Kolumne „Mitten in …“:Der Gipfel des Schalalalala

Lesezeit: 2 Min.

(Foto: Marc Herold)

Eine SZ-Redakteurin ist leicht genervt von einer Akkordeon-Beschallung in den Südtiroler Alpen. Da ahnt sie noch nicht, was abends am Lagerfeuer gespielt wird. Drei Anekdoten aus aller Welt.

Mitten in … Latzfons

Eine Nacht auf dem Latzfonser Kreuz und wir platzen ausgerechnet in Dreharbeiten. Die italienische Bergsteigerin Tamara Lunger ist zu Gast, ihre Eltern haben früher das Schutzhaus betrieben. Kameramänner springen herum, eine Drohne surrt durch die Luft, der Wirtssohn liefert mit seinem Akkordeon die perfekte Hintergrundmusi für die Aufnahmen. Das Filmteam und Lunger sind zufrieden, am Abend verabschieden sie sich. Später wird vor der Hütte ein großes Lagerfeuer angezündet. Die Funken fliegen in die Sternennacht, als die Musik angedreht wird – „Dicke Titten Kartoffelsalat“, gefolgt von „Wir wollen die Eisbären sehen“, „Ich verkaufe meinen Körper ganz, ganz billig“ und „Olivia“ („Wenn deine Mutter wüsste, zeigst jedem deine Brüste“). Und das war erst der Anfang. Das Akkordeon? Liegt in der Hütte. Man sehnt es in diesem Moment sehr herbei. Isabel Bernstein

(Foto: Marc Herold)

Mitten in … München

Am Halloween-Abend nach Hause, kurz vorher noch eingekauft im Supermarkt in Pasing, unter anderem Sauerkraut, weil noch Linsen im Kühlschrank warten. Direkt vor meiner Tür überfällt mich eine Bande von Mädchen, vielleicht 18, 20 Jahre alt, die meisten in feiertagstypischer Verkleidung. „Süßes oder Saures“, verlangen sie. Mit Süßem kann ich nicht dienen, also sage ich: „Mein Sauerkraut könnt ihr haben.“ 14 Mädchen ziehen an mir vorbei und ziehen ein Gesicht, weil ich doch bitte ein alter Spielverderber bin. Die 15. aber sagt: „Ich liebe Sauerkraut!“ Also drücke ich ihr die Dose in die Hand, weise sie aber darauf hin, dass sie sie nicht wegschmeißen, sondern sie mir dann lieber wieder vor die Tür stellen soll. Nein, macht sie nicht, verspricht sie. Morgen gibt’s für sie und ihren Freund Speckknödel mit Sauerkraut. Süß, oder? Stephan Handel

(Foto: Marc Herold)

Mitten in … Rostock

Der RE 5 fährt pünktlich ab, das ist ja in diesen Zeiten schon fast eine Nachricht. Wobei: Pünktlich ist relativ. Denn wenn man die digitale Datumsanzeige im Waggon als Maßstab nimmt, dann hat der Zug eine exorbitante Verspätung. Da steht: 30.09.1944. Ein Mann macht ein Foto, „ist ja ne echte Zeitreise hier“. Ob die Schaffnerin das wohl umstellen kann? Nein, antwortet sie – und dass der Kalender öfter mal verrückt spiele. „Aber so weit zurück waren wir noch nie.“ Dann sagt sie, mit Blick auf die politische Lage: „Vielleicht sollte uns das die Augen öffnen, wo wir schon mal waren.“ Zwei ältere Mitreisende fangen an zu erzählen, wie es in der Endphase des Zweiten Weltkrieges hier in der Region gewesen sein muss. Die falsche Datumsanzeige hat alle zum Nachdenken gebracht. Beim Aussteigen sagt eine Dame: „Da hatten wir ja heute ne janz schön historische Fahrt.“ Georg Ismar

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