„Der Sandrechner“ – Versionsunterschied
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Version vom 15. Oktober 2024, 13:41 Uhr
Der Sandrechner (griech. Ψαμμίτης}}, Psammites) ist ein Werk von Archimedes, einem altgriechischen Mathematiker des 3. Jahrhundert v. Chr., in dem er eine Obergrenze für die Anzahl der Sandkörner, die in das Universum passen, bestimmte. Dazu schätzte Archimedes die Größe des Universums nach dem heliozentrischen Weltbild und entwickelte eine Methode, extrem große Zahlen darzustellen.[1]
Das Werk, in der lateinischen Übersetzung als Arenarius[2] (lat. „zum Sand gehörig“) bekannt, ist etwa acht Seiten lang und an den syrakusischen König Gelon II., Sohn des Hieron II, gerichtet. Es gilt als das am besten zugängliche Werk von Archimedes.[3]
Darstellung von großen Zahlen
Archimedes entwarf ein Zahlenschema basierend auf einer Exponentialdarstellung mit der Zahlenbasis 108.
Zunächst erfand Archimedes ein System zur Benennung großer Zahlen. Das damalige (griechische) Zahlensystem konnte Zahlen bis zu einer Myriade (μυριάς - 10.000) ausdrücken. Wenn man das Wort Myriade selbst verwendet, kann man dies sofort auf die Benennung aller Zahlen bis zu einer Myriade Myriaden (108) ausweiten.[4]
Archimedes bezeichnete die Zahlen bis 108 als „erste Ordnung“ und 108 selbst als „Einheit der zweiten Ordnung“. Vielfache dieser Einheit ergaben dann die zweite Ordnung bis hin zum myriaden-myriaden-fachen dieser Einheit, also bis 108·108=1016, welches dann die „Einheit der dritten Ordnung“ ergab. Archimedes fuhr auf diese Weise fort, myriaden-myriaden-fache Einheiten als n-te Ordnung 108 zu bezeichnen, d. h. (108)^(108).
Nachdem er dies getan hatte, nannte Archimedes die von ihm definierten Ordnungen die „Ordnungen der ersten Periode“ und die letzte, , die „Einheit der zweiten Periode“. Dann konstruierte er die Ordnungen der zweiten Periode, indem er Vielfache dieser Einheit nahm, und zwar auf die gleiche Weise, wie er die Ordnungen der ersten Periode konstruierte. Auf diese Weise gelangte er schließlich zu den Ordnungen der Myriaden-Myriaden-Periode. Die größte von Archimedes genannte Zahl war die letzte Zahl dieser Periode, nämlich
- .
Eine andere Art, diese Zahl zu beschreiben, ist eine Eins gefolgt von achtzig Billiarden (80·1015) Nullen.
Archimedes' System erinnert an ein Stellenwertsystem mit der Basis 108, was bemerkenswert ist, da die Griechen in der Antike ein sehr einfaches einfaches Zahlensystem anwandten, das 27 verschiedene Buchstaben des Alphabets für die Einheiten 1 bis 9, die Zehner 10 bis 90 und die Hunderter 100 bis 900 verwendete.
Gesetz der Exponentialdarstellung
Archimedes entdeckte und bewies das Potenzierungsgesetz , das für den Umgang mit Potenzen von 10 notwendig ist.
Abschätzung der Größe des Universums
Archimedes schätzte dann eine Obergrenze für die Anzahl der Sandkörner, die erforderlich sind, um das Universum zu füllen. Dazu verwendete er das heliozentrische Weltbild von Aristarchos von Samos. Das Originalwerk von Aristarchos ist verloren gegangen. Diese Arbeit von Archimedes ist jedoch eine der wenigen erhaltenen Hinweise auf seine Theorie,[5] in dem die Sonne unbewegt ist und die Erde die Sonne umkreist. In Archimedes' eigenen Worten:
„Seine [Aristarchos'] Hypothesen sind, dass die Fixsterne und die Sonne unbewegt bleiben [und] dass die Erde sich um die Sonne auf dem Umfang eines Kreises dreht, wobei die Sonne in der Mitte der Bahn liegt, und dass die Sphäre der Fixsterne, die sich um denselben Mittelpunkt wie die Sonne befindet, so groß ist, dass der Kreis, in dem sich die Erde seiner Meinung nach dreht, in einem solchen Verhältnis zur Entfernung der Fixsterne steht, wie der Mittelpunkt der Sphäre zu ihrer Oberfläche steht.[6]“
Der Grund für die Größe dieses Modells liegt darin, dass die Griechen nicht in der Lage waren, die Sternparallaxe zu beobachten, was bedeutet, dass jede Parallaxe extrem klein ist und die Sterne daher in großer Entfernung von der Erde platziert sein müssen (unter der Annahme, dass der Heliozentrismus wahr ist).
