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Renndirektorin Chika Yoshida: Willingen tut was für uns

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Frau vor roter Absperrung am Auslauf einer schneebedeckten Schanze
Chefin der Schanzen: Chika Yoshida, Renndirektorin des Internationalen Skiverbands FIS. © pr

Chika Yoshida begleitet das Wachsen des Skispringens der Frauen seit mehr als einem Jahrzehnt. Im Interview spricht die Renndirektorin der FIS über den fortwährenden Kampf um Gleichberechtigung, neue Formate und den Weltcup in Willingen.

Innsbruck – Wir erreichen Chika Yoshida am Telefon, irgendwo im Innsbrucker Land. Die aus Japan stammende Funktionärin des Internationalen Skiverbands FIS spricht Deutsch mit leichtem Akzent, gelegentlich kommt ihr ein englischer Begriff dazwischen.

Frau Yoshida, stört es Sie, wenn man Sie als Walter Hofer des Frauenskispringens bezeichnet?

Nein, es ist mir eine Ehre. Als ich begonnen habe, war Walter als Renndirektor der Männer mein Chef bei der FIS. Ich habe viel von ihm gelernt. Ich kam als Koordinatorin der FIS vom Continentalcup und wusste wenig über den Weltcup. Er hat mich sehr unterstützt und mir geholfen.

Haben Sie jemals Vorbehalte erfahren im Skispringen, weil Sie eine Frau sind?

Nein (lacht), nie. Als ich 2008/09 bei der FIS angefangen habe, hatte ich ja schon lange für den japanischen Verband gearbeitet. Am Anfang habe ich nicht so viele Leute gekannt, das war schwierig für mich.

Wie sind Sie zum Skispringen gekommen?

Durch die Olympischen Spiele in Nagano 1998. Ich habe als Dolmetscherin für das Organisationskomitee gearbeitet. Sie haben mich dann behalten, die Olympia-Schanzen in Hakuba wurden ja auch für Sommer-Grand-Prix und Weltcups im Winter genutzt. 1999 hat mich der Japanische Verband dann als Teamkoordination für die nordische Ski-WM in Ramsau angefragt.

Sie sind ja seit Einführung des Weltcups für Frauen im Winter 2011/12 dabei, seit neun Jahren verantworten Sie die Springen als Renndirektorin. Sie haben mal gesagt, das Frauenspringen habe sich rasant entwickelt. Was waren für Sie Meilensteine?

Vielleicht gab es die so nicht, vielmehr gab es Jahr für Jahr Schritte nach vorn. Vieles musste sich entwickeln, nicht nur bei den Athletinnen, sondern auch bei den Veranstaltern oder hier bei der FIS. Zum Beispiel konnte ich am Anfang in Lillehammer auf ein Organisationskomitee zurückgreifen, das schon Weltcups der Herren und in der Nordischen Kombination gemacht hatte. Zwei andere Veranstalter, Ljubno (Slowenien) oder Zao (Japan), hatten im Continental-Cup begonnen. Auch die Springerinnen haben sich sehr schnell weiterentwickelt, ebenso die jeweiligen Teams und die Skiverbände. Dazu kam die Unterstützung der Medien. Alle Stakeholder haben sich sehr bemüht. Das sieht man auch daran, wie weit wir bei den Medaillen sind.

Mit einem WM-Wettbewerb angefangen, jetzt sind es vier

Was meinen Sie damit?

Bei der ersten Weltmeisterschaft 2009 in Liberec gab es nur eine Medaille für die Frauen, wir hatten nur das Einzelspringen von der Normalschanze. Mittlerweile sind wir genauso weit wie die Herren: Bei der WM im letzten Jahr in Oberstdorf gab es Springen von der Normal- und der Großschanze, im Team und im Mixed.

Bei den Olympischen Spielen im Februar in Peking gibt es jedoch nur zwei Wettbewerbe für die Frauen: Springen von der Normalschanze und das Mixed.

Alle Entscheidungen für Olympia sind nicht nur der Bereich des FIS, sondern des Internationalen Olympischen Komitees. Da die Spiele nur alle vier Jahre stattfinden, dauert es länger, bis sich da etwas ändert. Aber es wird sicher in Zukunft auch bei Olympia ein Teamspringen und einen Wettbewerb von der Großschanze für die Frauen geben. Das IOC ist ja sehr um Geschlechtergleichheit bemüht.

Woran hapert es denn noch im Vergleich zu den Männern?

Das mediale Interesse ist immer noch niedriger als bei den Herren, obwohl sich viel getan hat. Am Anfang hatten wir ja kaum Liveübertragungen, anders heute. Trotzdem gibt es noch große Unterschiede, an denen wir wohl noch jahrelang arbeiten müssen. Das gilt auch für die Prämien, die bei den Frauen niedriger sind.

Zur Person

Chika Yoshida (52) wurde in Tokio geboren, sie ist ledig und lebt seit mehr als 20 Jahren in der Region Innsbruck. Nach Österreich kam sie wegen ihres Studiums. Nachdem sie ab Ende der 1990er Jahre für den Skiverband Japans als Koordinatorin gearbeitet hatte, wechselte sie im Jahr 2008 zum Internationalen Skiverband FIS, seit der Saison 2012/13 verantwortet sie als Renndirektorin den Ablauf der Weltcupspringen der Frauen. Sie sagt, die Verantwortung wachse von Jahr zu Jahr, aber es sei ihr eine Ehre, für die FIS zu arbeiten. (mn)

Es fällt auf, dass es für die wegen Corona abgesagten Weltcups der Frauen in Japan keinen Ersatz gibt, bei den Männern allerdings Titisee-Neustadt für Sapporo einspringt.

