„Runensolidus von Schweindorf“ – Versionsunterschied

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Der '''Runensolidus von Schweindorf''', auch '''Goldsolidus von Schweindorf''' ist ein Imitat einer spätantiken römischen Münze mit einer Runeninschrift aus der Zeit um 600 n. Chr., der 1948 beim ostfriesischen [[Schweindorf]], [[Landkreis Wittmund]] gefunden wurde. Die Darstellung und Inschrift auf der [[Revers (Numismatik)|Revers]] (Rückseite) der Münze nimmt am wahrscheinlichsten Bezug auf die mythischen Figur [[Wieland der Schmied]] aus der [[Heldensage|Germanischen Heldensage]].
Der '''Runensolidus von Schweindorf''', auch '''Goldsolidus von Schweindorf''' ist ein Imitat einer spätantiken römischen Münze mit einer Runeninschrift aus der Zeit um 600 n. Chr., der 1948 beim ostfriesischen [[Schweindorf]], [[Landkreis Wittmund]] in [[Niedersachsen]] gefunden wurde. Die Darstellung und Inschrift auf der [[Revers (Numismatik)|Revers]] (Rückseite) der Münze nimmt am wahrscheinlichsten Bezug auf die mythischen Figur [[Wieland der Schmied]] aus der [[Heldensage|Germanischen Heldensage]].


== Auffindung und Beschreibung ==
== Auffindung und Beschreibung ==
Anfang Marz 1948 wurde bei Feldarbeiten durch Johannes Coordes unmittelbar bei der Hofstelle Coordes 15 m südlich des Wohnhauses und 1500 m ostnordöstlich der Kirche von [[Westerholt (Landkreis Wittmund)|Westerholt]] die Münze gefunden. Bei der Auffindung war an der Münze noch eine [[Öse]] angebracht die ein lokaler Uhrmacher entfernte bei der Einschätzung die Coordes dort nachsuchte. 1963 erwarb der Münzsammler Alexander Ochernal aus Norden die Münze vom Finder und legte sie zunächst dem heutigen [[LWL-Museum für Kunst und Kultur]] in [[Münster]] zur Begutachtung vor, um sie danach an das [[Ostfriesisches Landesmuseum Emden|Ostfriesische Landesmuseum Emden]] zu verkaufen. Bis heute befindet sich das Fundstück im Besitz des Museums (siehe Online Präsentation).
Die Münze wurde Anfang März 1948 von Johannes Coordes bei Feldarbeiten gefunden unmittelbar bei der Hofstelle Coordes 15 m südlich des Wohnhauses und 1500 m ostnordöstlich der Kirche von [[Westerholt (Landkreis Wittmund)|Westerholt]]. Bei der Auffindung war an der Münze noch eine [[Öse]] angebracht. Sie wurde von einem lokalen Uhrmacher entfernt, den Coordes um eine Beurteilung bat. 1963 erwarb der Münzsammler Alexander Ochernal aus [[Norden (Ostfriesland)|Norden]] die Münze vom Finder und legte sie zunächst dem heutigen [[LWL-Museum für Kunst und Kultur]] in [[Münster]] zur Begutachtung vor, um sie danach an das [[Ostfriesisches Landesmuseum Emden|Ostfriesische Landesmuseum Emden]] zu verkaufen. Bis heute befindet sich das Fundstück im Besitz des Museums (siehe Online Präsentation).


Die Münze zeigt eine Besonderheit zum übrigen Corpus antiker Münzen auf: sie wurde nicht wie im üblichen Verfahren aus einem [[Schrötling]] geprägt, sondern im [[Gussverfahren]] hergestellt. Sie hat eine Größe fast gleichmäßigen 22 mm im Durchmaß und wiegt 3,18 Gramm.
Die Münze zeigt eine Besonderheit zum übrigen Corpus antiker Münzen auf: sie wurde nicht wie im üblichen Verfahren aus einem [[Schrötling]] geprägt, sondern im [[Gussverfahren]] hergestellt. Sie hat eine Größe fast gleichmäßigen 22 mm im Durchmaß und wiegt 3,18 Gramm.


