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„Die Wut wird ihn treffen“: Netanjahus Fehler im Israel-Krieg holen ihn ein

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Israels Premierminister Benjamin Netanjahu gerät aufgrund der Hamas-Angriffe in Erklärungsnot.
Israels Premierminister Benjamin Netanjahu gerät aufgrund der Hamas-Angriffe in Erklärungsnot. © Abir Sultan/dpa

Regierungschef Benjamin Netanjahu übernahm keine Verantwortung für die Reaktion Israels auf die Terrorangriffe der Hamas. Schuld sei jemand anderes.

Tel Aviv – Die israelischen Geheimdienste Mossad und Schin Bet zählen zu den besten der Welt, die Grenze zu Gaza gilt als „eiserne Mauer“. Dennoch gelang der Terrororganisation Hamas ein überraschender Überfall auf Israel. Der 7. Oktober wurde zum tödlichsten Tag für jüdische Menschen seit dem Holocaust. Hochrangige israelische Politiker übernahmen bereits Mitverantwortung, Regierungschef Benjamin Netanjahu schob am Sonntag (29. Oktober) stattdessen den Geheimdiensten die Schuld in die Schuhe. Experten erkennen dahinter eine Taktik.

Terror-Angriff der Hamas: Netanjahu gibt Geheimdienst die Schuld und rudert dann zurück

Am frühen Sonntagmorgen, als die meisten Israelis noch schliefen, teilte Netanjahu kräftig gegen die Geheimdienste des Landes aus. „Unter keinen Umständen und zu keinem Zeitpunkt“ sei er vor den kriegerischen Absichten der Hamas gewarnt worden, schrieb der Regierungschef auf der Plattform X (vormals Twitter). „Im Gegenteil, alle Sicherheitsvertreter […] waren der Einschätzung, dass die Abschreckung gegen die Hamas wirkt und diese eine Verständigung anstrebt“, so der Post weiter. Bis zum Ausbruch des Krieges habe man ihm diese Einschätzung immer wieder vorgelegt. Die Kritik an diesen Äußerungen ließ nicht lange auf sich warten.

Der ehemalige Verteidigungsminister Benny Gantz forderte Netanjahu etwa auf, die Äußerungen zurückzunehmen. Wenn man sich im Krieg befinde, gehe es darum, „die Streitkräfte so zu stärken, dass sie das ausführen können, was wir von ihnen verlangen.“ Führung bedeute Verantwortung zu zeigen, das Richtige zu tun, so Gantz weiter.

Später ruderte Netanjahu zurück und löschte den Post. Stattdessen schrieb er auf X: „Ich habe mich geirrt.“ Er gebe allen Chefs der Sicherheitskräfte seine volle Unterstützung, so Netanjahu weiter. „Ich stärke dem Stabschef, den Kommandeuren und Soldaten der IDF, die an der Front stehen und für uns kämpfen, den Rücken. Gemeinsam werden wir gewinnen.“ Doch da war der Schaden schon angerichtet.

Rücktrittsforderungen in sozialen Medien, auf Israels Straße und bei Familien der Geiseln

Unter dem Entschuldigungs-Beitrag auf X waren zahlreiche Forderungen nach Netanjahus Rücktritt zu lesen. Auch in den Straßen Tel Avivs kam es zuletzt immer wieder zu Anti-Netanjahu-Protesten. „Das ist eine kollektive Tragödie, wie wir sie noch nie erlebt haben“, sagte eine der Demonstrierenden, Mona Hanoch, der Nachrichtenagentur AFP. Ihre Wut richtet sich gegen den Regierungschef. „Ihm habe ich das Leben meiner Kinder anvertraut“, so Hanoch. Dabei gehe es „Bibi“, so Netanjahus Spitzname, nur um sein Ego. „Sobald dieser Krieg zu Ende ist, werden wir auf die Straße gehen und Bibis Abgang fordern“, sagte ein weiterer Demonstrant.

Die Hamas hatte bei ihrem Überfall 1400 Menschen getötet und mindestens 239 Geiseln genommen. Unter den Angehörigen der Verschleppten regte sich teils ebenfalls Kritik an Israels Regierung. Die Führung lasse die Gefangenen im Stich, lautete ein Vorwurf. Bei einem Protest der Familien Mitte Oktober forderten mehrere Menschen den Rücktritt des Ministerpräsidenten. Bereits vor der schwersten Terrorattacke in der Geschichte Israels stand die rechts-religiöse Regierung unter Netanjahu in der Kritik. Zehntausende Menschen waren monatelang gegen die umstrittene Justizreform auf die Straße gegangen.

Experten sehen Führungsschwächen bei Netanjahu: „Wut wird sich gegen ihn richten“

Für viele Israelis bestätigten die Äußerungen Netanjahus auf X ihre Zweifel an seinen Führungsqualitäten. Andere Regierungsmitglieder, darunter auch Verteidigungsminister Joaw Galant, sowie hochrangige Militärs und Geheimdienstchefs hatten bereits Mitverantwortung für die Terroranschläge der Hamas übernommen. Bei Netanjahu steht das noch aus. Dahinter steckt offenbar eine Taktik: Der Regierungschef Israels wolle sich vom Massaker des 7. Oktober distanzieren, schlussfolgerte die Politikwissenschaftlerin Gayil Talshir laut New York Times.

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Eine Plakatwand in Tel Aviv mit zahlreichen Aufklebern, auf denen Benjamin Netanjahu für das Scheitern am 7. Oktober verantwortlich gemacht wird. © IMAGO/Middle East Images / ABACAPRESS

Der israelische Ministerpräsident sei „im Überlebensmodus“ analysierte auch der Experte für politische Kommunikation, Gadi Wolfsfeld, im Gespräch mit der New York Times. „Das Einzige, was ihn antreibt, ist, an der Macht zu bleiben.“ Indes hält die israelische Politikexpertin Mazal Mualem den Regierungschef zwar in der Lage, den Krieg zu führen. Doch am Ende werde sich „die Wut gegen ihn richten“. Egal, wie oft er sage „‚Sie haben es mir nicht gesagt‘ und so weiter“, so die Expertin.

Ignorierte die Regierung Israels Warnungen?

Zuletzt wurden auch Stimmen laut, die israelische Regierung habe durchaus Warnungen vor einem Hamas-Überfall erhalten – aber ignoriert. Bereits 2016 habe er vor einem Überfall der Hamas gewarnt und Netanjahu damals ein entsprechendes Dokument übergeben, kritisierte der frühere Finanzminister Avigdor Liberman am Samstag. Der Regierungschef habe das Dokument damals „abschätzig abgewunken“, so Liberman weiter.

Auch die Geheimdienste der USA sollen offenbar vor einer Verschärfung des Konfliktes zwischen Israelis und Palästinensern gewarnt haben, wie CNN unter Berufung auf anonyme Quellen berichtete. Allerdings hätten die Berichte keine taktischen Details enthalten und das Ausmaß der Angriffe nicht vorhergesehen. In den Wochen und Monaten vor dem 7. Oktober hatten Soldaten, die für die Beobachtung des Grenzgebietes verantwortliche waren, offenbar bedrohliche Bewegungen gemeldet. Die Warnungen seien von Vorgesetzten ignoriert worden, hieß es.

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