Wilhelm Schleiermacher

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Wilhelm Schleiermacher (* 4. Mai 1904 in Karlsruhe; † 25. Februar 1977 in Heidelberg) war ein deutscher Altphilologe und langjähriger Zweiter Direktor der Römisch-Germanischen Kommission in Frankfurt am Main.

Schleiermacher wurde als Sohn von August Schleiermacher (1857–1953) geboren, der als Hochschullehrer an der Technischen Hochschule in Karlsruhe Elektrizitätslehre und Theoretische Physik lehrte. Nach dem Besuch des humanistischen Bismarck-Gymnasiums Karlsruhe studierte er Klassische Philologie und Altertumskunde an den Universitäten Berlin, München und Freiburg. In Freiburg lernte er Ernst Fabricius (1857–1942) als Lehrer kennen und wurde dort am 25. Februar 1927 mit einer philologischen Dissertation über die Komposition zweier Hippokratischer Schriften promoviert.

Schleiermacher bestand im Herbst 1927 die Staatsprüfung für das Höhere Lehramt und bekam 1929 das Zeugnis der Anstellungsfähigkeit als Lehramtsassessor überreicht. Anschließend nahm er Urlaub und ging mit Unterstützung des Reisestipendiums des Deutschen Archäologischen Instituts auf Studienreisen nach Italien und Frankreich. Nach kurzer Tätigkeit im Schuldienst wandte er sich der Provinzialrömischen Archäologie zu und wurde im Mai 1931 von Fabricius als Wissenschaftlicher Assistent zur Reichs-Limeskommission geholt. Dort verfasste er Beiträge zu den letzten noch ausstehenden Bänden des Limeswerks. Zwar hatten die Nationalsozialisten die Direktorenstelle des Saalburgmuseums gestrichen, doch bestellten sie im Juli 1935 Schleiermacher als dessen Kommissarischen Leiter. In dieser Funktion war er 1936 und 1937 auch an den Ausgrabungen am Kastell Zugmantel beteiligt. Bereits 1938 wurde Schleiermacher wieder abberufen und zum Zweiten Direktor der Römisch-Germanischen Kommission ernannt. Diese Stellung hatte er von 1. März 1938 bis zu seiner Pensionierung 1966 inne. Ab Anfang 1940 war Schleiermacher unter der Leitung Eduard Neuffers (1900–1954) Mitglied im Referat Vorgeschichte und Archäologie beim militärischen Kunstschutz im besetzten Paris. Der Kunstschutz war dem Oberkommando des Heeres-Generalquartiermeisters zugeteilt. Bereits zum 31.12.1941 schied er wieder aus dem Kunstschutzes aus.[1] Auch während des Krieges gelang es ihm, zeitweise in der Römisch-Germanischen Kommission zu arbeiten. Er widmete sich dabei der Bibliothek des Hauses sowie den vom Institut herausgegebenen Schriften. Schleiermacher wurde als Mitglied der NSDAP nach Kriegsende in einem französischen Lager interniert[2] und zunächst nach dem Gesetz Nr. 104 zur Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus vom 5. März 1946 als Zweiter Direktor der Römisch-Germanischen Kommission entlassen.[3] Nach Beendigung seiner Haft verbrachte er die folgende Zeit zumeist bei Verwandten in Jechtingen am Kaiserstuhl und half dort in der Landwirtschaft. Gleichzeitig arbeitete er aber auch an wissenschaftlichen Studien, vor allem an dem bereits während des Krieges begonnenen Aufsatz „Der obergermanische Limes und spätrömische Wehranlagen am Rhein".[4]

Schließlich konnte er seine Tätigkeit als Zweiter Direktor wiederaufnehmen. Aufbauend auf den Forschungen der Reichs-Limeskommission gelang Schleiermacher nach 1945 den damaligen Wissensstand zusammenfassen und die Grundlagen für einen Neuanfang legte. Im Jahr 1959 begründete er mit Harald von Petrikovits (1911−2010) die von der Römisch-Germanischen Kommission herausgegebene Reihe Limesforschungen. Studien zur Organisation der römischen Reichsgrenze an Rhein und Donau. Nach langem, schwerem Leiden verstarb Schleiermacher in der Heidelberger Universitätsklinik und wurde in seiner Heimatstadt Karlsruhe beerdigt.