Der Schweindorfer [[Solidus]] war nie als Zahlungsmittel im Umlauf. Germanische Solidi immitierten das römische Zahlungsmittel und führte diese Imitate neuen Zwecken zu wie hier durch den Henkel für die Aufhängung als Schmuck. Er geht auf eine spätrömische Vorlage zurück. Vorbild war ein Solidus des Kaisers [[Theodosius II.]] (401–450). Das Schweindorfer Exemplar zeigt auf der einen Seite eine stehende Figur mit Stab und auf der anderen eine stilisierte Büste. Dies ist für die Entstehungszeit nichts Ungewöhnliches. Nach dem Ende des weströmischen Kaisertums prägten die Herrscher der germanischen Nachfolgereiche zunächst weiter Solidi; da das Ausprägen von Gold als kaiserliches Privileg galt, setzten sie noch bis weit ins 6. Jahrhundert hinein das Abbild des oströmischen Kaisers auf die Rückseite der Münze. Er gehört heute zum Bestand des [[Ostfriesisches Landesmuseum Emden|Ostfriesischen Landesmuseum Emden]].
Der Schweindorfer [[Solidus]] war nie als Zahlungsmittel im Umlauf, sondern diente erkennbar an der Öse für die Aufhängung als Schmuck. Er geht auf eine spätrömische Vorlage zurück. Vorbild war ein Solidus des Kaisers [[Theodosius II.]] (401–450). Das Schweindorfer Exemplar zeigt auf der einen Seite eine stehende Figur mit Stab und auf der anderen eine stilisierte Büste. Dies ist für die Entstehungszeit nichts Ungewöhnliches. Nach dem Ende des weströmischen Kaisertums prägten die Herrscher der germanischen Nachfolgereiche zunächst weiter Solidi; da das Ausprägen von Gold als kaiserliches Privileg galt, setzten sie noch bis weit ins 6. Jahrhundert hinein das Abbild des oströmischen Kaisers auf die Rückseite der Münze. Heute gehört der Schweindorfer Solidus zum Bestand des [[Ostfriesisches Landesmuseum Emden|Ostfriesischen Landesmuseum Emden]].


== Inschrift und Deutung ==
== Inschrift und Deutung ==
[[Datei:Friesische a-Rune Schweinsdorf.PNG|miniatur|Friesische Form der a-Rune ''āc'']]
[[Datei:Friesische a-Rune Schweinsdorf.PNG|miniatur|Friesische Form der a-Rune ''āc'']]


Der Solidus von Schweindorf trägt eine linksläufige anglofriesische Runeninschrift, im [[Futhark#Das angelsächsische Futhorc|Futhorc]]:
Der Solidus von Schweindorf trägt eine linksläufige anglofriesische Runeninschrift im [[Futhark#Das angelsächsische Futhorc|Futhorc]]:
:{{Runen|'''ᚹᛖᛚᚩᛞᚢ'''|gespiegelt}}
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:'''Weladu'''
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:'''Wēla(n)du'''.
:'''Wēla(n)du'''.
Sprachwissenschaftlich stellt die Inschrift den ältesten Beleg der altfriesieschen Sprache dar und wird als eine Form des Namens [[Wieland]] gelesen.
Sprachwissenschaftlich stellt die Inschrift den ältesten Beleg der altfriesieschen Sprache dar und wird als eine Form des Namens [[Wieland]] gelesen.
Die Interpretation der Inschrift als '''weladu''' für [[Wieland]] geht auf [[Wolfgang Krause (Sprachwissenschaftler)|Wolfgang Krause]] zurück. Der Mediävist Reinhard Bleck versteht sie dagegen als '''thel ad''' („das Goldstück (ist) alt“), also als Beschreibung des Gegenstandes wie '''kombu''' auf einem Kamm.<ref>Reinhard Bleck: ''Angelsächsische oder friesische Runen auf Goldstücken des 6. und 7. Jahrhunderts (Goldbrakteaten, Solidi und Tremisses)'', Göppingen 2016 (Göppinger Arbeiten zur Germanistik Nr. 784), ISBN 978-3-86758-039-7, S. 183, 283, 403–410.</ref> Diese jüngere Interpretation ist nicht unumstritten.<ref>Martin Hannes Graf: ''Reinhard Bleck. Angelsächsische oder friesische Runen auf Goldstücken des 6. und 7. Jahrhunderts (Goldbrakteaten, Solidi und Tremisses).'' In: ''Futhark: International Journal of Runic Studies'', Vol. 8, 2019 {{ISSN|1892-0950}}, S. 167–171, ([https://uu.diva-portal.org/smash/get/diva2:1333701/FULLTEXT01.pdf PDF; 1,9&nbsp;MB])</ref>


