Deutscher Hof (Nürnberg)

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Fassade am Frauentorgraben, 1913.

Der Deutsche Hof ist ein ehemaliges Hotel und Clubhaus am Frauentorgraben im Nürnberger Stadtteil Tafelhof. Es wurde 1912 bis 1913 nach Plänen von Hans Müller erbaut und steht unter Denkmalschutz. Das Haus war zwischen 1920 und 1944 regelmäßig das Quartier Adolf Hitlers während seiner Aufenthalte in Nürnberg. Nach Abschluss der Sanierung Ende 2015 soll der historische Trakt am Frauentorgraben als Bürogebäude dienen; an Stelle der ehemaligen Lessingsäle entsteht seit 2014 die Wohnanlage Opernpalais.

Geschichte

Lobby des Hotels, 1913.

Gründung als Clubhaus und Hotel

Der Deutsche Hof war ursprünglich als Clubhaus der Nürnberger Lehrerschaft geplant. Seit seiner Gründung 1890 bemühte sich der Verein Lehrerheim darum, einen passendes Grundstück dafür zu erwerben. 1912 konnte die Vereinigung die brachliegende Fläche an der Einmündung der Lessingstraße in den Frauentorgraben, direkt westlich des Opernhauses, von der Stadt Nürnberg ankaufen.[1] Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts hatte sich an dieser Stelle ein Teil des alten städtischen Krankenhauses befunden. Um die hohen Bau- und Unterhaltskosten tragen zu können, entschied man sich dazu, den am Frauentorgraben gelegenen Teil des Gebäudes als Hotel der gehobenen Komfortklasse zu verpachten. Der als Lessingsäle bezeichnete Bauteil an der Lessingstraße diente dem Vereinsleben und verfügte über zwei große Veranstaltungsräume. Die Planung übertrug man dem Nürnberger Architekten Hans Müller, die bauplastische Gestaltung von Fassaden und Treppenhäusern oblag dem Bildhauer Johannes Müller. Nachdem die Bauarbeiten aufgrund des milden Winters fast ohne Unterbrechung verlaufen waren, konnte der Deutsche Hof bereits am 27. September 1913 seine Pforten öffnen.[2]

„Standquartier“ Adolf Hitlers

Seit 1920 stieg Adolf Hitler bei seinen Aufenthalten in Nürnberg regelmäßig im Deutschen Hof ab. Hitlers Bindung an das Haus ging vermutlich auf den damaligen Pächter und Weltkriegsveteranen Johannes Klein zurück, der für seine rechtsradikale Gesinnung bekannt war.[3]

Gauleiter Julius Streicher brachte den Verein Lehrerheim 1936 dazu, das komplette Anwesen an die NSDAP zu veräußern. Inwiefern der Verkauf auf direkten Druck Streichers hin zustandekam oder ob der Verein aus Furcht vor Repressalien zustimmte, ist nicht eindeutig belegt.[4] Die Partei schloss den Deutschen Hof mit dem westlich benachbarten Siemenshaus zusammen, das Hans Hertlein 1925 bis 1926 als Verwaltungsbau der Siemens-Schuckert-Werke errichtet hatte. Als Ausgleich finanzierte die Partei dem Unternehmen einen neuen Verwaltungsbau, das Sigmund-Schuckert-Haus östlich des Opernhauses. Nach Vorgaben Hitlers wurde das alte Siemenshaus 1935 bis 1937 gemäß den Plänen von Architekt Franz Ruff umgestaltet, der neubarocke Fassadenschmuck und die offenen Arkaden im Erdgeschoss beseitigt und ein großer Altan angefügt. Von diesem „Führerbalkon“ aus nahm Hitler fortan die Paraden der Hitlerjugend und anderer NS-Organisationen ab, die im Rahmen der Reichsparteitage am Deutschen Hof vorbeimarschierten. Beim Umbau wurden auch die Fassaden des alten Deutschen Hofs teilweise vereinfacht; die Portalvorbauten mit Figuren und der Dachreiter über den Lessingsälen wurden abgerissen.

Am 3. Oktober 1944 und am 2. Januar 1945 wurde der Deutsche Hof bei Luftangriffen schwer beschädigt. Ein Sprengbombentreffer riss die gesamte Gebäudeecke an der Einmündung Lessingstraße/Frauentorgraben weg und zerstörte Giebel und Dach. Das Innere brannte weitgehend aus.[5]

Wiederaufbau und Nachkriegszeit

Zustand vor der Sanierung, 2011.

