Wahl in Aserbaidschan: Präsident Alijew lässt sich als Sieger feiern
Aserbaidschan hat gewählt. Doch der Präsident bleibt der gleiche. Ilham Alijew muss weiterhin keine Opposition fürchten.
Update vom 7. Februar, 19.19 Uhr: Die Wahl war wohl eine Farce: Im autoritär geführten Aserbaidschan ist Amtsinhaber Ilham Aliyev erwartungsgemäß als haushoher Sieger der vorgezogenen Präsidentenwahl präsentiert worden. Aserbaidschanische Staatsmedien veröffentlichten nach Schließung der mehr als 6500 Wahllokale im Land angebliche Wahltagsbefragungen, denen zufolge auf Aliyev zwischen 92,4 und 93,9 Prozent der Stimmen entfallen sein sollen. Die Abstimmung vom Mittwoch, an der sich laut Wahlkommission knapp 77 Prozent der Wahlberechtigten beteiligten, sichert Aliyev weitere sieben Jahre an der Spitze der ölreichen Südkaukasus-Republik am Kaspischen Meer. Kritischen Beobachtern zufolge war der Urnengang angesichts von starken Repressionen allerdings weder frei noch fair.
Ergebnis bei Wahl in Aserbaidschan: Warum Ilham Alijew seine Macht sichert
Erstmeldung: Baku – Am Mittwoch (7. Februar) sind die Menschen in Aserbaidschan dazu aufgerufen, einen neuen Präsidenten zu wählen. Ursprünglich geplant war die Wahl erst im Jahr 2025. Die zeitliche Vorverlegung begründet der amtierende Präsident Ilham Alijew laut Südkaukasus-Experte Marcel Röthig damit, dass das Staatsoberhaupt nach der Eroberung der umstrittenen Region Berg-Karabach im September 2023 neuer Legitimität bedarf. Röthig leitet das Südkaukasus-Büro der Friedrich-Ebert-Stiftung in Tiflis.
Der in Baku geborene und spätere Doktor der Politikwissenschaft Ilham Alijew hatte in dem Land am Kaspischen Meer das Präsidentenamt im Jahr 2003 von seinem Vater übernommen und konnte seitdem jede Wahl in dem laut Demokratieindex autoritär geführten Land für sich entscheiden. Internationale Wahlbeobachter und -beobachterinnen hatte die Wahl in dem Land mit einer Bevölkerungszahl von zehn Millionen häufig als nicht frei oder fair bezeichnet.
Präsident Alijew lässt sich in Aserbaidschan wiederwählen
Dazu gehört auch, dass Alijew laut Frankfurter Allgemeinen Zeitung im Vorfeld der jetzigen Wahl die letzten unabhängigen Medien im Land mit einer Serie von Festnahmen überrollt. Mindestens 13 Mitglieder der Presse sind demnach bisher festgenommen worden. Oppositionelle und externe Mitarbeitende von Medien vermuten auch dieses Mal, dass die Wahl vor allem der Machtsicherung Alijews dienen soll.
Von außen betrachtet erscheint klar, dass Alijew bei der Präsidentschaftswahl in Aserbaidschan keine Konkurrenz zu fürchten hat. Laut einem OSZE-Bericht habt die gesamte Konkurrenz den amtierenden Präsidenten in den vergangenen Wochen öffentlich unterstützt. Auch Röthig vermutet, dass die wahren Motive neben Alijews Äußerungen vielfältiger Natur seien: „Ich glaube […], dass die Ursachen tiefer liegen.“
Röthig hält neben allem anderen auch wirtschaftliche Hintergründe für die Vorverlegung der Wahl für denkbar: „Ich glaube, man zieht die Wahl vor […] und schafft eine neue Legitimation, weil man weiß, dass die wirtschaftliche und soziale Lage vielleicht in einem oder zwei Jahren unbestimmter und schwieriger ist.“ Laut Röthig vermeidet Alijew „in einer Situation Wahlen durchführen zu müssen, wo Sollbruchstellen noch sichtbarer werden, als sie es zurzeit sind“.
Meine news
Alijews Popularitätstreiber: Die militärische Eroberung Berg-Karabachs im September 2023
Nach der vollständigen Rückeroberung der Konfliktregion Berg-Karabachs hatte sich Alijew demonstrativ als machtvolle Spitzenfigur präsentieren können. Die territoriale Zugehörigkeit der Region ist bereits jahrelang umstritten. Völkerrechtlich gehört Berg-Karabach zwar zu Aserbaidschan, wird aber überwiegend von Menschen aus Armenien bewohnt.
Nach 1991 wurde das Gebiet größtenteils von Armenien kontrolliert, nach 2020 wieder vermehrt von Aserbaidschan. Nachdem Aserbaidschan 2023 das Gebiet innerhalb weniger Tage militärisch eingenommen hatte, flohen Hunderttausende der größtenteils ethnisch-stämmigen armenischen Bewohner und Bewohnerinnen.
Aserbaidschans Bruttoinlandsprodukt betrug 2023 laut Germany Trade&Invest 47,1 Milliarden US-Dollar, was relativ viel ist im Vergleich (Deutschland: 4,1 Milliarden US-Dollar). Pro Kopf sind es allerdings nur 4,6 Milliarden US-Dollar (Deutschland: 48,6 Milliarden US-Dollar). Verantwortlich gemacht werden dafür die staatlichen oligarchischen Unternehmensstrukturen im Land, welche nahezu ausschließlich auf fossilen Hauptexportgütern Öl und Gas beruhen. Im Land gibt es insgesamt eine große soziale Ungleichheit, eine hohe Inflation und ein geringeres Wirtschaftswachstum.
Präsident Alijew muss sich um Zukunft von Asberbaidschan Gedanken machen
Laut Röthig betrachtet die Regierung Aserbaidschans die Frage zu Berg-Karabach seit der militärischen Eroberung trotz internationaler Sorgen und Bemühungen weitgehend als erledigt. Gleichwohl habe der amtierende Präsident aus diesem Konflikt innenpolitisch viel Kapital ziehen können. Deswegen und wegen der schwierigen Rahmenbedingungen gehen die meisten Fachleute davon aus, dass Alijew die vorgezogene Wahl gewinnen wird.
Jedoch: Wenn dieses externe ‚Problem‘ zukünftig wegfällt, muss sich Alijew in Zukunft neue Gedanken zu den politischen Herausforderungen seines Landes und über seine eigene Machtsicherung machen. Womöglich heißt das in Zukunft, dass die Repression innerhalb Aserbaidschans sich weiterhin verhärten könnte. (Sonja Ruf)