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Das neue Vertrauen

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Stand gegen den SC Sand zum ersten Mal in der Startelf: Sjoeke Nüsken (rechts).
Stand gegen den SC Sand zum ersten Mal in der Startelf: Sjoeke Nüsken (rechts). © Imago Images

FFC-Nachwuchshoffnung Sjoeke Nüsken kommt nach ihrer Verletzung immer besser in Fahrt. Die 18-Jährige hatte bis vor ihrem Wechsel aus Hamm nach Frankfurt zusammen mit Jungs gespielt.

Sjoeke Nüsken war offenbar schon als Kind mutig und selbstbewusst. Mit gerade mal fünf Jahren war sie zu einem Fußballspiel ihrer vier Jahre älteren Schwester Hjördis mitgegangen und nahm die Einladung des Trainers zum Mitspielen an. Ein Mannschaftsmitglied war ausgefallen, und als die kleine Kickerin nach ihrem Überraschungseinsatz am nächsten Morgen erwachte, fragte sie gleich nach, wann denn ihre nächste Partie anstünde.

Dabei ist es geblieben. Auch mit mittlerweile 18 Jahren hat die junge, rotblonde Frau aus Hamm, die bis zu ihrem elften Lebensjahr auch eine sehr erfolgreiche Tennisspielerin war, eine Menge Spaß an ihrem Sport und gilt deutschlandweit als eines der größten Talente. Selbst Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg hat sie schon einmal, im Januar, zu einem Trainingslager mit der A-Nationalmannschaft eingeladen.

Im vergangenen April, die Schule war so gut wie beendet, unterschrieb Nüsken einen Dreijahresvertrag beim Bundesligisten 1. FFC Frankfurt. Die Vorstellungen der Mittelfeldakteurin unter anderem beim Titelgewinn der deutschen U17 während der Europameisterschaft vor zwei Jahren in Tschechien hatten auch andernorts Begehrlichkeiten geweckt. Doch das „Bauchgefühl“ wies der Westfälin irgendwann im schwierigen Entscheidungsprozess den Weg nach Hessen. Es ist das erste Engagement von Nüsken in einer reinen Frauentruppe. Zuvor hatte sie stets mit Jungen zusammen gespielt, weil es im Umfeld des Sportinternats Kamen-Kaiserau, das sie besuchte, keine Mädchenmannschaft gab, die sie gefordert hätte. Im letzten Jahr vor dem Abitur war dies nur dank einer Ausnahmegenehmigung möglich. Denn eigentlich sind in der A-Jugend gemischte Teams nicht mehr vorgesehen. „Ich wollte aber nicht noch mal die Schule wechseln“, erklärt Nüsken. Also setzte sich die Verbandssportlehrerin und heutige U-19-Nationaltrainerin Kathrin Peter für die Interessen der Hoffnungsträgerin ein.

So war es bei einem Pflichtspiel ihrer „Jungs“ von Westfalia Rhynern, dass sich die Sportlerin mit einem herben Rückschlag konfrontiert sah. Bei einem Pressschlag brach sie sich die Spitze ihres rechten Wadenbeins. Mehr als drei Monate lang konnte sie nur zuschauen, wie andere das Spiel machten, fiel unter anderem für die U-19-EM in Schottland aus, in deren Qualifikation sie noch die beste Torschützin war. Die Rückkehr aufs Feld hatte sich die zielstrebige Athletin, die seit der U 15 in allen Nationalteams stand, leichter vorgestellt. „Ich hatte nicht damit gerechnet, dass ich mir so viel erst wieder erarbeiten muss.“ Sie habe vielmehr gedacht, sie könne irgendwann einfach wieder mitspielen. Dass sie die eigentlich schon mal routinierten Abläufe nun inmitten einer neuen Formation wiederbeleben musste, habe die Aufgabe nicht einfacher gemacht. Doch mittlerweile fühlt sich Nüsken auf dem Platz wieder wohl und in Frankfurt längst heimisch.

Zusammen mit der Schweizerin Sandrine Mauron hat sie eine Wohnung bezogen und in Wiesbaden ein Studium im Bereich Bauingenieurwesen aufgenommen. „Da kriege ich meine Jungs wieder zurück“, scherzt Nüsken, denn die Fachrichtung, die sie wählte, weil sie Physik und Mathematik mag, ist nicht gerade eine, die viele Frauen anzieht.

Das neue Umfeld bringt den Vorteil mit, „dass ich jetzt nach dem Spiel duschen kann“, und sie nicht mehr, wie früher, schon im Trikot zum Training kommen muss. Denn eine Einzelkabine gab es für sie bei den männlichen Junioren nicht. Dafür hat sie unter diesen eine Härte und Stärke erlernt, mit der sie sich überall durchsetzen kann. „Von den Gegnern habe ich da schon ab und an mal einen Spruch gedrückt bekommen“, erzählt Nüsken. „Aber da muss man drüberstehen und ihnen dann zeigen, wie Fußball gespielt wird.“ Danach sei stets Ruhe gewesen.

Mittlerweile erhält der Neuzugang auch beim FFC immer mehr Spielzeit, war zuletzt beim SC Sand erstmals in der Startelf dabei. Dass der bis zur 58. Minute währende Auftritt später mit einer 0:3-Niederlage für den Tabellenfünften endete, habe sie schon geärgert. Doch dürfe man sich damit nicht allzu lange befassen und müsse schnell nach vorne blicken. Im konkreten Fall auf das anstehende Heimspiel am Sonntag (14 Uhr, Stadion am Brentanobad) gegen den noch ungeschlagenen Tabellenführer und Titelverteidiger VfL Wolfsburg.

Doch egal, wie das Topspiel endet: Nüsken erobert sich von mal zu mal wieder mehr Vertrauen zurück – in sich, ihren Körper, aber auch das der anderen. Mit „Spielwitz und Spielspaß“ will sie ihr Team ebenso möglichst weit nach vorne bringen wie mit den kreativen Einfällen und „unerwarteten Aktionen“, die Spielerinnen auszeichnen, die selbstbewusst und mutig sind.

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