Methode Ataman

Hautfarbenkunde, Rassismusvorwürfe, Hetze gegen Journalisten

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Von Don AlphonsoAutor
Veröffentlicht am 22.06.2022Lesedauer: 11 Minuten

Die Publizistin und Politologin Ferda Ataman soll neue Antidiskriminierungsbeauftragte des Bundes werden. Familienministerin Lisa Paus betont, Ataman stehe für eine inklusive, demokratische Gesellschaft. Der Vorschlag des Bundeskabinetts stößt jedoch auf Kritik.

Ferda Ataman hat alte Tweets gelöscht – aber sie hat eine Lobby geleitet, die im Netz Menschen nach Rassen einteilte, Kritiker beschimpfte, Hass zu Meinung erklärte und Pressefreiheit nur für eigene Belange in Anspruch nahm. Und diese Tweets sind noch da.

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Normalerweise ist die Berufung eines Antidiskriminierungsbeauftragten des Bundes nichts, was besondere Aufmerksamkeit erregen würde – die ehemalige Leiterin Christine Lüders etwa berichtete 2016, dass sie nie einen 4-Augen-Termin mit Angela Merkel gehabt hätte, und in den letzten Jahren wurde die Stelle nur kommissarisch geleitet, weil es juristisches Gerangel um den Posten gab. Wirklich gestört hat sich an diesem Zustand in der Öffentlichkeit kaum jemand, und so wäre es vermutlich auch geblieben, hätte die Journalistin und Lobbyistin Ferda Ataman nicht fast alle ihre Tweets gelöscht, als bekannt wurde, dass die Familienministerin Lisa Paus sie für die kommenden fünf Jahre als Leiterin vorgeschlagen hat, vorbehaltlich der Zustimmung des Bundestags. Die Tweets von Frau Ataman waren oft nicht in einer Form, die man von einer deutschen Behördenleiterin erwarten würde, und einige sind trotzdem wieder aufgetaucht, weil eine Reihe von Kritikern dieser Berufung ihre alten Konflikte mit Ataman in Form von Screenshots gespeichert hatten. Dazu gab es auch noch Atamans Texte im „Spiegel“, die man grosso modo als linksidentitär bezeichnen könnte, und ihre diversen Einlassungen für den Verein Neue Deutsche Organisationen NDO, der zwar als NGO firmiert, aber de facto vom Staat mitgetragen und mit seinem Wohlwollen gegründet wurde. Was Frau Ataman alles wirklich in den letzten Jahren im Netz gesagt hat, ist verloren. Aber:

Im Nahfeld der NDO gibt es auch die Neuen Deutschen Medienmacher NDM, deren Gründungsmitglied Ataman ist, und deren Vorsitz sie ab 2018 innehatte. Und die NDM wiederum wurden vom Europarat mit Mitteln ausgerüstet, die Kampagne „No Hatespeech“ in den sozialen Medien durchzuführen. Wie bei der Antidiskriminierungsstelle ging es da vordergründig um den Kampf gegen Benachteiligung, aber das Agieren der Kampagne wirft ein Schlaglicht auf die inhaltliche Arbeit mit Steuergeldern, für die die damalige Vorsitzende Ataman letztlich verantwortlich war. Ihre Tweets mögen gelöscht sein, aber der Account NoHatespeechDe gibt einen guten Eindruck, was passiert, wenn Ataman die Geschicke einer Kampagne verantwortet. Das da oben ist eine alte Geschichte vor ihrem Vorsitz: Die Journalistin Hengameh Yaghoobifarah hatte in der „taz“ von der „deutschen Dreckskultur“ geschrieben, und ich fragte damals, wie die Kampagne das einordnet: keine Hatespeech, sondern Meinungsäußerung, war die Antwort. Ich will nicht wissen, was los wäre, wenn ein anderer Journalist so etwas über eine nichtdeutsche Kultur schreiben würde, aber sei‘s drum: Bei weitester Auslegung von Meinungs- und Pressefreiheit kann man wirklich den Standpunkt vertreten, dass es eine legitime Aussage ist. Nicht nett, nicht höflich, aber vermutlich auch keine Hasskriminalität. Und noch vor Atamans Amtsantritt. Das hier ist danach:

