Körperschaft des öffentlichen Rechts (Österreich)
Als Körperschaft des öffentlichen Rechts (KöR) bezeichnet man im Recht Österreichs eine Form der juristischen Person öffentlichen Rechts.
Definition und Abgrenzung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Neben der Anstalt öffentlichen Rechts und dem Fonds des öffentlichen Rechts bildet die Körperschaft die wichtigste Organisationsform juristischer Personen des öffentlichen Rechts; im Gegensatz zu jenen kommt der Körperschaft öffentlichen Rechts stets Rechtspersönlichkeit zu. Körperschaft meint in Abgrenzung zu jenen „Zusammenfassungen von Personen, die als Mitglieder (Angehörige) der Körperschaft deren personelles Substrat bilden“.[1]
Der österreichische Gesetzgeber verwendet die Bezeichnung Körperschaft gelegentlich auch abweichend von der dogmatisch richtigen Definition: Die Träger der Sozialversicherung werden etwa in § 32 Abs. 1 ASVG als Körperschaften definiert, obwohl sie strukturell Anstalten sind.[1] Eine generell abweichende Definition gilt für das Steuerrecht: Hier bezeichnet man alle juristischen Personen als Körperschaften[2] sowie darüber hinaus auch einzelne juristische Personen des Privatrechts, wie politische Parteien und den ÖGB:[3]
„Gerade in Abgabenvorschriften wird […] der Begriff der öffentlich rechtlichen Körperschaft häufig im weiteren und technischen Sinne verwendet, ohne daß in jedem Einzelfall sämtliche Wesensmerkmale vorliegen müssen, welche die Rechtslehre den Körperschaften öffentlichen Rechts im strikten Sinne zuschreibt.“
Diese eigenständige steuerrechtliche Begriffsbildung wird aus verfassungsrechtlicher Sicht allgemein für zulässig erachtet. Rechtspolitisch ist sie umstritten: Dabei wird hauptsächlich auf die bedenkliche Rechtsunsicherheit für Bürger und Vollzugsbehörden verwiesen, für die nicht unmittelbar erkennbar ist, in welcher Weise eine eigentlich in der Rechtslehre klar definierte Bezeichnung im jeweiligen Gesetzestext verwandt wird. Ferner stehe dieses Vorgehen in einem Spannungsverhältnis zur Einheit der Rechtsordnung.[4]
Arten von Körperschaften öffentlichen Rechts
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Körperschaften des öffentlichen Rechts werden danach unterschieden, ob sie ohne Unterschied für alle Personen ihres jeweiligen Gebiets zuständig sind (Gebietskörperschaften) oder nur für Personen ihres Gebiets, die nach persönlichen Umständen auch Mitglieder der Körperschaft sind (Personalkörperschaften).
- Gebietskörperschaften
- der Bund,
- die Länder
- die Gemeinden, jedoch nicht die Gemeindeverbände[5]
- nicht-territoriale Selbstverwaltungskörperschaften oder Personalkörperschaften, insbesondere:
- Antoniolli/Koja bilden als dritte Untergruppe die Interessengemeinschaften; hierzu sollen etwa Wasser- und Jagdgenossenschaften zählen.[7] Wundsam/Wesener/Reinbacher nennen hier – neben den Kirchen- und Religionsgemeinschaften, die sie nicht zu den Personalkörperschaften stellen – funktionell die Stiftungen des öffentlichen Rechts (Körperschaften finanziell unterstützenden Charakters) und die Anstalten des öffentlichen Rechts (tätigen Charakters, werden als „durch einen öffentlich-rechtlichen Akt gegründete juristische Personen“ hier mitgezählt)[6]
Es besteht oft ein System der Pflichtmitgliedschaft. Manchen Kammern kommt darüber hinaus Disziplinargewalt zu (etwa der Rechtsanwaltskammer).
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Walter Antoniolli, Friedrich Koja: Allgemeines Verwaltungsrecht. 2., völlig neu bearbeitete Auflage. Manz, Wien 1986, ISBN 3-214-04602-0, S. 299 (Erstausgabe: 1954).
- Hans Höld: Der Begriff der Körperschaft öffentlichen Rechts im Abgabenrecht. In: Österreichische Steuerzeitung. 1976, S. 122 ff.
- Karl Korinek: Wirtschaftliche Selbstverwaltung. 1970. Zitiert in: Eintrag zu Körperschaften des öffentlichen Rechts im Austria-Forum (im AEIOU-Österreich-Lexikon).
- Ludwig K. Adamovich, Bernd-Christian Funk, Gerhart Holzinger, Stefan L. Frank: Österreichisches Staatsrecht. IV. Allgemeine Lehren des Verwaltungsrechts. Springer, Wien / New York 2009, ISBN 978-3-211-85486-0, 46. Kapitel. Organisationsrechtliche Grundbegriffe.
- Friedrich Koja: Der Begriff der juristischen Person öffentlichen Rechts. In: Zeitschrift für Verwaltung. 1984, S. 489 ff.
- Dietmar Pauger: Die juristische Person öffentlichen und die juristische Person privaten Rechts. In: Zeitschrift für Verwaltung. 1986, S. 1 ff.
- Richard Elhenický: Körperschaften öffentlichen Rechts. Manz, Wien 2015.
- Stephan Kirste: Theorie der Körperschaft des öffentlichen Rechts, heiBOOKS Universitätsbibliothek Heidelberg 2017 (Habilitationsschrift 2004)
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ a b Ludwig K. Adamovich, Bernd-Christian Funk, Gerhart Holzinger und Stefan L. Frank: Österreichisches Staatsrecht. IV. Allgemeine Lehren des Verwaltungsrechts. Springer, Wien/New York 2009, 46. Kapitel. Organisationsrechtliche Grundbegriffe.
- ↑ Hans Georg Ruppe: Umsatzsteuergesetz. 3. Auflage. WUV, Wien 2005, Rn. 168.
- ↑ Bernhard Raschauer: Allgemeines Verwaltungsrecht. 2. Auflage. Springer, Wien/New York 2003, Rn. 83.
- ↑ Harald Stolzlechner: Öffentliche Fonds: Eine Untersuchung ihrer verfassungs- und verwaltungsrechtlichen Hauptprobleme. Springer, Wien/New York 1982, S. 40.
- ↑ Gerhard Baumgartner: Allgemeines Verwaltungsrecht. 3. Auflage. Springer, Wien/New York 2003, S. 44.
- ↑ a b Peter Wundsam, Wolfgang Wesener, Hans-Georg Reinbacher: Die Bilanzierung und Prüfung von Körperschaften öffentlichen Rechts (Public Sector Entities). In: Wirtschaftsprüfer-Jahrbuch 2006, S. 74 (ganzer Artikel S. 73–89 ( des vom 7. Mai 2006 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. , pdf/doc, dort S. 2).
- ↑ Walter Antoniolli und Friedrich Koja: Allgemeines Verwaltungsrecht. Manz, Wien 1986, S. 299.