verschiedene: Die Gartenlaube (1866) | |
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eigenen Geschichte und Ehre zum Volke zu reden. – Wir freuen uns, eine Stadt in Deutschland nennen zu können, welche den Bund der Frescomalerei und Architektur in dieser Weise schließen ließ und nun ein städtisches Hauptgebäude als ein Muster solchen geschichtlichen Ehrenschmucks in seiner Vollendung zeigt. Es ist dies die sogenannte
Stadtcanzlei in Constanz. Ein Erzeugniß des florentinischen Renaissancestyls aus der spätern Periode, ist sie in dieser Art vielleicht eine der besten und schönsten Bauten in Süddeutschland, die jetzt, nachdem die Stadt sie durchaus wieder herstellen und vor zwei Jahren nach Art des bekannten Fuggerhauses in Augsburg durch die Künstler Wagner und Fröschle bemalen ließ, ein besonderes Interesse in Anspruch nehmen darf. Diese Malereien sind theils allegorischer Art, Industrie, Kunst und Handel des alten Constanz in Figuren und Gruppen veranschaulichend, theils Portraits um die Stadt verdienter Männer und Frauen, darunter u. A. das Bildniß des unvergeßlichen Freiherrn Heinrich von Wessenberg, theils endlich geschichtliche Darstellungen, welche letzteren vor allen andern die Beachtung auf sich lenken und eine nähere Schilderung verdienen.
Es sind vier Frescobilder, die, auf einzelnen Mauerfeldern
über den Fensterbogen des Erdgeschosses angebracht, bedeutsame Momente nicht nur der Constanzer, sondern der deutschen Geschichte überhaupt und zugleich die Blüthezeit des deutschen Bürgerthums vergegenwärtigen.
Die erste dieser Fresken, links vom Beschauer, versetzt uns in die Tage des ersten Hohenstaufenkaisers, Friedrich’s des Rothbarts. Sie zeigt uns den sogenannten Lombardischen Friedensschluß, in welchem auf dem Reichstage zu Constanz Kaiser Friedrich der Erste 1183 seine jahrelangen Fehden mit den verbündeten lombardischen Städten beendigte. Fünf Römerzüge hatte er unternommen, den Freiheitssinn der lombardischen Städte zu brechen, die eine Gleichstellung der Bürger mit dem Adel, überhaupt eine strengere republikanische Verfassung zu behaupten suchten, – es war ihm nicht gelungen, und in dem erwähnten Friedensschlusse mußte er die Selbstständigkeit feierlich anerkennen, die jene anstrebten, mußte ihnen die Ordnung ihrer Angelegenheiten selbst überlassen, auf alle Hoheitsrechte verzichten, welche auf die Städte selbst übergingen, und ihnen Alles zurückgeben, was ihnen während der langen Kämpfe entrissen worden war. Der Lombardische oder Constanzer Friede machte also die lombardischen Städte auch rechtlich zu wirklichen Republiken, während die Gewalt des Kaisers, unter dessen nomineller Oberhoheit sie zwar blieben, factisch zum bloßen Schatten wurde. Es ist mithin ein Sieg des Bürgerthums, den dieses erste Gemälde verherrlicht; gewiß zum Schmuck eines städtischen Rathhauses läßt sich ein geeigneteres Motiv nicht wählen! Auf dem Bilde sehen wir den Kaiser und das Haupt der lombardischen Abgeordneten in der Mitte, den geschlossenen Friedensvertrag mit Handschlag besiegelnd. Rechts vom Beschauer stehen die Deutschen, links die Italiener mit scharf ausgedrücktem Gepräge. Im Vordergrund unterzeichnen die Vornehmsten beider Parteien die Friedensurkunde, während im Hintergrunde Kriegsvolk und neugierige Zuschauer sich drängen und schmucke Jungfrauen die Reiterfahne der deutschen Krieger bekränzen.
Das zweite Bild führt uns mitten in die Kämpfe zwischen
verschiedene: Die Gartenlaube (1866). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1866, Seite 661. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1866)_661.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2020)