SGLT-2-Hemmer

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SGLT-2-Hemmer (von „Sodium glucose linked transporter 2“, auch SGLT2i – „i“ für inhibitor) oder Gliflozine sind Arzneistoffe, die ursprünglich als Antidiabetika zur Behandlung des Diabetes mellitus Typ 2 entwickelt und zugelassen wurden. Zwischenzeitlich wurde die Zulassung für einen Teil der Vertreter um die Behandlung von Herzschwäche mit verminderter systolischer Pumpleistung sowie Niereninsuffizienz erweitert.

Wirkstoffe und Zulassung

Als erstem Wirkstoff erteilte die Europäische Kommission am 12. November 2012 für Dapagliflozin die Arzneimittelzulassung.[1] Mittlerweile ebenfalls zugelassen sind Ertugliflozin[2] und Empagliflozin.[3] Weitere Substanzen befinden sich in der fortgeschrittenen klinischen Prüfung oder sind in anderen Ländern (USA: Bexagliflozin,[4] Japan: Ipragliflozin,[5] Tofogliflozin[5]) zugelassen.

Mit Bexagliflozin ist auch erstmals – bislang in den USA – ein orales Medikament zur Behandlung des Diabetes mellitus bei Katzen zugelassen, bislang war immer eine Insulingabe notwendig.[6]

Wirkmechanismus

Die tubuläre Rückresorption von Glucose wird gehemmt.

SGLT-2 (sodium-glucose linked transporter 2) ist ein sekundär aktives Carrier-Protein, das in der Niere im proximalen Tubulus aus dem Primärharn Glucose und Natrium resorbiert. Der durch die Natrium-Kalium-ATPase aufgebaute Natriumgradient stellt hierbei die treibende Kraft für die Glucoseresorption dar. Ist dieser Transporter aufgrund einer erblichen Störung nicht funktionsfähig, finden sich bei betroffenen Personen hohe Glucosewerte im Urin, ohne dass diese durch einen hohen Blutglucosepiegel verursacht würde (renale Glukosurie).

Dies machen sich die SGLT-2-Hemmer zunutze, indem sie den Effekt nachahmen und den renalen natriumabhängigen Glucosetransporter Typ 2 (SGLT2) in den Nierenkanälchen hemmen. Die Funktion besteht darin, dass sie die konzentrationsabhängige Harnausscheidung von Glucose fördern. Dies führt sowohl zu einer Senkung der Blutzuckerkonzentration als auch zu einem Kalorienverlust. Dieser Mechanismus der Blutzuckersenkung ist unabhängig von Insulinwirkung und -ausschüttung sowie von einer Insulinresistenz oder einer mangelnden Insulinproduktion durch die Betazellen der Bauchspeicheldrüse.

Außerdem existiert in der Niere auch der SGLT1-Transporter (im distalen Teil des proximalen Tubulus), der im Vergleich zum SGLT2-Transporter eine größere Affinität zu Glucose aufweist. Daher kommt es trotz Einsatz von SGLT-2-Hemmern zur Resorption von Glucose. Da SGLT1 zwei Natriumionen im Symport mit Glucose transportiert, ist der Energieaufwand für diese Rückresorption deutlich höher. Außerdem ist hierdurch erklärbar, warum zum einen die Hemmung des SGLT2 selten zu einer Hypoglykämie (Unterzuckerung) führt und es zum anderen trotz Hemmung der Natriumrückresorption nicht zu einer Störung des Elektrolythaushaltes kommt.

Anwendung

Entsprechende Medikamente werden oral eingenommen und sowohl als Monotherapie oder in Kombination mit anderen Antidiabetika eingesetzt.

Herzinsuffizienz und Niereninsuffizienz

Ohne pathophysiologische oder pharmakologische Erklärungen zum Wirkmechanismus gibt es seit 2021 neue Therapieansätze für die Herzinsuffizienz und Niereninsuffizienz bei Typ-2-Diabetes. Verbesserungen der Glomerulären Filtrationsrate (GFR) und des Herzzeitvolumens (HZV) wurden dabei jedoch nicht beobachtet.[7][8][9] Untersucht und teilweise auch zugelassen wurden mehrere SGLT-2-Hemmer.[10]

Klassenspezifische unerwünschte Arzneimittelwirkungen

Als unerwünschte Arzneimittelwirkung können SGLT-2-Hemmer in seltenen Fällen eine Ketoazidose auslösen, welche normalerweise bei sehr hohen Blutzuckerspiegeln auftritt, bei SGLT-2-Hemmern jedoch auch bei normalen Blutzuckerspiegeln auftreten kann. Bei Symptomen einer Ketoazidose wie Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen oder Dyspnoe sollte bei Patienten mit SGLT-2-Hemmern eine Untersuchung auf Ketonkörper in Blut oder Urin erfolgen, da eine Ketoazidose unbehandelt tödlich verlaufen kann. Als Mechanismus wird eine Aktivierung der Ketonkörperbildung durch die niedrigen Insulin- und die erhöhten Glukagonspiegel diskutiert.[11][12]

