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ADB:Keith, George Graf

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Artikel „Keith, George“ von Arnold Dietrich Schaefer in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 15 (1882), S. 551–555, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Keith,_George_Graf&oldid=- (Version vom 21. Oktober 2024, 21:46 Uhr UTC)
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Keith: George K., Earl Marishal of Scotland. Die Wirren und inneren Kämpfe, welche mit dem Sturze des Hauses Stuart zusammenhingen, trieben unter Anderen zwei Brüder aus einer der ältesten und angesehensten schottischen Familien, George und James K., in die Verbannung und führten sie nach wechselvollen Schicksalen in die Dienste Friedrichs des Großen, der sie durch sein höchstes Vertrauen und seine Freundschaft auszeichnete. George K., der ältere der Brüder, auf den der seit Jahrhunderten in der Familie erbliche Titel eines Earl Marishal of Scotland (er war der zehnte in der Reihe) überging, war am 2. April 1693 auf dem Schlosse Inverugie bei Peterhead geboren. Für eine militärische Laufbahn bestimmt, erhielt er unter der Königin Anna ein Hauptmannspatent, gab dieses aber nach der Thronbesteigung Georg I. von Hannover auf und betheiligte sich mit seinem Bruder an den Jacobitenaufständen, welche 1715 und 1719 auf Alberoni’s Betrieb mit spanischer Hilfe in Schottland unternommen wurden. Nach dem Fehlschlagen dieser Unternehmungen, welche die Acht der Brüder und die Confiscation der Familiengüter zur Folge hatten, verweilten beide K. zeitweise in Italien und Paris, meistens in Spanien; hier verblieb der Graf Marishal auch, nachdem sein jüngerer Bruder in russische Kriegsdienste übergegangen war. Die Sorge um diesen Bruder, der bei Otschakoff 1737 verwundet war, führte ihn nach Rußland; er geleitete ihn nach Frankreich, wo die Wunde geheilt wurde, und reiste mit demselben auf erhaltenen Urlaub 1740 auch nach England. James K. kehrte hierauf nach Rußland zurück, George nach Spanien, wo er vornehmlich in Valencia sich aufhielt. Das Unternehmen Karl Eduards im J. 1744 erkannte er von vornherein für hoffnungslos und zog sich deshalb von ihm zurück. Damals gab er auch den spanischen Dienst auf und ließ sich in Venedig nieder. Von dort beabsichtigte er sich im J. 1746 abermals zu seinem Bruder nach Petersburg zu begeben, ward aber auf Beschwerde des englischen Gesandten wegen seiner jacobitischen Beziehungen schon an der Grenze zurückgewiesen und reiste in Folge dessen über Berlin, wo Friedrich der Große ihn empfing, wiederum nach Venedig. Von dort kehrte er auf die Einladung seines Bruders, welcher inzwischen als Feldmarschall in preußische Dienste getreten war, zu Ende des Jahres 1747 an den preußischen Hof zurück und trat fortan in die engste, vertrauteste Verbindung mit Friedrich dem Großen, dessen philosophische Grundsätze und litterarische Interessen er theilte. Wie sein Bruder wurde Graf Marishal Mitglied der preußischen Akademie. Als Mann seines besonderen Vertrauens sandte der König ihn im August 1751 als seinen Gesandten an den französischen Hof, und es gelang ihm in der That die schon [552] damals erschütterte Freundschaft desselben für Friedrich von Preußen von Neuem zu befestigen. Aber auf die Dauer glaubte Graf Marishal seinem Posten als Gesandter nicht genügen zu können. Zunächst ordnete der König an, daß er sich durch seinen Secretär Knyphausen vertreten lassen möge (1. Januar 1753); einige Monate später gewährte er ihm die nachgesuchte Abberufung und ernannte ihn am 18. Juli 1754 zum Gouverneur von Neuenburg. Zuvor hatte Marishal noch die Berufung von d’Alembert nach Berlin vermittelt. Auf seinem Posten als Gouverneur von Neuenburg behagte sich Graf Marishal nicht. Es gab mancherlei Streit mit der strenggläubigen Geistlichkeit und mit althergebrachten Vorurtheilen, als Graf