„Arbeiterkolonie Lühlerheim“ – Versionsunterschied

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In der [[Rheinprovinz]] ging die Initiative zu einer ähnlichen Einrichtung von dem evangelischen Düsseldorfer Gefängnispfarrer Hermann Stursberg aus, einem Aktivisten der 1826 von [[Theodor Fliedner]] gegründeten „Rheinisch-Westfälischen Gefängnis-Gesellschaft“. Bereits am 7. Juli 1881 hatte er vor der 53. Generalversammlung dieser Gesellschaft einen wegweisenden Vortrag über die „Vagabundenfrage“ gehalten. Darin hatte er insbesondere ausführlich dargestellt, dass das Justiz- und Gefängnissystem mit dem Problem überfordert sei und ein Arrest von Vagabunden keine Lösung biete, sondern eine „organisierte Naturalverpflegung gegen Arbeitsleistung“ angeboten werden müsse.<ref>Hermann Stursberg: ''Die Vagabundenfrage.'' L. Voß & Co., Düsseldorf 1882 ([https://gdz.sub.uni-goettingen.de/id/PPN503320617?origin=%2Fcollection%2Fdigiwunschbuch%3Ffilter%255B0%255D%255Bfacet_place_publish%255D%3DD%25C3%25BCsseldorf%26filter%255B1%255D%255Bfacet_publisher%255D%3DVo%25C3%259F&collection=digiwunschbuch&tify=%7B%22pages%22%3A%5B3%5D%2C%22view%22%3A%22info%22%7D Digitalisat]), S. 64 ([https://gdz.sub.uni-goettingen.de/id/PPN503320617?origin=%2Fcollection%2Fdigiwunschbuch%3Ffilter%255B0%255D%255Bfacet_place_publish%255D%3DD%25C3%25BCsseldorf%26filter%255B1%255D%255Bfacet_publisher%255D%3DVo%25C3%259F&collection=digiwunschbuch&tify=%7B%22pages%22%3A%5B66%5D%2C%22view%22%3A%22info%22%7D Digitalisat])</ref> 1883 konstituierte sich in Düsseldorf ein „Rheinischer Verein wider die Vagabundennoth“, der es sich zu Aufgabe machte, mittels Mitgliederbeiträgen zwei Arbeiterkolonien, eine katholische und eine evangelische, zu gründen. Anfang 1884 richtete der Verein einen konfessionsübergreifenden Spendenaufruf an die Bewohner der Rheinprovinz, der zusätzliche Mittel erbrachte. Außerdem warb er beim Provinziallandtag der Rheinprovinz ein zinsfreies Darlehen über 100.000 Mark ein. Für die evangelische Arbeiterkolonie fand Stursberg nach einigem Suchen in der Lühlerheide einen gut 110 Hektar großen Standort für rund 100 Kolonisten, der im April 1884 offiziell besichtigt und als geeignet befunden wurde. Am 15. Februar bzw. 21. Mai 1886 konnte die Arbeiterkolonie eröffnet werden. 1888 war sie auf 120 Kolonisten eingerichtet. Nach Jahresberichten hatten im Zeitraum von Februar 1886 bis März 1887 eine Gesamtzahl von 520 Kolonisten die Einrichtung aufgesucht. Aus den in dieser Zeit angefallenen Betriebskosten von 34.778 Mark errechneten Statistiker einen Tagesbedarf von 76 Pfennig je Kolonist. Mit der Gründung einer „Stiftung Rheinische Evangelische Arbeiterkolonie Lühlerheim“ und mithin der Erlangung von Korporationsrechten fand die Gründungsphase ihren Abschluss.
In der [[Rheinprovinz]] ging die Initiative zu einer ähnlichen Einrichtung von dem evangelischen Düsseldorfer Gefängnispfarrer Hermann Stursberg aus, einem Aktivisten der 1826 von [[Theodor Fliedner]] gegründeten „Rheinisch-Westfälischen Gefängnis-Gesellschaft“. Bereits am 7. Juli 1881 hatte er vor der 53. Generalversammlung dieser Gesellschaft einen wegweisenden Vortrag über die „Vagabundenfrage“ gehalten. Darin hatte er insbesondere ausführlich dargestellt, dass das Justiz- und Gefängnissystem mit dem Problem überfordert sei und ein Arrest von Vagabunden keine Lösung biete, sondern eine „organisierte Naturalverpflegung gegen Arbeitsleistung“ angeboten werden müsse.<ref>Hermann Stursberg: ''Die Vagabundenfrage.'' L. Voß & Co., Düsseldorf 1882 ([https://gdz.sub.uni-goettingen.de/id/PPN503320617?origin=%2Fcollection%2Fdigiwunschbuch%3Ffilter%255B0%255D%255Bfacet_place_publish%255D%3DD%25C3%25BCsseldorf%26filter%255B1%255D%255Bfacet_publisher%255D%3DVo%25C3%259F&collection=digiwunschbuch&tify=%7B%22pages%22%3A%5B3%5D%2C%22view%22%3A%22info%22%7D Digitalisat]), S. 64 ([https://gdz.sub.uni-goettingen.de/id/PPN503320617?origin=%2Fcollection%2Fdigiwunschbuch%3Ffilter%255B0%255D%255Bfacet_place_publish%255D%3DD%25C3%25BCsseldorf%26filter%255B1%255D%255Bfacet_publisher%255D%3DVo%25C3%259F&collection=digiwunschbuch&tify=%7B%22pages%22%3A%5B66%5D%2C%22view%22%3A%22info%22%7D Digitalisat])</ref> 1883 konstituierte sich in Düsseldorf ein „Rheinischer Verein wider die Vagabundennoth“, der es sich zu Aufgabe machte, mittels Mitgliederbeiträgen zwei Arbeiterkolonien, eine katholische und eine evangelische, zu gründen. Anfang 1884 richtete der Verein einen konfessionsübergreifenden Spendenaufruf an die Bewohner der Rheinprovinz, der zusätzliche Mittel erbrachte. Außerdem warb er beim Provinziallandtag der Rheinprovinz ein zinsfreies Darlehen über 100.000 Mark ein. Für die evangelische Arbeiterkolonie fand Stursberg nach einigem Suchen in der Lühlerheide einen gut 110 Hektar großen Standort für rund 100 Kolonisten, der im April 1884 offiziell besichtigt und als geeignet befunden wurde. Am 15. Februar bzw. 21. Mai 1886 konnte die Arbeiterkolonie eröffnet werden. 1888 war sie auf 120 Kolonisten eingerichtet. Nach Jahresberichten hatten im Zeitraum von Februar 1886 bis März 1887 eine Gesamtzahl von 520 Kolonisten die Einrichtung aufgesucht. Aus den in dieser Zeit angefallenen Betriebskosten von 34.778 Mark errechneten Statistiker einen Tagesbedarf von 76 Pfennig je Kolonist. Mit der Gründung einer „Stiftung Rheinische Evangelische Arbeiterkolonie Lühlerheim“ und mithin der Erlangung von Korporationsrechten fand die Gründungsphase 1890 ihren Abschluss.