Im Oktober 2019 hat die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft erneut darauf hingewiesen, dass die Behandlung mit SGLT-2-Inhibitoren (Gliflozinen) unterbrochen werden soll, wenn Patienten aufgrund eines größeren chirurgischen Eingriffs oder einer akuten schweren Erkrankung hospitalisiert werden.[13]

Diabetes-Patienten, die SGLT2-Hemmer einnehmen, haben möglicherweise ein erhöhtes Risiko für einen potenziell tödlichen Zustand durch eine akute Ketoazidose, wenn sie sich mit COVID-19 infiziert haben.[14]

Die Therapie mit SGLT-2-Hemmern führt gehäuft zu Infektionen im Genitalbereich, d. h. Vulvovaginitis bei der Frau bzw. Balanitis beim Mann. In den meisten Fällen ist dafür eine Infektion mit dem Pilz Candida albicans die Ursache. Es wird davon ausgegangen, dass die mit der Therapie verbundene Glucoseausscheidung die Ansiedlung von Hefepilzen auf den Genitalschleimhäuten begünstigt.[15]

Selten kann es zum Auftreten einer Fournier-Gangrän bei Männern und auch bei Frauen kommen.

Literatur

  • G. Schernthaner, D. Müller-Wieland, B. Gallwitz: SGLT-2-Inhibitoren - Glukosurika: Ein neues wertvolles Therapieprinzip oder ein Irrweg? Diabetologie und Stoffwechsel 2012; 7(1): 27-29. doi:10.1055/s-0031-1283929
  • List JF, Woo V, Morales E, Tang W, Fiedorek FT: Sodium-glucose cotransport inhibition with dapagliflozin in type 2 diabetes. Diabetes Care, 2009 Apr;32(4):650-7. doi:10.2337/dc08-1863

Einzelnachweise

  1. European Medicines Agency: Forxiga auf der Website der Europäischen Arzneimittelagentur.
  2. Ertugliflozin-Arzneimittel auf der Website der Europäischen Arzneimittelagentur (Europäischer Öffentlicher Beurteilungsbericht, EPAR).
  3. Jardiance auf der Website der Europäischen Arzneimittelagentur (Europäischer Öffentlicher Beurteilungsbericht, EPAR).
  4. Sheridan M. H: Bexagliflozin: First Approval. In: springermedizin.de. 28. März 2023, abgerufen am 21. November 2023.
  5. a b PMDA: New Drugs Approved in FY 2013 www.pmda.go.jp, (PDF-Datei)
  6. FDA Approves First Oral Treatment for Cats with Diabetes Mellitus. In: fda.gov. 8. Dezember 2022, abgerufen am 21. November 2023 (englisch).
  7. Anna Katharina Seoudy, Dominik M. Schulte, Tim Holstein, Ruwen Böhm, Ingolf Cascorbi, Matthias Laudes: Gliflozine zur Threapie der Herz- und Niereninsuffizienz bei Typ-2-Diabetes. In: Deutsches Ärzteblatt. 118. Jahrgang, Heft 8, 26. Februar 2021, S. 122–129.
  8. Peter Overbeck: Herzinsuffizienz. Erste Arznei mit belegtem Nutzen bei HFpEF. In: Ärzte-Zeitung. 40. Jahrgang, Nummer 60, 1. September 2021, S. 1.
  9. Veronika Schlimpert: Herzinsuffizienz-Leitlinie 2021: Was jetzt empfohlen wird, in: Ärzte-Zeitung, 40. Jahrgang, Nummer 60/2021, 1. September 2021, S. 12.
  10. Roland E. Schmieder: Nephropathie bei Diabetes. In: Cardiovasc, Springer-Medizin, 21. Jahrgang, Nummer 3, Juni 2021, S. 31–35.
  11. Anne L. Peters, Elizabeth O. Buschur u. a.: Euglycemic Diabetic Ketoacidosis: A Potential Complication of Treatment With Sodium–Glucose Cotransporter 2 Inhibition. In: Diabetes Care. 38, 2015, S. 1687, doi:10.2337/dc15-0843.
  12. Wataru Ogawa, Kazuhiko Sakaguchi: Euglycemic diabetic ketoacidosis induced by SGLT2 inhibitors: possible mechanism and contributing factors. In: Journal of Diabetes Investigation. 7, 2016, S. 135, doi:10.1111/jdi.12401.
  13. Drug Safety Mail 2019-64; Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft vom 30. Oktober 2019, abgerufen am 19. November 2019
  14. Rebecca J. Vitale, Yannis K. Valtis u. a.: Euglycemic diabetic ketoacidosis with COVID-19 infection in patients with type 2 diabetes taking SGLT2 inhibitors.. In: AACE Clinical Case Reports. 2020, doi:10.1016/j.aace.2020.11.019.
  15. K. M. Johnsson, A. Ptaszynska, B. Schmitz, J. Sugg, S. J. Parikh, J. F. List: Vulvovaginitis and balanitis in patients with diabetes treated with dapagliflozin. In: Journal of Diabetes and Its Complications. September−Oktober 2013, Band 27, Nr. 5, S. 479-484, doi:10.1016/j.jdiacomp.2013.04.012, PMID 23806570.