„Knabenlese“ – Versionsunterschied
[ungesichtete Version] | [ungesichtete Version] |
Revert eines wütenden IP-POV |
Keine Bearbeitungszusammenfassung |
||
Zeile 1: | Zeile 1: | ||
Als '''Knabenlese''' oder auch ''Devschirme'' ([[türkische Sprache|türkisch]] ''devşirme'' - ''sammeln'', [[griechische Sprache|griechisch]] ''παιδομάζεμα'', [[bulgarische Sprache|bulgarisch]] ''кръвен данък'', [[Serbische Sprache|serbisch]] ''krvni danak - der Blutzoll'') bezeichnet man die vom [[Osmanisches Reich|Osmanischen Reich]] praktizierte Zwangsrekrutierung, bei welcher es in den christlichen Provinzen vorwiegend männliche Jugendliche aus ihren christlichen Familien entfernte, um sie für seine eigenen Dienste einzusetzen - |
Als '''Knabenlese''' oder auch ''Devschirme'' ([[türkische Sprache|türkisch]] ''devşirme'' - ''sammeln'', [[griechische Sprache|griechisch]] ''παιδομάζεμα'', [[bulgarische Sprache|bulgarisch]] ''кръвен данък'', [[Serbische Sprache|serbisch]] ''krvni danak - der Blutzoll'') bezeichnet man die vom [[Osmanisches Reich|Osmanischen Reich]] praktizierte Zwangsrekrutierung, bei welcher es in den christlichen Provinzen vorwiegend männliche Jugendliche aus ihren christlichen Familien entfernte, um sie für seine eigenen Dienste einzusetzen. "Annahmen, wonach - dem pencik-System folgend - jeweils jeder fünfte Knabe genommen worden wäre, entbehren jeglicher Grundlage. Vielmehr wurde die Knabenlese in quantitativer Hinsicht je nach Bedarf ausgeführt" (Matuz, S. 56, Fn. 11). Sie wurden dann, nachdem sie in Bauernfamilien die [[osmanische Sprache]] gelernt hatten, nach den Regeln des [[Islam]] erzogen und in der Armee ([[Janitscharen]]) oder in der Verwaltung eingesetzt. Wegen ihrer Herkunft - sie hatten anders als z.B. die Gruppe der [[Sipahi]]s keine vom Sultan abweichenden Loyalitäten - konnten manche von ihnen dort Karriere machen und stiegen teilweise sogar in die höchsten Ämter des Staates auf. |
||
Die Knabenlese wurde hauptsächlich auf dem [[Balkan]], anfangs ausschließlich bei [[Serben]], im [[14. Jahrhundert|14.]] - [[17. Jahrhundert]] durchgeführt (die letzte devşirme fand 1703 statt) und führte zu schweren Konflikten, weil es ein Zwangsmittel war und damit dem betreffenden Gebiet ein Teil seiner potentiellen Elite entzogen wurde. Die Knabenlese wurde später allerdings auch für islamische Familien interessant, weil sie für Jungen aus den unteren Schichten oft die einzige Aufstiegsmöglichkeit war. |
Die Knabenlese wurde hauptsächlich auf dem [[Balkan]], anfangs ausschließlich bei [[Serben]], im [[14. Jahrhundert|14.]] - [[17. Jahrhundert]] durchgeführt (die letzte devşirme fand 1703 statt) und führte zu schweren Konflikten, weil es ein Zwangsmittel war und damit dem betreffenden Gebiet ein Teil seiner potentiellen Elite entzogen wurde. Die Knabenlese wurde später allerdings auch für islamische Familien interessant, weil sie für Jungen aus den unteren Schichten oft die einzige Aufstiegsmöglichkeit war. |
||
Zeile 7: | Zeile 7: | ||
==Literatur== |
==Literatur== |
||
*Basilike D. Papoulia: ''Ursprung und Wesen der 'Knabenlese' im osmanischen Reich''. München 1963. |
*Basilike D. Papoulia: ''Ursprung und Wesen der 'Knabenlese' im osmanischen Reich''. München 1963. |
||
*Josef Matuz: ''Das osmanische Reich - Grundlinien seiner Geschichte.'' Darmstadt 1985. ISBN 3-534-05845-3. |
|||
== Weblinks == |
== Weblinks == |
Version vom 17. September 2006, 17:45 Uhr
Als Knabenlese oder auch Devschirme (türkisch devşirme - sammeln, griechisch παιδομάζεμα, bulgarisch кръвен данък, serbisch krvni danak - der Blutzoll) bezeichnet man die vom Osmanischen Reich praktizierte Zwangsrekrutierung, bei welcher es in den christlichen Provinzen vorwiegend männliche Jugendliche aus ihren christlichen Familien entfernte, um sie für seine eigenen Dienste einzusetzen. "Annahmen, wonach - dem pencik-System folgend - jeweils jeder fünfte Knabe genommen worden wäre, entbehren jeglicher Grundlage. Vielmehr wurde die Knabenlese in quantitativer Hinsicht je nach Bedarf ausgeführt" (Matuz, S. 56, Fn. 11). Sie wurden dann, nachdem sie in Bauernfamilien die osmanische Sprache gelernt hatten, nach den Regeln des Islam erzogen und in der Armee (Janitscharen) oder in der Verwaltung eingesetzt. Wegen ihrer Herkunft - sie hatten anders als z.B. die Gruppe der Sipahis keine vom Sultan abweichenden Loyalitäten - konnten manche von ihnen dort Karriere machen und stiegen teilweise sogar in die höchsten Ämter des Staates auf.
Die Knabenlese wurde hauptsächlich auf dem Balkan, anfangs ausschließlich bei Serben, im 14. - 17. Jahrhundert durchgeführt (die letzte devşirme fand 1703 statt) und führte zu schweren Konflikten, weil es ein Zwangsmittel war und damit dem betreffenden Gebiet ein Teil seiner potentiellen Elite entzogen wurde. Die Knabenlese wurde später allerdings auch für islamische Familien interessant, weil sie für Jungen aus den unteren Schichten oft die einzige Aufstiegsmöglichkeit war.
Gleichzeitig diente die Knabenlese den osmanischen Herrschern als eine Art islamischer Zwangsmissionierung in den europäischen Provinzen. Die Knabenlese wurde unter den christlichen balkanischen Völkern auch als "Türken-Blutzoll" (türkisch: Adschami-Oglan) bezeichnet. Eine Rolle spielte dabei auch, dass ihre Kinder oft eine Rolle als Lustknaben osmanischer Befehlshaber vor sich hatten.
Literatur
- Basilike D. Papoulia: Ursprung und Wesen der 'Knabenlese' im osmanischen Reich. München 1963.
- Josef Matuz: Das osmanische Reich - Grundlinien seiner Geschichte. Darmstadt 1985. ISBN 3-534-05845-3.