Laut Archimedes gab Aristarchus nicht an, wie weit die Sterne von der Erde entfernt waren. Archimedes musste daher die folgenden Annahmen treffen:
- Das Universum ist kugelförmig
- Das Verhältnis zwischen dem Durchmesser des Universums und dem Durchmesser der Erdumlaufbahn um die Sonne entspricht dem Verhältnis zwischen dem Durchmesser der Erdumlaufbahn um die Sonne und dem Durchmesser der Erde.
Diese Annahme lässt sich auch so ausdrücken, dass die durch die Bewegung der Erde um ihre jährliche Umlaufbahn verursachte Sternparallaxe gleich der durch die Bewegung um die Erde verursachten Sonnenparallaxe ist. In ein Verhältnis gesetzt:
Um eine obere Schranke zu erhalten, machte Archimedes folgende Annahmen über ihre Abmessungen:
- dass der Umfang der Erde nicht größer war als 300 Myriaden griechische „stadia“ (ca. 55.000 km) beträgt,[7],
- dass der Mond nicht größer als die Erde und die Sonne nicht mehr als dreißigmal größer als der Mond war,
- dass der Winkeldurchmesser der Sonne, von der Erde aus betrachtet, größer als 1/200 eines rechten Winkels (π/400 Radiant = 0,45° Grad) ist.[8]
Archimedes schätzte damit den Durchmesser des Universums auf weniger als 1014 griechischen „stadia“ bzw. ca. zwei Lichtjahre (1.89e13 km), in das nicht mehr als 1063 Sandkörner hineinpassen würden.
Berechnung der Anzahl der Sandkörner im Universum von Aristarchos
Archimedes schätzte, dass 40 Mohnkörner nebeneinander gelegt ungefähr einem griechischen Daktylus (Fingerbreite) von ungefähr 19 mm Länge entsprechen. Da sich das Volumen als Kubus einer linearen Dimension ergibt („Denn es ist bewiesen, dass Kugeln das dreifache Verhältnis ihrer Durchmesser zueinander haben“), würde eine Kugel mit einem Daktylus-Durchmesser (nach unserem heutigen Zahlensystem) 403 bzw. 64.000 Mohnsamen enthalten.
Er behauptete dann (ohne Beweis), dass jeder Mohnsamen eine Myriade (10.000) Sandkörner enthalten könne. Durch Multiplikation der beiden Zahlen berechnete 640.000.000 als die Anzahl der Sandkörner in einer Kugel mit einem Daktylus-Durchmesser.
Um weitere Berechnungen zu erleichtern, rundete er 640 Millionen auf eine Milliarde auf, wobei er lediglich feststellte, dass die erste Zahl kleiner ist als die zweite und dass daher die anschließend berechnete Anzahl der Sandkörner ihre tatsächliche Anzahl übersteigen wird. Erinnern wir uns daran, dass Archimedes' Ziel mit diesem Werk darin bestand, zu zeigen, wie man mit Zahlen rechnet, die zuvor als unmöglich groß galten, und nicht einfach nur die Anzahl der Sandkörner genau zu berechnen, die in das Universum passen würden.
Ein griechisches Stadion hatte eine Länge von 600 griechischen Fuß, und jeder Fuß war 16 Daktyli lang, also gab es 9.600 Daktyli in einem Stadion. Archimedes rundete diese Zahl auf 10.000 (eine Myriade) auf, um die Berechnungen zu vereinfachen, wobei er wiederum darauf hinwies, dass die sich ergebende Zahl die tatsächliche Anzahl der Sandkörner übersteigt.
Die Kubikzahl von 10.000 ist eine Billion (1012). Die Multiplikation von einer Milliarde (die Anzahl der Sandkörner in einer Daktylus-Kugel) mit einer Billion (Anzahl der Daktylus-Kugeln in einer Stadion-Kugel) ergibt 1021, die Anzahl der Sandkörner in einer Stadion-Kugel.
Archimedes hatte abgeschätzt, dass der Durchmesser des Aristarchischen Universums 1014 Stadien, so dass entsprechend (1014)3 Stadion-Kugeln bzw. 1042 in das Weltall passten. Die Multiplikation von 1021 mit 1042 ergibt 1063, die Anzahl der Sandkörner im Aristarchischen Universum.[9]
Geht man von Archimedes' Schätzung aus, dass in einem Mohnsamen eine Myriade (10.000) Sandkörner enthalten sind, in einer Daktyluskugel 64.000 Mohnsamen, die Länge eines Stadions 10.000 Daktylen und die Breite eines Daktylus 19 mm beträgt, so ergibt der Durchmesser des typischen Sandkorns von Archimedes 18,3 μm, was nach heutiger Definition als Mittelschluff bezeichnet wird. Sand im engeren Sinn hat einen Durchmesser von mindestens 50 μm.[10]
Weitere Berechnungen
Archimedes führte auf seinem Weg einige interessante Experimente und Berechnungen durch. Ein Experiment bestand darin, die Winkelgröße der Sonne von der Erde aus gesehen zu schätzen. Archimedes' Methode ist besonders interessant, da sie die begrenzte Größe der Pupille des Auges mit einbezieht,[11] und ist daher möglicherweise das erste bekannte Beispiel für Experimente in der Psychophysik, dem Zweig der Psychologie, der sich mit der Mechanik der menschlichen Wahrnehmung befasst und dessen Entwicklung allgemein Hermann von Helmholtz zugeschrieben wird.
