M. (2002): Econometric Analysis of Cross Section and Panel Data, Cambridge, Mass. [u.a.] : MIT Press, 2002.
Beispiele für Studien auf Basis von Instrumentvariablen
- Acemoglu, Daron/Johnson, Simon/Robinson, James A.: „The Colonial Origins of Comparative Development: An Empirical Investigation“, American Economic Review, December 2001, S. 1369–1401
- Angrist, Joshua D./Krueger, Alan B.: „Does Compulsory School Attendance Affect Schooling and Earnings?“, Quarterly Journal of Economics, 1991, Vol. 106, S. 979–1014
- Levitt, Steven D.: „The Effect of Prison Population Size on Crime Rates: Evidence from Prison Overcrowding Litigation“ Quarterly Journal of Economics, 1996, Vol. 111, No. 2, S.319–51.
Anmerkungen
- ↑ Generalized method of moments in der englischen Wikipedia
- ↑ Angrist & Krueger, 2001, S. 69
- ↑ Stock & Watson, S. 425
- ↑ Angrist & Krueger, 2001, S.71f.
- ↑ Douglas Staiger & James H. Stock, 1997. "Instrumental Variables Regression with Weak Instruments," Econometrica, Econometric Society, vol. 65(3), pages 557-586, May.
- ↑ Angrist & Krueger, 2001, S.71