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Da ist es also, das böse K-Wort, das Frau Ataman auch sonst hin und wieder bemühte, um Deutsche zu bezeichnen. Ich bin in rechtlichen Fragen nicht so bewandert, wie es ausginge, würde man als Deutscher andere Nationen mit Speisen bezeichnen, vor allem, wenn man vom Geld dieser Nation abhängig wäre. Aber so wichtig ist das gar nicht für Atamans Verein, denn eine bestimmte Bevölkerungsgruppe – die Weißen – sind generell nicht von Rassismus betroffen, meinen sie unter Atamans Ägide:

Das ist beileibe kein einmaliger Ausrutscher, die Sichtweise zieht sich durch mehrere Wortmeldungen gleichen Inhalts. Es ist fragwürdig, ausgerechnet von einer Aktion gegen Hassrede und Diskriminierung in Deutschland aufgrund der Farbe der Haut aufgeteilt zu werden in jene, die Opfer von Rassismus sind und jene, die gar keine Opfer sein können. Aber das ist nun mal ein Dogma der linken Identitätspolitik. Und wenn andere auf die Idee kommen, über Hautfarben zu reden, etwa, weil ein Migrant ein Massaker an einem Bahnhof angerichtet hat, ist es nicht die Herkunft, die in den Augen der Aktion die Verantwortung trägt, sondern in Form der toxic masculinity das – männliche - Geschlecht.

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Hat man das Problem auf diese Art elegant in einem anderen Kontext untergebracht, ohne über die Kriminalitätsstatistik und den unzweifelhaften Zusammenhang zwischen Herkunft und Delinquenz zu sprechen, kann man wieder betonen, dass keinen Rassismus gegen weiße Menschen gibt. Mehr noch, man brüstet sich damit, dass solches rassenbeurteilende Treiben ein Ausdruck von „Zivilcourage“ sei. Schwer verständlich für Ältere wie mich, die noch gelernt haben, dass das Ziel von Zivilcourage die Gleichheit aller Menschen ohne Kategorisierung nach Hautfarben ist.

Aber das ist ohnehin völlig bedeutungslos, weil Weiße ja keine Opfer von Rassismus sein können, und was letztlich als Rassismus betrachtet wird, entscheiden keine objektiven Kriterien oder eine Wissenschaft oder, wie in einem Rechtsstaat üblich, gar die Gesetze. Nein, darüber haben laut gefördertem Programm des Europarates nur die Opfer mit ihrem Empfinden zu entscheiden. Damit ist der Sack gewissermaßen zu, die Weißen sind entweder Täter oder können keine Opfer sein, und wer sich als Opfer fühlen möchte, bleibt den Nichtweißen zur Entscheidung überlassen. Und bitte, das ist nicht meine rassistische Einteilung, sondern die des Programms gegen Hassrede – ich gebe das nur wieder.

Das alles außer dem ersten Tweet kommt, wie gesagt, aus der Zeit, als Frau Ataman die NDM leitete, und es gibt so viel von dieser Sicht auf Diskriminierung und die einzig möglichen Opfer, dass man entweder annehmen kann, Frau Atamans Sichtweise käme darin auch zum Ausdruck. Oder aber die Kampagne, die unterschiedslos gegen jede Art von Hatespeech aktiv sein sollte, wurde von einer Interessengruppe gekapert, um mit Steuergeld ihre Ideologie zu verbreiten. Wie so oft bei Ideologien spielt die Realität nicht immer so mit, wie man das gern hätte: So haben die NDM zusammen mit NoHatespeechDE 2019 eine Diskussion veranstaltet, in der es darum ging, wie man dem Hass entgegentritt. Angekündigt war dabei auch die Journalistin Nemi El-Hassan, von der zwei Jahre später Videoaufnahmen auf einer hasserfüllten, antisemitischen Demonstration aus dem Umfeld des iranischen Regimes auftauchten.

Man kann so etwas gar nicht erfinden, aber man bekommt einen guten Eindruck von der Denkweise, die mit Frau Atamans Tweets nur scheinbar aus dem Netz verschwunden ist. Das Problem ist hier, dass allgemeine Gleichheitsgrundsätze, auf denen unser Rechtsstaat basiert, etwas ganz anderes aussagen. Selbstverständlich und glücklicherweise wird der Staat schnell aktiv, wenn wer auch immer jenen Rassismus gegen Osteuropäer vertritt, den die Nationalsozialisten begründeten, und allein deshalb kann niemand sagen, es gäbe keinen Rassismus gegen „Weiße“. Auch die von Ataman geforderten Migranten- und folgerichtig Nichtmigrantenquoten laufen dem Geist des Grundgesetzes entgegen. Und was strafbarer Rassismus ist, oder eine Aussage, die arbeitsrechtliche Konsequenzen nach sich zieht, oder eine Ungleichbehandlung, die illegal ist, entscheidet keine NGO und kein Gefühl, sondern einzig und allein die Judikative, über die die Stelle sogar ausgiebig informiert. Womit wir wieder bei den NDM, ihrer Vorsitzenden und Hengameh Yaghoobifarah wären, denn im Juni 2020, während der Amtszeit von Ataman, schrieb Yaghoobifarah in der „taz“ erneut einen Text, der nach Meinung vieler rechtlich problematisch war: Darin wurde ausgeführt, Polizisten würden auf den Müll gehören.