Eine weitere interessante Berechnung berücksichtigt die Sonnenparallaxe und die unterschiedlichen Entfernungen zwischen dem Betrachter und der Sonne, je nachdem, ob man sie vom Erdmittelpunkt oder von der Erdoberfläche aus bei Sonnenaufgang betrachtet. Dies ist möglicherweise die erste bekannte Berechnung, die sich mit der Sonnenparallaxe befasst.[3]
Zitat
„Es gibt einige, König Gelon, die meinen, die Sandzahl sei unendlich groß; und ich meine mit dem Sand nicht nur das, was es um Syrakus und das übrige Sizilien gibt, sondern auch das, was sich in allen Gegenden findet, ob bewohnt oder unbewohnt. Wiederum gibt es einige, die ihn zwar nicht für unendlich halten, aber doch meinen, es sei keine Zahl genannt worden, die groß genug sei, um seine Größe zu übertreffen. Und es ist klar, dass diejenigen, die diese Ansicht vertreten, wenn sie sich eine Masse aus Sand vorstellen würden, die in anderer Hinsicht so groß ist wie die Masse der Erde, und die alle Meere und die Hohlräume der Erde einschließt, die bis zu einer Höhe gleich der des höchsten Gebirges gefüllt sind, noch um ein Vielfaches weiter davon entfernt wären anzuerkennen, dass irgendeine Zahl genannt werden könnte, die die Menge des so genommenen Sandes übersteigt.
Aber ich werde versuchen, Ihnen durch geometrische Beweise zu zeigen, die Sie nachvollziehen können, dass von den Zahlen, die ich genannt habe und die in dem Werk, das ich Zeuxippus geschickt habe, angegeben sind, einige nicht nur die Zahl der Masse des Sandes übersteigen, die der Größe der Erde entspricht, die auf die beschriebene Weise gefüllt wurde, sondern auch die der Masse, die der Größe des Universums entspricht.[12]“
Literatur
- Gillian Bradshaw: The Sand-Reckoner: A Novel of Archimedes. Forge Books, 2010, ISBN 978-0-312-87340-0 (englisch, 352 S.). . Historischer Roman über das Leben und das Werk von Archimedes.
Weblinks
- Original Greek text
- The Sand Reckoner (annotated)
- The Sand Reckoner (Arenario) Italian annotated translation, with notes about Archimedes and Greek mathematical notation and unit of measure. Source file of the Arenarius Greek text (for LaTeX).
- Archimedes, The Sand Reckoner, by Ilan Vardi; includes a literal English version of the original Greek text
Einzelnachweise
- ↑ Archimedes: Über die Menge des Sandes oder Berechnung der Größe der Welt in Sandkörnern. Basse, Quedlinburg 1820 (slub-dresden.de [PDF; abgerufen am 12. Oktober 2024]).
- ↑ Archimedes: The Arenarius of Archimedes. Gale Ecco, 2018, ISBN 978-1-379-33475-0 (englisch, Latein: Archimedis Syracusani Arenarius, Et Dimensio Circuli. 1676. Übersetzt von George Anderson).
- ↑ a b Ilan Vardi: Archimedes, The Sand Reckoner. (ps) Archiviert vom (nicht mehr online verfügbar) am 24. September 2024; abgerufen am 18. Februar 2007 (englisch).
- ↑ Hans Niels Jahnke (Hrsg.): Geschichte der Analysis. Spektrum Akademischer Verlag, 1999, ISBN 978-3-8274-0392-6, S. 26–35.
- ↑ Aristarchus biography at MacTutor, Zugriff 2007-02-26
- ↑ Arenarius, I., 4–7
- ↑ Dieser Wert ist um ca. 40 % zu hoch und geht vermutlich auf Aristoteles zurück. Der zeitgenössische Astronom Eratosthenes ermittelte einen kleineren Wert.
- ↑ Diese Annahme beruhte auf Archimedes' eigenen Messungen (siehe auch Ivo Schneider, S. 91–94).
- ↑ Annotated translation of The Sand Reckoner [1] Cal State University, Los Angeles
- ↑ Die Größe von Körnern mit 20 μm Durchmesser liegt an der unteren Grenze des menschlichen Sehvermögens ohne Hilfsmittel. Daher könnte Archimedes gedanklich auch die Größe des (damals unbekannten) Atoms unterstellt haben.
- ↑ Smith, William — A Dictionary of Greek and Roman Biography and Mythology (1880), p. 272
- ↑ Newman, James R. — The World of Mathematics (2000), p. 420
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