Gerdy Troost
Gerdy Troost, eigentlich Gerhardine Troost, geb. Sophie Gerhardine Wilhelmine Andresen[1] (* 3. März 1904 in Stuttgart; † 30. Januar 2003 in Bad Reichenhall), war eine deutsche Innenarchitektin sowie die Ehefrau des Speer-Vorgängers Paul Ludwig Troost.[2]
Leben und Werk
BearbeitenSophie Gerhardine Wilhelmine „Gerdy“ Andresen war die Tochter des Möbelfabrikanten und Kunstgewerbehändlers Johannes Adolf Gerhard Andresen und seiner Frau Maria Luise Andresen, geborene Müller. Sie hatte einen Bruder, Friedel (1909–1935). Ihr Vater betrieb mehrere Holzkunstwerkstätten. Nach ihrer Schulzeit in Düsseldorf (1910 bis 1920) arbeitete sie in den väterlichen Betrieben in Bremen, wo sie 1923 Paul Ludwig Troost kennenlernte, der dort Schiffseinrichtungen für den Norddeutschen Lloyd anfertigen ließ. 1924 zog Gerdy zu ihm nach München, und die beiden heirateten 1925. Über ihren Mann lernte sie 1930 Adolf Hitler kennen und trat 1932 der NSDAP bei (Mitgliedsnummer 1.274.722).[3]
Nach dem Tod ihres Ehemannes 1934 führte Gerdy Troost dessen Architekturbüro zusammen mit seinem ehemaligen Mitarbeiter Leonhard Gall weiter. Sie betreute den Bau des Hauses der Deutschen Kunst an der Münchner Prinzregentenstraße, das ihr Mann geplant hatte. Weiterhin gestaltete sie den Königsplatz um und war für diverse „Führerbauten“ und Ehrentempel verantwortlich; zusammen mit Gall entwarf sie auch die Innenarchitektur der Alten Reichskanzlei in Berlin, von Hitlers Privatwohnung und das Prinz-Carl-Palais in München und Hitlers Landhaus Berghof auf dem Obersalzberg.[4][5]
Später widmete sie sich verstärkt dem Kunstgewerbe und organisierte die Gestaltung von Geschenken für Hermann Göring und Benito Mussolini. Ihre Entwürfe für Silberwaren und Porzellan wurden auf der Ausstellung für Architektur und Gebrauchskunst des Jahres 1938 im „Haus der Deutschen Kunst“ gezeigt. Im „Haus der Deutschen Kunst“ wurde sie 1935 Vorstandsmitglied. Von Hitler wurde sie 1937 an dessen Geburtstag, dem 20. April, zur Professorin ernannt, 1938 erhielt sie einen Beirats-Posten bei der Bavaria Filmkunst GmbH. Im gleichen Jahr veröffentlichte sie das Buch Das Bauen im neuen Reich,[6] ein Standardwerk zum Selbstverständnis der NS-Architektur. Sie erhielt das seltene Goldene Parteiabzeichen der NSDAP[7]. Ab 1938 war sie zudem in die Organisation von Kunstwerken für den Sonderauftrag Linz involviert.[8] Sie widmete sich auch der Gestaltung von Urkunden, Präsentationsmappen und Hüllen für militärische und zivile Auszeichnungen des Dritten Reiches.
Bis gegen Kriegsende blieb sie im Umfeld Hitlers als Architekturberaterin tätig. 1943 erhielt sie von Hitler eine Dotation in Höhe von 100.000 Reichsmark.[9][10] Im Rahmen der Entnazifizierung wurde sie als „Haupttäterin“ angeklagt und vor der Hauptspruchkammer München als „Minderbelastete“ eingestuft und zur Zahlung von 500 DM sowie zehn Jahren Berufsverbot verurteilt. Bereits 1951 hatte sie ihre Tätigkeit als Innenarchitektin wieder aufgenommen und blieb die 1950er-Jahre hindurch mit Projekten in Westdeutschland und im Mittleren Osten aktiv, wo unter ihrer Leitung Hotels, Firmen- und Industriebauten entstanden. Nach dieser Zeit arbeitete Troost bis zum Alter von über 70 Jahren weiter und lebte bis zu ihrem Tod in Schützing (Haiming) in Oberbayern. Ihre Unterlagen befinden sich in der Bayerischen Staatsbibliothek in München und in der Library of Congress in Washington D.C.