== Historische und Kulturgeschichtliche Bedeutung ==
== Historische und Kulturgeschichtliche Bedeutung ==
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== Literatur ==
== Literatur ==
* [[Alfred Bammesberger]]: ''Runic Frisian Weladu and further West Germanic Nominal Forms in -u.'' In: ''NOWELE'' 33 (1998), S. 121–132.
* [[Alfred Bammesberger]]: ''Runic Frisian Weladu and further West Germanic Nominal Forms in -u.'' In: ''NOWELE'' 33 (1998), S. 121–132.

* [[Peter Berghaus]] und [[Karl Schneider (Philologe)|Karl Schneider]]: ''Anglo-friesische Runensolidi im Lichte des Neufundes von Schweindorf (Ostfriesland).'' In: ''Arbeitsgemeinschaft für Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen, Heft 134'', Springer Fachmedien Wiesbaden 1967.
* [[Peter Berghaus]] und [[Karl Schneider (Philologe)|Karl Schneider]]: ''Anglo-friesische Runensolidi im Lichte des Neufundes von Schweindorf (Ostfriesland).'' In: ''Arbeitsgemeinschaft für Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen, Heft 134'', Springer Fachmedien Wiesbaden 1967.
* [[Klaus Düwel]]: ''Runenkunde.'' (= ''Sammlung Metzler'' Band 72). 4. Auflage. Verlag J. B. Metzler, Stuttgart 2008, S. 85f.
* [[Klaus Düwel]]: ''Runenkunde.'' (= ''Sammlung Metzler'' Band 72). 4. Auflage. Verlag J. B. Metzler, Stuttgart 2008, S. 85f.
* {{RGA|27|477|479|Schweindorf|Klaus Düwel}}
* {{RGA|27|477|479|Schweindorf|Klaus Düwel}}
* Klaus Düwel: ''Inschriften auf Goldbrakteaten und Goldsolidi.'' In: ''NOWELE'' 73, 1 (2020), S. 44–68.
* Klaus Düwel: ''Inschriften auf Goldbrakteaten und Goldsolidi.'' In: ''NOWELE'' 73, 1 (2020), S. 44–68.
* Livia Kaiser: ''Runes Across the North Sea from the Migration Period and Beyond. An Annotated Edition of the Old Frisian Runic Corpus.'' (= ''Ergänzungsbände zum Reallexikon der germanischen Altertumskunde'' Bd. 126), (= ''Runische Schriftlichkeit in den germanischen Sprachen'' Bd. 2). Walter de Gruyter, Berlin/Boston 2021, ISBN 978-3-11-072328-1, Katalog Nr. 9 S. 212–229.
* Tineke Looijenga: ''Die goldenen Runensolidi aus Harlingen und Schweindorf''. In: Jan F. Kegler, Ostfriesische Landschaft (Hrsg.): ''Land der Entdeckungen - land van ontdekkingen 2013. Die Archäologie des friesischen Küstenraumes'', Soltau-Kurier Norden, Norden 2013, ISBN 3-940601-16-0. S. 431. ([https://www.academia.edu/4235474/Die_goldenen_Runensolidi_aus_Schweindorf_und_Harlingen einsehbar] bei academia.edu)
* Tineke Looijenga: ''Die goldenen Runensolidi aus Harlingen und Schweindorf''. In: Jan F. Kegler, Ostfriesische Landschaft (Hrsg.): ''Land der Entdeckungen - land van ontdekkingen 2013. Die Archäologie des friesischen Küstenraumes'', Soltau-Kurier Norden, Norden 2013, ISBN 3-940601-16-0. S. 431. ([https://www.academia.edu/4235474/Die_goldenen_Runensolidi_aus_Schweindorf_und_Harlingen einsehbar] bei academia.edu)