Der Wiederaufbau unter Leitung von Architekt Hans Albert Wilhelm und Innenarchitekt Friedrich Feuerlein begann 1946 unter großem ehrenamtlichen Einsatz der Nürnberger Lehrerschaft.[6] Als ehemaliges Parteivermögen der NSDAP ging der Deutsche Hof an das Land Bayern über und wurde durch einen Treuhänder verwaltet. Mit Erlaubnis der amerikanischen Militärregierung und gegen den erklärten Willen des Vereins Lehrerheim gestattete Treuhänder Willi Scholler dem Schauspieler Karl Pschigode in den Lessingsälen ein Theater einzurichten.[7] Als dem Lessingtheater nach der Währungsreform der Konkurs drohte, übernahm die Stadt Nürnberg am 1. Juni 1949 die Schulden und gliederte es als Spielstätte für Sprechtheater den Städtischen Bühnen an.[8]

Mit der Neueröffnung im August 1949 kam das Hotel Deutscher Hof wieder ins Eigentum des Vereins Lehrerheim. Das Lessingtheater wurde erst nach seiner Schließung 1959 zurückübereignet und erhielt wieder seinen früheren Namen Lessingsäle. In den folgenden Jahrzehnten wurde das Innere des Deutschen Hofs mehrfach umgebaut und erneuert, um mit den steigenden Ansprüchen der Hotelgäste Schritt halten zu können. Pächter war zunächst Karl Schöller, Bruder des Nürnberger Speiseeisfabrikanten Theo Schöller, ab 1953 Heinz Rübsamen, Inhaber der Carlton Hotelgesellschaft Nürnberg.[9] In den Nachkriegsjahrzehnten erfreuten sich die Lessingsäle großer Beliebtheit. Sie wurden regelmäßig für Konferenzen, Modenschauen, Tanzveranstaltungen und Faschingsbälle vermietet. 1978 erfuhren sie eine innere Neugestaltung durch Architekt Ernst Hürlimann. 1976 eröffnete in den Kellerräumen des Deutschen Hofes das beliebte Weinlokal Bocksbeutelkeller, das nach Plänen von Friedrich Feuerlein in der Art eines Weinkellers mit Rabitz-Gewölben und rustikaler Einrichtung gestaltet worden war.

Auch das frühere Siemenshaus wurde nach Kriegsende wieder aufgebaut, allerdings ohne den „Führerbalkon“. Das Gebäude beherbergte nach 1945 die Bundesanstalt für Arbeit und diente später dem Nürnberger Arbeitsamt als Bürogebäude. Seit 1992 steht es leer; eine 2011 geplante Hotelnutzung wurde nicht umgesetzt.[10]

Neubau des Opernpalais in der Lessingstraße, August 2015.

Umnutzung

Auf Grund der hohen Instandhaltungskosten entschied sich der Verein Lehrerheim 1990 den Deutschen Hof an die Maritim Hotelgesellschaft zu verkaufen. Der Verein zog in das benachbarte Anwesen Weidenkellerstraße 6. Die Maritim betrieb das Hotel bis 2004 weiter. Anschließend stand der Komplex leer und war dem Verfall preisgegeben. Seit 2008 bemühte sich die Bauträgergesellschaft Kochinvest um die Errichtung eines Bürozentrums auf dem Areal.[11] Pläne, das unter Denkmalschutz stehende Gebäude abzubrechen, wurden vom Stadtheimatpfleger und dem Verein Altstadtfreunde Nürnberg scharf kritisiert.[12] Eine Nutzung als Kulturhistorisches Museum zerschlug sich.[13][14]

2012 erwarb die in Nürnberg ansässige und durch Dipl.-Kaufmann Erik Roßnagel vertretene Terraplan-Firmengruppe das Haus. Nach der Sanierung des ehemaligen Hoteltrakts am Frauentorgraben ist eine Belegung mit Büros geplant.[15] An Stelle der (mit Ausnahme des Haupttreppenhauses) abgebrochenen Lessingsäle wurde im Januar 2014 mit dem Neubau des so genannten Opernpalais mit 27 Eigentumswohnungen und Tiefgarage begonnen.[16] Die Planung für beide Bauteile lag bzw. liegt in Händen der Architekturbüros Hagen, Nürnberg, und Matuschek, Heroldsberg.[17] Die innenarchitektonische Gestaltung übernahm Eugen Gehring, Berlin; die Außenanlagenplanung das Nürnberger Büro Grünplanung Oehm & Herlan. Beide Bauprojekte sollen im Februar 2016 abgeschlossen werden.[18]