In der Folge musste die „taz“ um Polizeischutz nachsuchen, Innenminister Seehofer erwog als Dienstherr der Polizisten eine Anzeige, auf die er nach langem Überlegen doch verzichtete, und die NDM warfen sich - Hassinhalte hin oder her – vor die Autorin. Mit einem offenen Brief. Und in dem heisst es: „Als NdM kritisieren wir das Vorgehen gegen Hengameh Yaghoobifarah aufs Schärfste, denn: Der Innenminister ist oberster Verfassungsschützer und damit zuständig für die Pressefreiheit. Die Meinungsfreiheit in der Presse ist von Artikel 5 des Grundgesetzes gedeckt. In dieser vor Gericht vermutlich aussichtslosen Causa eine Strafanzeige zu stellen, ist also reine Symbolpolitik, eine Drohgebärde, die an alle Medienmacher:innen in Deutschland gerichtet ist und die Pressefreiheit in Frage stellt.“ Das ist eine legitime Sichtweise und ehrt in gewisser Weise den Verein, der sich hier so vehement für Presse- und Meinungsfreiheit einsetzt. Das Ganze hat natürlich auch noch eine Vorgeschichte: Ataman hatte Seehofer in einer Publikation der Amadeu-Antonio-Stiftung der früheren Stasi-IM Anetta Kahane Nähe zur Blut- und Bodenpolitik der Nazis unterstellt – offensichtlich, weil sie die tatsächlichen Bestandteile der Ideologie von Walther Darré nicht kannte. Seehofer hat jedenfalls kein Reichserbhofgesetz erlassen oder die Verbäuerlichung des Landes angestrebt, und vor diesem Hintergrund ist das Zerwürfnis zwischen CDU/CSU und Ataman zu begreifen.

Letztlich gab dann der Presserat den NDM recht, als er sogar auf eine Rüge wegen des Textes verzichtete. Und das, obwohl vermutlich Einigkeit darüber bestehen sollte, dass es eine hasserfüllte Botschaft war – aber, im Gegensatz zu dem, was Politiker oft und sogar selbst die NDM behaupten, ist Hass eben doch eine Meinung. Und damit oft legal. Presse- und Meinungsfreiheit sind nicht umsonst ein hohes Gut, und besonders die Pressefreiheit ist wichtig, weil sie der Kontrolle der Mächtigen und ihrer Begünstigten dient. Aber. Wenn die Presse das einmal macht. Und dabei aufdeckt, dass eine Journalistin wie Nemi El-Hassan eine Vorgeschichte hat, die mit den Werten und Überzeugungen dieser Gesellschaft kaum in Einklang zu bringen ist, und daher die Frage im Raum steht, ob sie für eine bestimmte Stelle im öffentlich-rechtlichen Rundfunk noch tragbar ist: Dann ist es mit der Pressefreiheit für Ferda Atamans NDM schnell vorbei.

Da ist das Aufdecken von Antisemitismus dann eine „überdrehte rassistische Hetzkampagne“. Es gibt dazu von den NDM einen ganzen Debattenbeitrag, der in seinem Aufbau und seinen Aussagen bemerkenswert ist. Es geht dann nicht mehr um die Freiheit, die Teilnahme an Demonstrationen des iranischen Regimes zu hinterfragen. Im Gegenteil: „Stattdessen sind die Anschuldigungen irrational und durchdrungen von Rassismus. Der Hass und das Misstrauen, die Nemi El-Hassan und anderen Kolleg*innen of Color daraufhin entgegenschlagen, sind besorgniserregend“, giftet der Verein. Polizei auf den Müll ist Pressefreiheit, Berichte über Antisemitismus sind irrational und durchdrungen von Rassismus und erzeugen Hass. Es ging hier um eine einzelne Person auf einer dezidiert antisemitischen Veranstaltung vor allem islamistischer Kreise. Die NDM möchten stattdessen lieber alle betrachten: „Die „Islamismus-Kampagne” einzelner Medien führte dazu, dass eine notwendige gesamtgesellschaftliche Debatte über Antisemitismus im Keim erstickt wurde.“ Kein Wort mehr darüber, dass wirklich von Rassismus Betroffene – etwa die Juden und Israelis in Deutschland - darüber zu befinden hätten, wie die Sache zu sehen ist, hier: Die Einschätzung des Zentralrats, die Zweifel an Nemi El-Hassan seien offenbar berechtigt gewesen. Neudeutsch nennen Linksidentitäre so ein Verhalten gegen andere Gruppen Silencing, und weiter Derailing und Whataboutism: Denn statt sich damit zu beschäftigen und es zu akzeptieren, was Betroffene sagen, beklagen die NDM lieber ein „tief sitzendes, strukturelles Problem unserer Gesellschaft“, also von uns allen, auch wenn die allermeisten noch nie auf einer derartigen Demonstration waren.