* [[Robert Nedoma]]: ''Voraltfriesisch '''-u''' im Nominativ und Akkusativ Sg. der maskulinen ''a''-Stämme''. In: Rolf H. Bremmer Jr, Stephen Laker, Oebele Vries (Hrsg.): ''Directions for Old Frisian Philology''. Rodopi, Amsterdam & New York 2014, S. 343–368.
* [[Sigmund Oehrl]]: ''Bildliche Darstellungen vom Schmied Wieland und ein unerwarteter Auftritt in Walhall.'' In: Alexandra Pesch, Ruth Blankenfeldt (Hrsg.): ''Goldsmith Mysteries. Archaeological, pictorial and documentary evidence from the 1st millennium AD in northern Europe.'' Wachholtz Verlag, Neumünster 2012, ISBN 978-3-529-01878-7, S. 279–332. ([https://www.academia.edu/12596272/Bildliche_Darstellungen_vom_Schmied_Wieland_und_ein_unerwarteter_Auftritt_in_Walhall einsehbar] bei academia.edu)
* [[Sigmund Oehrl]]: ''Bildliche Darstellungen vom Schmied Wieland und ein unerwarteter Auftritt in Walhall.'' In: Alexandra Pesch, Ruth Blankenfeldt (Hrsg.): ''Goldsmith Mysteries. Archaeological, pictorial and documentary evidence from the 1st millennium AD in northern Europe.'' Wachholtz Verlag, Neumünster 2012, ISBN 978-3-529-01878-7, S. 279–332. ([https://www.academia.edu/12596272/Bildliche_Darstellungen_vom_Schmied_Wieland_und_ein_unerwarteter_Auftritt_in_Walhall einsehbar] bei academia.edu)
* [[Raymond I. Page]]: ''The Runic Solidus of Schweindorf, Ostfriesland and Related Runic Solidi.'' In: David Parsons (Hrsg.): ''R. Page, Runes and Runic Inscriptions. Collected Essays on Anglo-Saxon and Viking Runes.'' Boydell & Brewer Ltd. 1995, S. 145–160.
* [[Raymond I. Page]]: ''The Runic Solidus of Schweindorf, Ostfriesland and Related Runic Solidi.'' In: David Parsons (Hrsg.): ''R. Page, Runes and Runic Inscriptions. Collected Essays on Anglo-Saxon and Viking Runes.'' Boydell & Brewer Ltd. 1995, S. 145–160.
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[[Kategorie:Archäologischer Fund (Germanen)]]
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[[Kategorie:Archäologischer Fund (Niedersachsen)]]
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[[Kategorie:Runeninschrift]]
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[[Kategorie:Goldschmiedearbeit]]
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[[Kategorie:Westgermanisch]]
[[Kategorie:Westgermanisch]]
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[[Kategorie:Schweindorf]]

Aktuelle Version vom 16. Oktober 2024, 17:35 Uhr

Revers des Runensolidus von Schweindorf

Der Runensolidus von Schweindorf, auch Goldsolidus von Schweindorf ist ein Imitat einer spätantiken römischen Münze mit einer Runeninschrift aus der Zeit um 600 n. Chr., der 1948 beim ostfriesischen Schweindorf, Landkreis Wittmund in Niedersachsen gefunden wurde. Die Darstellung und Inschrift auf der Revers (Rückseite) der Münze nimmt am wahrscheinlichsten Bezug auf die mythischen Figur Wieland der Schmied aus der Germanischen Heldensage.