Marishal dem Willen des Königs gemäß nicht allein die Folter, sondern auch die öffentliche Kirchenbuße abschaffte. Später (im J. 1762) gewährte er dem aus Genf verwiesenen J. J. Rousseau Aufnahme und Schutz. Auf die Dauer ertrug übrigens Graf Marishal es nicht, während König Friedrich im siebenjährigen Kriege mit der Uebermacht seiner Feinde rang, still auf einem Ruheposten zu sitzen. Er hoffte vermöge seiner langjährigen Verbindungen in Spanien dem Könige, seinem Freunde nützen, vielleicht eine Friedensvermittelung zu Wege bringen zu können. Daher begab er sich mit Genehmigung Friedrichs, aber ohne förmliche Beglaubigung, im Frühjahre 1759 nach Spanien, in Erwartung des bevorstehenden Ablebens des Königs Ferdinand VI. und der Thronbesteigung Karls III. Ferdinand VI. starb am 16. August, sein Bruder und Nachfolger Karl III. traf am 17. October von Neapel in Spanien ein. Der neue König nahm von vornherein eine feste Haltung gegen England an, zugleich aber erklärte er sich bereit den Frieden zwischen Frankreich und England zu vermitteln, jedoch in einer Weise, welche Pitt als englischen Minister bestimmten, auf diese Vermittelung nicht einzugehen. Mehr und mehr gewann Graf Marishal die Ueberzeugung, daß Karl III. ernstliche Anstalten treffe, um als Verbündeter Frankreichs gegen England die Waffen zu erheben. Damit fiel die Aussicht auf eine Friedensvermittelung, welche auch Friedrich dem Großen zu Gute kommen konnte, hinweg. Deshalb verließ Graf Marishal im Juli 1760 Spanien und traf am 13. August in England ein. Nicht mehr als ein Geächteter. König Georg II. hatte auf Friedrich II. Fürsprache nach Pitt’s Antrage am 29. Mai 1759 dem Grafen Marishal den erbetenen Gnadenbrief ertheilt; im März 1761 ward ihm von Georg III. nach Parlamentsbeschluß der noch nicht erlegte Rest des Kaufschillings für seine confiscirten Güter mit Zinsen zurückerstattet; damals konnte Graf Marishal auch eine ihm zugefallene Erbschaft antreten. Der lange Aufenthalt in Spanien setzte den Grafen Marishal in den Stand, Pitt genaue Auskunft über die spanischen Kriegsrüstungen zu ertheilen, freilich ohne Erfolg, da Pitt’s Anträge, sofort an Spanien den Krieg zu erklären, bei den übrigen Ministern und dem von Lord Bute berathenen Könige kein Gehör fanden. Nach Pitt’s Rücktritt am 5. October 1761 verließ Graf Marishal England und begab sich nach Holland, von dort, als der Herzog von Choiseul ihm endlich einen Paß zur Reise durch Frankreich gewährt hatte, im Januar 1762 in sein Gouvernement Neuenburg zurück. Im August 1763 reiste er noch einmal in seine schottische Heimath und ward von den ehemaligen Vasallen und Freunden seines Hauses mit höchster Auszeichnung empfangen. Aber sein Stammschloß war verfallen, überall begegneten ihm nur schmerzliche Erinnerungen, er war in dem Vaterlande ein Fremdling. Unter diesen Umständen folgte er den dringenden freundschaftlichen Einladungen König Friedrichs, sich an seiner Seite niederzulassen. Friedrich ließ ihm an den Gärten von Sanssouci ein Haus bauen; hier verlebte er seine letzten Jahre. In Neuenburg ward er durch einen Vicegouverneur (zunächst Louis Michell) vertreten. Er starb in seinem 86. Lebensjahre am 25. Mai 1778 als der letzte seines Hauses.

[553] Von Lord Marishal’s Briefwechsel mit König Friedrich dem Großen sind nur Bruchstücke im preußischen Staatsarchive erhalten. Vgl. Memoirs and Papers of Sir Andrew Mitchell, by Andrew Bisset, London 1850, II. 406 ff., 508 ff. d’Alembert, Éloge de Milord Marechal 1779 (Oeuvres de d’Alembert, Paris 1805, VI. 31–109). Oeuvres de Frédéric le Grand. tom. XX. introd. p. XXV corr. p. 255 ss. Unecht ist ein angeblicher von Friedrich II. nach der Schlacht bei Kolin an den Grafen Marishal geschriebener Brief (a. a. O. S. 267), s. Sybel’s histor. Zeitschr. XV. 317 ff. und J. Kutzen, Abhandl. der schles. Gesellsch. f. vaterländ. Cultur. Phil.-hist. Abth. 1866 S. 19 ff.