Gerdy Troost blieb auch nach 1945 eine enge Vertraute und Gesinnungsgenossin von Winifred Wagner.[11]
Literatur
Bearbeiten- Sabine Brantl: Haus der Kunst München. Ein Ort und seine Geschichte im Nationalsozialismus. Allitera Verlag, München 2007, ISBN 978-3-86520-242-0 (Edition Monacensia).
- Doris Fuchsberger: „... die prominenteste Vertreterin der Kunst im Dritten Reich“: Gerdy Troost. In: Wolfgang Proske (Hrsg.): Täter Helfer Trittbrettfahrer. Band 16: NS-Belastete aus München. Kugelberg Verlag, Gerstetten 2023, ISBN 978-3-945893-24-1, S. 373–382.
- Timo Nüßlein: Troost, Gerdy. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 26, Duncker & Humblot, Berlin 2016, ISBN 978-3-428-11207-4, S. 449 (Digitalisat).
- Despina Stratigakos: Die Nationalsozialistin: Gerdy Troost. In: Frau Architekt. Seit mehr als 100 Jahren: Frauen im Architekturberuf. Over 100 Years of Women in Architecture. Hrsg. von Mary Pepchinski u. a. Wasmuth, Tübingen, Berlin 2017. ISBN 978-3-8030-0829-9, S. 146–151.
Weblinks
Bearbeiten- Literatur von und über Gerdy Troost im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Gerdy Troost, Innenarchitektin, von Timo Nüßlein, Portal Rheinische Geschichte, 2020 (mit ausführl. Literaturangaben)
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Gerdy Troost. Abgerufen am 28. Januar 2021.
- ↑ Hauptquelle: Hermann Weiß (Hrsg.): Biographisches Lexikon zum „Dritten Reich“. Überarbeitete Neuausgabe. Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt am Main 2002, ISBN 3-596-13086-7 (Fischer 13086 Die Zeit des Nationalsozialismus).
- ↑ Anton Joachimsthaler: Hitlers Liste. 2004, S. 397.
- ↑ Deutsche Bauzeitung 1938, H. 4
- ↑ Gerdy Troost. Abgerufen am 28. Januar 2021.
- ↑ Das Bauen im Neuen Reich 1. Band, online-Ausgabe, abgerufen am 27. November 2012
- ↑ Stratigakos, Despina: Gerdy. Die Nationalsozialistin: Gerdy Troost ( 1904-2003). In: AIT. Heft 7/8. Leinfelden-Echterdingen 2018, S. 40–44.
- ↑ Lost Art Internet Database - Beteiligte Privatpersonen und Körperschaften am NS-Kulturgutraub - Troost, Fr. Abgerufen am 28. Januar 2021.
- ↑ Gerd R. Ueberschär, Winfried Vogel: Dienen und Verdienen. Hitlers Geschenke an seine Eliten. S. Fischer, Frankfurt am Main 1999, ISBN 3-10-086002-0.
- ↑ Jonathan Petropoulos: Art as Politics in the Third Reich. 1999, S. 277
- ↑ Ernst Klee: Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. S. Fischer, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-10-039326-5, S. 620.
Personendaten | |
---|---|
NAME | Troost, Gerdy |
ALTERNATIVNAMEN | Troost, Gerhardine; Andresen, Gerhardine; Andresen, Sophie Gerhardine Wilhelmine (Geburtsname) |
KURZBESCHREIBUNG | deutsche Architektin im Umfeld Adolf Hitlers |
GEBURTSDATUM | 3. März 1904 |
GEBURTSORT | Stuttgart |
STERBEDATUM | Februar 2003 |
STERBEORT | Bad Reichenhall |