In der ersten Version des Textes haben die NDM dieser Zeitung noch fälschlicherweise nachgesagt, man hätte El-Hassan vorgeworfen, Islamistin zu sein. Das ist unter dem Vorsitz von Frau Ataman keine Organisation, die sich für die universelle Freiheit der Berichterstattung einsetzen würde. Es ist eine Lobby, die versucht, Berichterstattung zu beeinflussen, indem sie den störenden Aufklärern Irrationalität und Rassismus unterstellt und zur Falschbehauptung greift. Statt des einen Falls in ihrem eigenen Umfeld möchte sie lieber über alle anderen diskutieren, die damit nichts zu tun haben. Und das, ohne den eigentlich Betroffenen irgendwie eine Stimme zu geben oder zu reflektieren, was sie zu diesem Thema sagen.

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Man macht sich lieber selbst zum Opfer des Rassismus, indem man ohne Beleg unterstellt, dass auch noch andere von der Berichterstattung mit Mitleidenschaft gezogen wurden. Man braucht die Pressefreiheit nur, wenn es darum geht, andere zu Kartoffeln, zu einem Objekt für den Müll oder eine Dreckskultur zu erklären. Oder auch:

Für eine Lobby der Empörungsbranche, die ihre Partikularinteressen rücksichtslos vertritt, mag die Bigotterie ein normales Verhalten sein, selbst wenn in weiten Teilen der Steuerzahler dafür aufkommen muss. Aber die Antidiskriminierungsstelle ist eben keine Lobby des linken Aktivismus und seines auf Hautfarben basierenden Systems von möglichen Opfern und Tätern, sondern eine Behörde, die aus guten Gründen der Neutralität verpflichtet ist. Mit Frau Ataman würde der Bundestag eine Aktivistin wählen, deren Verein erkennbar keine Hemmungen hatte, politische Gegner und kritische Medien leichtfertig mit heftigsten und unbelegten Vorwürfen zu diskreditieren, wenn es ihm passt – getroffen hat es zum Beispiel auch den „Spiegel“, als der über kriminelle Clans berichtete.

Mit dem Thema Rassismus in den Medien trat Ataman 2019 folgerichtig auch bei der Linksfraktion auf, wo es darum ging, „zusammen Gegenstrategien“ zu entwickeln – notabene, die Pressefreiheit hat Verfassungsrang, den auch die Linke und Frau Ataman zu akzeptieren haben. Gleichzeitig wird die Presse- und Meinungsfreiheit nur für sich selbst bemüht, wenn es darum geht, Ausfälle und Beleidigungen zu rechtfertigen. Wie selektiv und bedenkenlos staatliche Mittel bei diesem Wechsel zwischen extremer Empfindsamkeit für eigene Belange und Diskreditieren von Andersdenkenden eingesetzt werden, hat man bei der eher mäßig erfolgreichen Aktion NoHatespeechDE deutlich gesehen. Wer glaubt, dass Frau Ataman als Chefin einer Behörde jetzt einen anderen Kurs einschlagen würde – der kann sie als Abgeordneter im Bundestag natürlich wählen. Das ist das freie Mandat.

Woanders wird dagegen schon fleißig daran gearbeitet, Atamans Diskriminierung gegen andere gesellschaftsfähig zu machen. Fünf Jahre wäre Frau Ataman Leiterin der Stelle, und es wird für Medien eine spannende Aufgabe sein zu beobachten, ob das Amt dabei genauso wie die Aktion NoHatespeechDe für Partikularinteressen entlang von selbstkonstruierten Hautfarbengrenzen benutzt wird.


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