James K., des Vorigen Bruder, am 11. Juni 1696 geboren, wurde zu juristischen Studien bestimmt. Aus diesen rissen ihn die Aufstände der Jacobiten heraus, an denen er mit seinem Bruder bereits 1715 und als Flüchtling wiederum 1719 sich betheiligte. Wie jener fand er in Spanien eine Zuflucht. Nachdem er alsdann in den Jahren 1722–25 in Paris wissenschaftlichen Studien obgelegen hatte, kehrte er bei der Entzweiung des französischen und spanischen Hofes 1725 nach Spanien zurück und diente als Freiwilliger in der spanischen Armee. Aber eine Anstellung ward ihm als Protestanten versagt: der Bedingung, welche König Philipp V. ihm stellte, zur römischen Kirche überzutreten, weigerte er sich, sich zu unterwerfen und wandte sich lieber mit Empfehlungen der spanischen Regierung nach Rußland. In der russischen Armee diente er von 1728–1747 mit großer Auszeichnung unter dem Oberbefehle des Feldmarschalls Münnich und Generals Lacy[WS 1], eines Irländers, der ebenfalls als Jacobit seine Heimath verlassen hatte. Namentlich that er sich 1737 bei der Erstürmung von Otschakoff im Türkenkriege und 1741 in dem Treffen bei Wilmanstrand gegen die Schweden hervor. In der Zwischenzeit hatte er 1739 in Frankreich Heilung von der bei Otschakoff erhaltenen Wunde gesucht und gefunden und war 1740 mit Aufträgen der russischen Regierung nach England gegangen. Bei dieser Gelegenheit gab er die förmliche Erklärung ab, daß er Georg II. als seinen legitimen Souverän anerkenne. In russischen Diensten war K. vielfach ausgezeichnet und zu dem Range eines Generals der Infanterie befördert worden. Er hatte unter den schwierigsten Verhältnissen, so z. B. als Gouverneur der Ukraine, sich bewährt. Aber unter der Kaiserin Elisabeth verleideten ihm die Intriguen des Kanzlers Bestucheff den russischen Dienst. Er forderte seinen Abschied und erlangte diesen endlich im Juli 1747. Alsbald schiffte er sich auf einem englischen Schiffe nach Kopenhagen ein und begab sich von dort nach Hamburg. Von hier aus richtete er an Friedrich den Großen das Gesuch, in den preußischen Militärdienst treten zu dürfen. König Friedrich hieß den hochgebildeten und kriegserfahrenen General freudig willkommen. Er ernannte ihn am 18. September 1747 zum Feldmarschall, 1749 zum Gouverneur von Berlin. Die königliche Akademie der Wissenschaften ernannte ihn zu ihrem Ehrenmitgliede. Mit seinem älteren Bruder, den Friedrich demnächst ebenfalls an seine Seite berief, gehörte James K. fortan zu dem engsten Freundeskreise des Königs. 1750 widmete ihm dieser auf Veranlassung des Todes des Marschalls von Sachsen die poetische Epistel über den leeren Schrecken vor dem Tode (Oeuvres X. 194). Wie hoch Friedrich die militärischen Verdienste des Feldmarschalls K. schätzte, hat er noch in seiner Geschichte des siebenjährigen Krieges (chap. I. Oeuvres IV. p. 5 s.) mit warmen Worten bezeugt. In diesem Kriege legte Friedrich besonderen Werth darauf K. in seiner Nähe zu haben und mit ihm Rathes pflegen zu können. Nach dem Einmarsche in Sachsen erhielt K. das Commando in Dresden und, während die sächsische Armee im Lager bei Pirna eingeschlossen wurde, den Oberbefehl über die nach Böhmen vorgeschobenen Truppen, bis Friedrich II. persönlich an ihre Spitze trat und am 1. October die Schlacht [554] bei Lowositz lieferte. Im J. 1757 stand K. vor Prag, ohne an der Schlacht vom 6. Mai theilzunehmen, und wurde alsdann zur Belagerung von Prag befehligt. Er schlug mehrere Ausfälle des in Prag eingeschlossenen österreichischen Heeres zurück, mußte aber nach dem unglücklichen Ausgange der Schlacht bei Kolin die Belagerung aufheben, ein schwieriger Auftrag, den er mit großem Geschick ausführte. Später stieß K. zu dem Könige in der Lausitz und folgte dessen Marsche gegen die Franzosen und Reichstruppen. Während Hadick’s Marsch auf