Besondere Verdienste um die Einwerbung zusätzlicher Mittel für die Einrichtung erwarb sich in den 1900er Jahren der Düsseldorfer Regierungsrat [[Hermann von Wätjen]], seinerzeit Vorsitzender des Kuratoriums der Lühlerheims, der in dieser Zeit Spendensammlungen organisierte<ref>''Amtsblatt für den Regierungsbezirk Düsseldorf.'' Jahrgang 1907, S. 231 ([https://digital.ub.uni-duesseldorf.de/ihd/periodical/pageview/7117943 Digitalisat])</ref> und aus eigenen Mitteln eine Stiftung zugunsten der Arbeiterkolonie schuf.
Besondere Verdienste um die Einwerbung zusätzlicher Mittel für die Einrichtung erwarb sich in den 1900er Jahren der Düsseldorfer Regierungsrat [[Hermann von Wätjen]], seinerzeit Vorsitzender des Kuratoriums der Lühlerheims, der in dieser Zeit Spendensammlungen organisierte<ref>''Amtsblatt für den Regierungsbezirk Düsseldorf.'' Jahrgang 1907, S. 231 ([https://digital.ub.uni-duesseldorf.de/ihd/periodical/pageview/7117943 Digitalisat])</ref> und aus eigenen Mitteln eine Stiftung zugunsten der Arbeiterkolonie schuf.

Version vom 12. Oktober 2022, 13:42 Uhr

Die Arbeiterkolonie Lühlerheim ist heute eine Sozialeinrichtung der freien, gemeinnützigen Evangelischen Stiftung Lühlerheim für Senioren sowie für „Menschen mit besonderen sozialen Schwierigkeiten“. 1886 wurde sie als Arbeiterkolonie des „Rheinischen Vereins wider die Vagabundennoth“ in der Lühlerheide eröffnet, einer Heidelandschaft in Weselerwald, heute ein Ortsteil von Hünxe. Als kirchliche Stiftung privaten Rechts unterliegt sie der Aufsicht des Landeskirchenamts der Evangelischen Kirche im Rheinland in Düsseldorf.