Auffindung und Beschreibung

Die Münze wurde Anfang März 1948 von Johannes Coordes bei Feldarbeiten gefunden – unmittelbar bei der Hofstelle Coordes 15 m südlich des Wohnhauses und 1500 m ostnordöstlich der Kirche von Westerholt. Bei der Auffindung war an der Münze noch eine Öse angebracht. Sie wurde von einem lokalen Uhrmacher entfernt, den Coordes um eine Beurteilung bat. 1963 erwarb der Münzsammler Alexander Ochernal aus Norden die Münze vom Finder und legte sie zunächst dem heutigen LWL-Museum für Kunst und Kultur in Münster zur Begutachtung vor, um sie danach an das Ostfriesische Landesmuseum Emden zu verkaufen. Bis heute befindet sich das Fundstück im Besitz des Museums (siehe Online Präsentation).

Die Münze zeigt eine Besonderheit zum übrigen Corpus antiker Münzen auf: sie wurde nicht wie im üblichen Verfahren aus einem Schrötling geprägt, sondern im Gussverfahren hergestellt. Sie hat eine Größe fast gleichmäßigen 22 mm im Durchmaß und wiegt 3,18 Gramm.

Der Schweindorfer Solidus war nie als Zahlungsmittel im Umlauf, sondern diente – erkennbar an der Öse für die Aufhängung – als Schmuck. Er geht auf eine spätrömische Vorlage zurück. Vorbild war ein Solidus des Kaisers Theodosius II. (401–450). Das Schweindorfer Exemplar zeigt auf der einen Seite eine stehende Figur mit Stab und auf der anderen eine stilisierte Büste. Dies ist für die Entstehungszeit nichts Ungewöhnliches. Nach dem Ende des weströmischen Kaisertums prägten die Herrscher der germanischen Nachfolgereiche zunächst weiter Solidi; da das Ausprägen von Gold als kaiserliches Privileg galt, setzten sie noch bis weit ins 6. Jahrhundert hinein das Abbild des oströmischen Kaisers auf die Rückseite der Münze. Heute gehört der Schweindorfer Solidus zum Bestand des Ostfriesischen Landesmuseum Emden.

Inschrift und Deutung

Friesische Form der a-Rune āc

Der Solidus von Schweindorf trägt eine linksläufige anglofriesische Runeninschrift im Futhorc:

ᚹᛖᛚᚩᛞᚢ
Weladu
Wēla(n)du.

Sprachwissenschaftlich stellt die Inschrift den ältesten Beleg der altfriesieschen Sprache dar und wird als eine Form des Namens Wieland gelesen. Die Interpretation der Inschrift als weladu für Wieland geht auf Wolfgang Krause zurück. Der Mediävist Reinhard Bleck versteht sie dagegen als thel ad („das Goldstück (ist) alt“), also als Beschreibung des Gegenstandes wie kombu auf einem Kamm.[1] Diese jüngere Interpretation ist nicht unumstritten.[2]

Historische und Kulturgeschichtliche Bedeutung

Ostfriesland gilt für die Völkerwanderungszeit als sehr fundarm. Der Runensolidus ist einer der wenigen Belege für eine kontinuierliche Besiedelung der Region.[3] Die Runeninschrift auf dem wahrscheinlich im friesischen Raum gegossenen Schmuckstück zählt zu den ältesten einheimischen Sprachdenkmälern an der südlichen Nordseeküste.

Funde dieser Art sind generell sehr selten. Es existieren lediglich vier ähnliche Exemplare, so eine Münze, die 1845 bei Harlingen in der niederländischen Provinz Friesland entdeckt wurde, eine Münze unbekannter Herkunft, die im British Museum in London gezeigt wird sowie zwei weitere Münzen, die in Wieuwerd (Gemeinde Littenseradiel) in der Provinz Friesland und in Uppsala (Schweden) entdeckt wurden.