Ja, leider haben wir zwei Wochenenden verloren. Es ist schwierig, sie nachzuholen. Zwar haben sich verschiedene nationale Skiverbände darum bemüht, aber es war nicht möglich, freie Übertragungszeiten im Fernsehen zu finden – im Januar sind einfach so viele Wettkämpfe. Das war auch ein Grund.

Es gibt eine große Abhängigkeit vom Fernsehen, ohne eine Übertragung ist ein Springen kaum zu finanzieren.

Ja, das kann man so sagen.

Frauen springen mittlerweile ganz selbstverständlich auf Großschanzen. Das war vor vier, fünf Jahren noch die große Ausnahme. Finden Sie diese Entwicklung richtig?

Viele von den guten Springerinnen wünschen sich die Großschanze, es macht ihnen anscheinend mehr Spaß, hier zu springen. Wir müssen aber auch auf unsere Basis schauen und die Veranstalter im Weltcup berücksichtigen, die nur eine Normalschanze haben. Ob Groß- oder Normalschanze, das spielt eigentlich nicht so eine große Rolle.

„Große Nation ist große Nation für Damen und Herren“

Finden wir im Frauen-Skispringen eigentlich andere Herkunftsländer als bei den Männern?

Große Nation ist große Nation für Damen und Herren, es gibt nur kleinere Unterschiede. Bei uns ist zum Beispiel ist Russland eine große Nation, auch eine Rumänin springt bei uns mit.

Vor Weihnachten ist wieder über eine Vierschanzentournee für die Frauen parallel zu der der Männer diskutiert worden. Wie finden Sie die Idee?

Die Diskussion ist schon älter. Ich finde sie erfreulich, weil es das Interesse am Damenskispringen zeigt. Aber ich habe noch keine offiziellen Anträge bekommen, weder vom nationalen Skiverband aus Deutschland noch aus Österreich. Deshalb kann ich da nichts kommentieren. Andererseits haben wir von der FIS im Herbst einen Antrag erhalten für eine neue Serie, die heuer nur in Ljubno ausgetragen wurde.

Skispringerin hält Trophäe vor beleuchteter Schanze hoch
Auch die Frauen haben ihren „Adler“: Marita Kramer grüßt als Siegerin des Silvester-Tournaments. © Imago

Das Silvester-Tournament.

Genau. Es war erfolgreich. Ganz neu für die Damen war, dass der erste Durchgang im K.o.-System und mit 50 Springerinnen stattfand. Wir diskutieren darüber, ob daraus eine Serie wird mit weiteren Springen in Villach in Österreich. Wir werden sicher bei der nächsten Kalenderkonferenz der FIS im April darüber sprechen.

Wir verstehen Sie richtig: Diskutiert wird eine eigene Serie für die Frauen zum Jahreswechsel parallel zur Tournee?

Die Veranstalter wollen das unbedingt, ja, sie sind sehr motiviert. Wir sind sehr dankbar, dass wir wie in Klingenthal oder Willingen mit den Herren zusammenspringen können. Auf der anderen Seite ist es auch eine große Hilfe für uns, dass wir Organisationskomitees haben, die auch ein Herz vor allem für die Damen haben.

„Die Willinger sind sehr großzügig“

Sie haben mal gesagt, die Frauen müssten auf eigenen Beinen stehen und sich nicht zuerst an die Männerspringen anhängen.

Wir müssen auf die Balance schauen. Klingenthal war ein wunderschönes Event, genau wie Ramsau, wo die Frauen gemeinsam mit den Nordischen Kombinierern einen Weltcup hatten. Wir haben die gemeinsame Raw Air und Ende Januar den Weltcup in Willingen, alles große Plattformen für das Damen-Skispringen. Aber wo die Frauen allein springen, können sie sich ganz anders präsentieren. Wo man gemeinsam springt, kann es ja auch Probleme geben, zum Beispiel mit den Startzeiten.

Was meinen Sie damit?

Wenn Damen und Herren auf derselben Schanze springen, müssen sie für alle Trainings- und Probesprünge miteinbauen und Zeiten für die Qualifikation berücksichtigen. Bei schlechten Wetterbedingungen kann es Verschiebungen geben, da beeinflusst man sich dann gegenseitig zum Nachteil. Man mus alles im Blick haben, die Vor- wie die Nachteile.

Das Programm in Willingen etwa ist in der Tat gedrängt. Auf dem Plan steht auch ein Mixedspringen. Mögen Sie diese Wettkampfform?

Ja, wir freuen uns darauf, auf dieser großen Schanze mit den Herren zu springen. Wir sind sehr dankbar, dass uns das OK und der OK-Chef aufgenommen haben. Sie sind dort sehr motiviert und denken darüber nach, was sie für uns tun können. Zum Beispiel wollen sie ein Preisgeld für die Gewinnerin der Qualifikation zahlen, das ist sehr großzügig. Das gibt es bei den Damen sonst fast überhaupt nicht, nur bei den Herren. Das schätze ich sehr hoch ein, auch deshalb, weil das zweite Jahr hintereinander in Willingen ohne Zuschauer gesprungen werden muss und viele Einnahmen fehlen.

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