Das Bauwerk

Architektur und Ausstattung

Der Verein Lehrerheim wünschte eine funktionale Teilung in Hotel- und Vereinsbereich.[19] Ein L-förmiger Bauteil am Frauentorgraben und der Lessingstraße enthielt das Hotel; an der Lessingstraße schloss sich ein Saalbau (das spätere Lessingtheater) mit Nebengebäude an, in dem Veranstaltungs- und Geschäftsräume für den Verein untergebracht waren. Indem der Architekt Hans Müller den Hotelbereich zur Straße hin vollständig mit Sandstein verkleidete, die Lessingsäle jedoch in den Obergeschossen verputzte, machte er die funktionale Trennung der Bauteile im Inneren auch nach außen hin anschaulich. Im Stil orientierte sich Müller an der deutschen Frührenaissance, deren Formen er durch Jugendstilelemente bereicherte.

Im Inneren war die ursprüngliche Ausstattung ebenfalls vom Jugendstil geprägt; diese ist durch Kriegsschäden und spätere Umbauten jedoch fast vollständig verloren gegangen. Allein die Eingangshalle der Lessingsäle und die historischen Treppenhäuser mit Reliefs des Nürnberger Bildhauers Johannes Müller sind erhalten geblieben.

Städtebauliche Bedeutung

Der Deutsche Hof entstand als Teil der Prachtbebauung, mit der die Stadt Nürnberg den Ring um die Altstadt zu einem repräsentativen Boulevard nach Vorbild der Wiener Ringstraße aufwerten wollte. Das Gebäude bildet zusammen mit dem 1905 vollendeten Opernhaus ein städtebauliches Ensemble und stellt das architektonische Gegenüber zum Sigmund-Schuckert-Haus östlich der Oper dar. Mit seinen Sandsteinfassaden nimmt der Deutsche Hof Bezug zur gegenüber gelegenen Stadtmauer, die im gleichen Material errichtet wurde. Um zu verhindern, dass sich die Lessingstraße durch die einander direkt gegenüberliegenden, hohen Baukörper von Opernhaus und Deutschem Hof in eine dunkle Straßenschlucht verwandelte, schnitt Architekt Hans Müller in die Gebäudeecke an der Einmündung Lessingstraße/Frauentorgraben eine Dachterrasse ein;[19] die eckseitigen Arkaden an der Gebäudeecke im Erdgeschoss blieben als Fußgängerdurchgang offen. Durch einen großen Kastenerker, Giebel, Zwerchhäuser und Schornsteine verlieh Müller Fassaden und Dachlandschaft eine malerische Wirkung. In der einheitlichen Materialität und der zeitypischen Neorenaissance-Fassade mit Jugendstilanklängen stellt das Gesamtensemble ein wichtiges bauliches Zeugnis der Stadtplanung Nürnbergs im frühen 20. Jahrhundert dar.

Bei der Instandsetzung nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die städtebauliche Wirkung des Gebäudes in Mitleidenschaft gezogen. Aufgrund von Platzmangel und knappen Finanzmitteln wurden die Dachterrasse und die Zwerchhäuser nicht wiederhergestellt, im Erdgeschoss ein zusätzlicher Eingang eingebrochen und die offene Arkade an der Straßenecke zum Ladengeschäft umgenutzt. Die 1968 eingesetzten Fenster ohne Teilung schadeten dem äußeren Eindruck zusätzlich.

Deutscher Hof während der Sanierung, August 2015.

Sanierung

Im Rahmen der Sanierung wurde das 1946 bis 1949 errichtete Dach des Hoteltrakts entfernt. Das bis 2015 errichtete neue Dach entspricht in Form und Neigung annähernd dem Zustand von 1913; die im Zweiten Weltkrieg zerstörten Zwerchhäuser an der Nord- und Ostseite wurden in moderner Interpretation neu errichtet und die malerische Dachlandschaft wiederhergestellt. Die Gauben wurden im Vergleich zum ursprünglichen Zustand vergrößert, um die Büros im Dachgeschoss ausreichend zu belichten. Die Fenster in den Vollgeschossen wurden nach historischem Vorbild rekonstruiert. Die Wohnanlage Opernpalais, die an Stelle der Lessingsäle trat, nimmt Größe, Höhe und Firstrichtung des Vorgängerbaus in den Grundzügen wieder auf.