Literatur

  • Alfred Bammesberger: Runic Frisian Weladu and further West Germanic Nominal Forms in -u. In: NOWELE 33 (1998), S. 121–132.
  • Peter Berghaus und Karl Schneider: Anglo-friesische Runensolidi im Lichte des Neufundes von Schweindorf (Ostfriesland). In: Arbeitsgemeinschaft für Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen, Heft 134, Springer Fachmedien Wiesbaden 1967.
  • Klaus Düwel: Runenkunde. (= Sammlung Metzler Band 72). 4. Auflage. Verlag J. B. Metzler, Stuttgart 2008, S. 85f.
  • Klaus Düwel: Schweindorf. In: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde (RGA). 2. Auflage. Band 27, Walter de Gruyter, Berlin/New York 2004, ISBN 3-11-018116-9, S. 477–479.
  • Klaus Düwel: Inschriften auf Goldbrakteaten und Goldsolidi. In: NOWELE 73, 1 (2020), S. 44–68.
  • Livia Kaiser: Runes Across the North Sea from the Migration Period and Beyond. An Annotated Edition of the Old Frisian Runic Corpus. (= Ergänzungsbände zum Reallexikon der germanischen Altertumskunde Bd. 126), (= Runische Schriftlichkeit in den germanischen Sprachen Bd. 2). Walter de Gruyter, Berlin/Boston 2021, ISBN 978-3-11-072328-1, Katalog Nr. 9 S. 212–229.
  • Tineke Looijenga: Die goldenen Runensolidi aus Harlingen und Schweindorf. In: Jan F. Kegler, Ostfriesische Landschaft (Hrsg.): Land der Entdeckungen - land van ontdekkingen 2013. Die Archäologie des friesischen Küstenraumes, Soltau-Kurier Norden, Norden 2013, ISBN 3-940601-16-0. S. 431. (einsehbar bei academia.edu)
  • Robert Nedoma: Voraltfriesisch -u im Nominativ und Akkusativ Sg. der maskulinen a-Stämme. In: Rolf H. Bremmer Jr, Stephen Laker, Oebele Vries (Hrsg.): Directions for Old Frisian Philology. Rodopi, Amsterdam & New York 2014, S. 343–368.
  • Sigmund Oehrl: Bildliche Darstellungen vom Schmied Wieland und ein unerwarteter Auftritt in Walhall. In: Alexandra Pesch, Ruth Blankenfeldt (Hrsg.): Goldsmith Mysteries. Archaeological, pictorial and documentary evidence from the 1st millennium AD in northern Europe. Wachholtz Verlag, Neumünster 2012, ISBN 978-3-529-01878-7, S. 279–332. (einsehbar bei academia.edu)
  • Raymond I. Page: The Runic Solidus of Schweindorf, Ostfriesland and Related Runic Solidi. In: David Parsons (Hrsg.): R. Page, Runes and Runic Inscriptions. Collected Essays on Anglo-Saxon and Viking Runes. Boydell & Brewer Ltd. 1995, S. 145–160.
  • Ray I. Page, Michael Lerche Nielsen: Runenmünzen. In: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde (RGA). 2. Auflage. Band 25, Walter de Gruyter, Berlin/New York 2003, ISBN 3-11-017733-1, S. 546–556. (kostenpflichtig in der Datenbank „Germanische Altertumskunde Online“ (GAO) bei de Gruyter Online)

Anmerkungen

  1. Reinhard Bleck: Angelsächsische oder friesische Runen auf Goldstücken des 6. und 7. Jahrhunderts (Goldbrakteaten, Solidi und Tremisses), Göppingen 2016 (Göppinger Arbeiten zur Germanistik Nr. 784), ISBN 978-3-86758-039-7, S. 183, 283, 403–410.
  2. Martin Hannes Graf: Reinhard Bleck. Angelsächsische oder friesische Runen auf Goldstücken des 6. und 7. Jahrhunderts (Goldbrakteaten, Solidi und Tremisses). In: Futhark: International Journal of Runic Studies, Vol. 8, 2019 ISSN 1892-0950, S. 167–171, (PDF; 1,9 MB)
  3. Rolf Bärenfänger: Römische Kaiserzeit und Völkerwanderungszeit. In: Rolf Bärenfänger: Führer zu archäologischen Denkmälern in Deutschland. Bd. 35 Ostfriesland, Stuttgart 1999, ISBN 3-8062-1415-8. S. 72–89