Schleiermachers Stärke lag in den antiquarisch-altertumskundliche Studien. Seine Interessen galten der römischen Altertumskunde im weitesten Sinn. Er gab entscheidende Impulse für die hessische Limesforschung nach 1945.

Schriften (Auswahl)

  • Cambodunum - Kempten. Eine Römerstadt im Allgäu. Habelt, Bonn 1972
  • Der römische Limes in Deutschland. Ein archäologischer Wegweiser für Autoreisen und Wanderungen. Mann, Berlin 1967
  • Zum Beharrungsvermögen des keltischen Heidentums gegenüber der christlichen Religion. In: Rome et le christianisme dans la région rhénane. Colloque du Centre de recherches d'histoire des religions de l'Université de Strasbourg, 9−21 mai 1960. Paris 1963, S. 127−137
  • Les surnoms des divinités celtiques et germaniques en Rhénanie. In: Actes du second colloque international d'études gauloises, celtiques et protoceltiques, Mediolanum Biturigum MCMLXI, Chateaumeillant (Cher) 28−31 juillet 1961. Ogam-Tradition celtique, Rennes 1962, S. 269–272.
  • Augusta Vindelicum, die Hauptstadt der römischen Provinz Raetien. In: Hermann Rinn (Hrsg.): Augusta 955-1955. Forschungen und Studien zur Kultur- und Wirtschaftsgeschichte Augsburgs, Rinn, München 1955, S. 11-17
  • Der obergermanische Limes und spätrömische Wehranlagen am Rhein. In Bericht der Römisch-Germanischen Kommission 33, 1943—1950 ((1951), S. 133—184
  • Befestigte Schiffsländen Valentinians. In: Germania 26 (1942), S. 132-134
  • mit Werner Jorns: Neue Beobachtungen am Limes. In: Germania 23 (1939), S. 36-39
  • Studien an Göttertypen der römischen Rheinprovinzen. In: Bericht der Römisch-Germanischen Kommission 23 (1933), S. 109−143
  • Die Komposition der hippokratischen Schrift peri agmon, peri arthron emboles. Dissertation, Freiburg im Breisgau, In: Philogus 84, Heft 3 u. 4 (1929), S. 273-300 u. S. 399-429

Literatur

  • Hans Schönberger: Wilhelm Schleiermacher zum Gedächtnis. In: Bericht der Römisch-Germanischen Kommission, 58 (1977), S. I–II.
  • Christian Fuhrmeister, Johannes Griebel, Stephan Klingen, Ralf Peters (Hrsg.): Kunsthistoriker im Krieg. Deutscher Militärischer Kunstschutz in Italien 1943-1945 (= Veröffentlichungen des Zentralinstituts für Kunstgeschichte 29) Böhlau, Köln 2012, ISBN 978-3412208042.

Anmerkungen

  1. Hubert Fehr: Germanen und Romanen im Merowingerreich. Frühgeschichtliche Archäologie zwischen Wissenschaft und Zeitgeschehen. de Gruyter, Berlin/New York 2010, ISBN 978-3-11-021461-1, S. 442.
  2. Siegmar von Schnurbein: Abriss der Entwicklung der Römisch-Germanischen Kommission unter den einzelnen Direktoren von 1911 bis 2002, In: Bericht der Römisch-Germanischen Kommission 82, 2001, S. 103 ff.; hier: S. 239 u. S. 249.
  3. Werner Krämer: Gerhard Bersu − ein deutscher Prähistoriker, 1889−1964. In: Bericht der Römisch-Germanischen Kommission 82, 2001, S. 5 ff.; hier: S. 80.
  4. Siegmar von Schnurbein: Abriss der Entwicklung der Römisch-Germanischen Kommission unter den einzelnen Direktoren von 1911 bis 2002, In: Bericht der Römisch-Germanischen Kommission 82, 2001, S. 103 ff.; hier: S. 249.