Die historischen Haupttreppenhäuser des Hoteltrakts und der ehemaligen Lessingsäle blieben erhalten und wurden restauriert.

Anmerkungen

  1. Därr: Einweihung, S. 24–25.
  2. Därr: Einweihung, S. 46.
  3. Deutscher Hof in Nürnberg war Hitlers "Standquartier". In: www.nordbayern.de. Abgerufen am 30. August 2015.
  4. Heim/Liedtke: Verein Lehrerheim, S. 83–85.
  5. Heim/Liedtke: Verein Lehrerheim, S. 92
  6. Festschrift 1949.
  7. Heim/Liedtke: Verein Lehrerheim, S. 106–109.
  8. Clemens Wachter: Kultur in Nürnberg. 1945-1950. Kulturpolitik, kulturelles Leben und Bild der Stadt zwischen dem Ende der NS-Diktatur und der Prosperität der fünfziger Jahre (= Nürnberger Werkstücke zur Stadt- und Landesgeschichte. Band 59). Korn & Berg, Nürnberg 1999, ISBN 3-87432-136-3, S. 75–76.
  9. Gregor Schöllgen: Der Eiskönig. Theo Schöller – ein deutscher Unternehmer. 1917–2004. C. H. Beck, München 2008, ISBN 3-406-57760-1, S. 71.
  10. Arbeitsamt wird zum Hotel. In: www.nordbayern.de. Abgerufen am 29. August 2015.
  11. Neue Pläne für den Deutschen Hof. In: www.nordbayern.de. Abgerufen am 29. August 2015.
  12. Deutscher Hof ist bauhistorisch wertvoll. In: www.nordbayern.de. Abgerufen am 29. August 2015.
  13. Museum im früheren Hotel Deutscher Hof? In: www.nordbayern.de. Abgerufen am 29. August 2015.
  14. Der Deutsche Hof als Museum: Ein Luftschloss? In: www.nordbayern.de. Abgerufen am 29. August 2015.
  15. Neue Nutzung für Deutschen Hof in Nürnberg. In: www.nordbayern.de. Abgerufen am 29. August 2015.
  16. "Deutscher Hof": Lessingsäle werden zum "Opernpalais". In: www.nordbayern.de. Abgerufen am 29. August 2015.
  17. Deutscher Hof / Opernpalais - Hagen® GmbH. Abgerufen am 29. August 2015.
  18. André Fischer: Der ehemalige "Deutsche" Hof ist fast fertig saniert. In: Nürnberger Zeitung. 28. November 2015, abgerufen am 7. Dezember 2015.
  19. a b Schulz: Würdigung, S. 47–49.

Literatur

  • Helmut Beer: Hotel Deutscher Hof. In: Michael Diefenbacher, Rudolf Endres (Hrsg.): Stadtlexikon Nürnberg. 2., verbesserte Auflage. W. Tümmels Verlag, Nürnberg 2000, ISBN 3-921590-69-8 (Gesamtausgabe online).
  • Andreas Därr: Festschrift zur Einweihung des Lehrerhauses Nürnberg (Hotel Deutscher Hof u. Saalbau Lehrerheim) am 27. Sept. 1913. Eigenverlag des Vereins Lehrerheim Nürnberg, Nürnberg 1913.
  • Miriam Heim/Max Liedtke: Die Geschichte des Vereins Lehrerheim Nürnberg e. V. Eigenverlag des Vereins Lehrerheim Nürnberg, Nürnberg 1999, ISBN 978-3-00-004144-0.
  • Fritz Traugott Schulz: Künstlerische Würdigung des Baues. In: Festschrift zur Einweihung des Lehrerhauses Nürnberg am 27. September 1913. Eigenverlag des Vereins Lehrerheim Nürnberg, Nürnberg 1913, S. 47–52.
  • Verein Lehrerheim Nürnberg e. V. (Hrsg.): Festschrift zur Eröffnungsfeier des wiedererstandenen Deutschen Hofes am 27. August 1949. Eigenverlag des Vereins Lehrerheim Nürnberg, Nürnberg 1949.
  • Verein Lehrerheim Nürnberg e. V. (Hrsg.): 50 Jahre Deutscher Hof. 1913–1963. Gedanken, Dokumente und Erinnerungen zur Geschichte des Hauses der Nürnberger Lehrerschaft. Eigenverlag des Vereins Lehrerheim Nürnberg, Nürnberg 1963.

Koordinaten: 49° 26′ 47,9″ N, 11° 4′ 28″ O