Berlin behauptete K. im October mit einigen Truppen Leipzig gegen den Anmarsch der Gegner und nahm demnächst bei Roßbach am 5. November an der Spitze des zweiten Treffens der Infanterie einen wesentlichen Antheil an der Entscheidung des Tages. Während der König hierauf nach Schlesien zog und die Oesterreicher bei Leuthen schlug (am 5. December), marschirte K. mit einem Corps von 4000 Mann in Böhmen ein, bis über Leitmeritz hinaus, und verbreitete den Schrecken bis Prag. Er erreichte damit den Zweck, die Corps von Hadick und Marschall von der Lausitz heranzuziehen und kehrte ohne allen Verlust nach Sachsen zurück. Im J. 1758 befehligte K. die Belagerung von Olmütz und als diese in Folge der standhaften Gegenwehr der Oesterreicher und des Verlustes der preußischen Transporte durch das Gefecht bei Domstadl aufgegeben werden mußte, erwarb er sich durch seine umsichtigen Anordnungen das Verdienst, die Aufhebung der Belagerung ohne irgend welchen erheblichen Verlust zu bewerkstelligen. Körperliche Leiden machten ihn in den nächsten Monaten dienstunfähig. Aber als König Friedrich nach dem Siege bei Zorndorf seine Operationen gegen Daun in Sachsen wieder aufnahm, war K. abermals an seiner Seite, so schließlich in dem verhängnißvollen Lager bei Hochkirch, vor dessen Blößen er vergebens warnte. Bei dem Ueberfall in der Nacht des 14. Octobers, zu welchem vornehmlich Lacy den zögernden Daun vermochte, nahm K., was ihm an Truppen zu Gebote stand, zusammen, um Hochkirch zu behaupten, damit die Armee sich sammeln könne. Anfangs mit Erfolg; einmal wurden die Oesterreicher geworfen. Aber dem wiederholten Ansturme der mehr und mehr verstärkten kaiserlichen Grenadiere erlagen die schwächeren Preußen. K. selbst ward nahe dem Dorfe Hochkirch tödtlich getroffen. Es gelang den erneuten Anläufen der Preußen nicht Hochkirch wieder zu gewinnen: die Schlacht war verloren. Aber der Rückzug der geschlagenen Armee ward so geschickt ausgeführt, daß Daun von der Verfolgung abstand und damit die errungenen Vortheile wieder aus der Hand gab. Den verdienten Feldmarschall, der mit vielen Braven bei Hochkirch sein Leben gelassen hatte, ehrten auch die Feinde. Lacy rief aus, als er seiner Leiche ansichtig ward: das ist meines Vaters bester Freund Keith. Er selbst hatte in jüngeren Jahren in Rußland unter ihm gestanden. Daun ließ ihn mit kriegerischen Ehren zu Hochkirch bestatten; ein Verwandter seines Geschlechtes, Sir Robert Murray Keith, hat als Gesandter am österreichischen Hofe ihm 1776 in der Kirche von Hochkirch nach Oeser’s Entwurf ein marmornes Denkmal errichten lassen. König Friedrich beklagte lebhaft den empfindlichen Verlust, den die Armee und die Gesellschaft durch Keith’s Tod erlitten; er widmete in den nächsten Monaten dem Grafen Marishal eine Epistel über den Tod seines Bruders, welcher seinen herzlichen Antheil bezeugt. Den Leichnam ließ er von Hochkirch nach Berlin bringen und am 3. Februar 1759 in der Garnisonkirche beisetzen und neben den Bildsäulen von Schwerin, Winterfeld und Seydlitz, welche er auf dem Wilhelmsplatze zu Berlin errichtete, ehrte er auch K. durch eine Bildsäule, welche am 5. Mai 1786 aufgestellt wurde. Gleich dem Könige Friedrich, der an K. neben der Milde seines Charakters seine heroische Tapferkeit am Tage der Schlacht preist, schätzte auch Prinz Heinrich die Verdienste des Feldmarschalls; er rühmte von ihm auf dem zu Reinsberg errichteten Obelisken: „mit der größten Biederkeit vereinigte er die ausgebreitetsten Kenntnisse.“

[555] Vgl. Varnhagen v. Ense, Biogr. Denkmale, Thl. 7 (3. Aufl. 1873). C. Fr. Pauli, Leb. großer Helden, Thl. 4, S. 1–76, 359–371. Memoirs and Papers of Sir Andrew Mitchell by A. Bisset II. 406 ss., 452–505.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vgl. den Art. über dessen Sohn Franz Moritz.