Geschichte

Am Ende der 1870er und zu Beginn der 1880er Jahre hatten im Deutschen Kaiserreich als Folge der Bevölkerungsentwicklung und der Gründerkrise die „Vagabundennoth“ und die mit ihr verbundene „Wanderbettelei“ und Obdachlosigkeit ein kritisches Ausmaß des Prekariats und einen als besonders kritisch empfundenen Aspekt der Sozialen Frage geschaffen. Dies rief Kräfte der Inneren Mission um Friedrich von Bodelschwingh auf den Plan, als Fürsorge eine Einrichtung im Sinne einer Wanderarbeitsstätte, einer „Herberge zur Heimath“, eines Arbeitshauses, einer Resozialisierungsanstalt und eines „Arbeitsnachweises“ zu schaffen. In Form der Arbeiterkolonie Wilhelmsdorf errichteten sie 1882 in Sende bei Verl in der Provinz Westfalen eine diesbezüglich als musterhaft angesehene Anlage.

Haus der Arbeiterkolonie
Inneneinrichtung

In der Rheinprovinz ging die Initiative zu einer ähnlichen Einrichtung von dem evangelischen Düsseldorfer Gefängnispfarrer Hermann Stursberg aus, einem Aktivisten der 1826 von Theodor Fliedner gegründeten „Rheinisch-Westfälischen Gefängnis-Gesellschaft“. Bereits am 7. Juli 1881 hatte er vor der 53. Generalversammlung dieser Gesellschaft einen wegweisenden Vortrag über die „Vagabundenfrage“ gehalten. Darin hatte er insbesondere ausführlich dargestellt, dass das Justiz- und Gefängnissystem mit dem Problem überfordert sei und ein Arrest von Vagabunden keine Lösung biete, sondern eine „organisierte Naturalverpflegung gegen Arbeitsleistung“ angeboten werden müsse.[1] 1883 konstituierte sich in Düsseldorf ein „Rheinischer Verein wider die Vagabundennoth“, der es sich zu Aufgabe machte, mittels Mitgliederbeiträgen zwei Arbeiterkolonien, eine katholische und eine evangelische, zu gründen. Anfang 1884 richtete der Verein einen konfessionsübergreifenden Spendenaufruf an die Bewohner der Rheinprovinz, der zusätzliche Mittel erbrachte. Außerdem warb er beim Provinziallandtag der Rheinprovinz ein zinsfreies Darlehen über 100.000 Mark ein. Für die evangelische Arbeiterkolonie fand Stursberg nach einigem Suchen in der Lühlerheide einen gut 110 Hektar großen Standort für rund 100 Kolonisten, der im April 1884 offiziell besichtigt und als geeignet befunden wurde. Am 15. Februar bzw. 21. Mai 1886 konnte die Arbeiterkolonie eröffnet werden. 1888 war sie auf 120 Kolonisten eingerichtet. Nach Jahresberichten hatten im Zeitraum von Februar 1886 bis März 1887 eine Gesamtzahl von 520 Kolonisten die Einrichtung aufgesucht. Aus den in dieser Zeit angefallenen Betriebskosten von 34.778 Mark errechneten Statistiker einen Tagesbedarf von 76 Pfennig je Kolonist. Mit der Gründung einer „Stiftung Rheinische Evangelische Arbeiterkolonie Lühlerheim“ und mithin der Erlangung von Korporationsrechten fand die Gründungsphase 1890 ihren Abschluss.

Besondere Verdienste um die Einwerbung zusätzlicher Mittel für die Einrichtung erwarb sich in den 1900er Jahren der Düsseldorfer Regierungsrat Hermann von Wätjen, seinerzeit Vorsitzender des Kuratoriums der Lühlerheims, der in dieser Zeit Spendensammlungen organisierte[2] und aus eigenen Mitteln eine Stiftung zugunsten der Arbeiterkolonie schuf.

Literatur

  • Beate Althammer: ‚Wider die Vagabundennoth‘: Protestanten, Katholiken und der Aufbau der deutschen Wandererfürsorge im späten 19. Jahrhundert. In: Michaela Mauer, Bernhard Schneider (Hrsg.): Konfessionen in den west- und mitteleuropäischen Sozialsystemen im langen 19. Jahrhundert. Ein „edler Wettkampf der Barmherzigkeit?“ (= Religion – Kultur – Gesellschaft. Studien zur Kultur- und Sozialgeschichte des Christentums in Neuzeit und Moderne, Band 1). LIT Verlag, Berlin 2013, ISBN 978-3-643-12003-8, S. 163 ff.
  • Evangel. Kolonie Lühlerheim. In: G. Berthold: Statistik der deutschen Arbeiter-Kolonien für 1887/89. Mit Rückblicken auf die Bedeutung derselben seit 1882. M. Priber, Berlin 1891, S. 40 f. (Google Books).

Einzelnachweise

  1. Hermann Stursberg: Die Vagabundenfrage. L. Voß & Co., Düsseldorf 1882 (Digitalisat), S. 64 (Digitalisat)
  2. Amtsblatt für den Regierungsbezirk Düsseldorf. Jahrgang 1907, S. 231 (Digitalisat)

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