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ADB:Klenze, Leo von

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Artikel „Klenze, Leo von“ von Friedrich Pecht in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 16 (1882), S. 162–166, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Klenze,_Leo_von&oldid=- (Version vom 6. November 2024, 09:20 Uhr UTC)
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Klenze: Leo v. K., berühmter Architekt, geb. den 29. Febr. 1784 im Hildesheimischen, † in München den 26. Januar 1864. Mit Schinkel theilt K. sich in die Ehre zu Anfang unseres Jahrhunderts am meisten zum Wiederaufblühen der Baukunst in Deutschland beigetragen zu haben und neben jenem unbestritten der bedeutendste Baumeister der classizistischen Schule geworden zu sein. – Steht er seinem Berliner Collegen an wahrhaft schöpferischer Kraft vielleicht nicht vollständig gleich, so übertrifft er ihn dagegen an plastischem Vermögen, wie monumentalem Sinn und behauptet jedenfalls noch heute sowol durch die Zahl als die Großartigkeit seiner Schöpfungen einen der ersten Plätze unter den deutschen Baukünstlern. – Die Familie K. stammt aus dem Mecklenburgischen, er selber aber wurde auf dem Gute seines Vaters am Fuße des [163] Harzes geboren. Nachdem er das Carolinum in Braunschweig absolvirt, ging er nach Berlin, um Cameralia zu studiren, hörte aber schon damals bald mehr archäologische und artistische Collegien. Dort machte er auch die Bekanntschaft des älteren und ihm noch in jeder Beziehung überlegenen Schinkel, die also wohl bestimmend auf seine ganze Richtung einwirkte. Mit ihm soll er besonders die Arbeiten des kurz zuvor gestorbenen genialen Fr. Gilly studirt und schon damals jene Vorliebe für die griechisch-römische Baukunst eingesogen haben, zu der er sich dann sein ganzes Leben hindurch bekannte. Später ging er denn auch ganz an die Bauakademie über und bestand dort die Prüfung zum Staatsdienst. Aber bald hernach vertauschte er, angezogen von der großartigen Bauthätigkeit des Kaiserreichs, Berlin mit Paris, das denn auch so stark auf ihn einwirkte, daß ihn seine dortigen Eindrücke fortan mehr oder minder beherrschten. – Er besuchte die polytechnische Schule, genoß den Unterricht Durand’s und Percier’s, später auch den von Bourgeois für die decorative Malerei. Ward also dieser Pariser Aufenthalt durchaus bestimmend für seine Geschmacksrichtung, so kann man doch nicht sagen, daß diese Einwirkung eine vortheilhafte gewesen sei, die Kälte des Empirestyls und besonders die Schwerfälligkeit und Farblosigkeit seiner Decoration ward er nie mehr völlig los, obwol er nun noch England und Italien besuchte. In letzterem fesselten ihn mehr als alles andere die Reste der antiken, speciell der griechischen Kunst in den Bauten von Pästum, Girgenti und Selinunt, über dessen Tempel, sowie den tuscischen Tempelbau er später Abhandlungen publicirte. Nicht minder zog ihn Pompeji an, dessen decorative Kunst er möglichst genau studirte. Endlich ins Vaterland zurückgekehrt, wandte er sich nach Cassel an den Hof des Königs Jerôme, wo er allein in Deutschland noch hoffen konnte, Aufträge zu bekommen. In hohem Grade weltklug, biegsam und gewandt, mit den feinsten Manieren die einnehmendste Persönlichkeit verbindend, ward er dort bald Hofarchitekt, dann 1810 sogar Hofbaudirector. Das J. 1813 setzte ihn aber wieder an die Luft. Nachdem er schnell gefaßt erst vergeblich ein Project zu einem großen Siegesdenkmal beim Wiener Congresse angeboten, ein riesiger pyramidaler Stufenbau, der einen dem Parthenon ähnlichen Tempel trägt und an den vier Ecken mit colossalen Trophäen geschmückt ist – ging er nach München, um dort irgend eine Anstellung, nöthigenfalls selbst bei der Gendarmerie zu suchen, wobei er wenigstens dem damaligen Kronprinzen Ludwig bekannt ward. Dieser Bekanntschaft verdankte er seine Rückberufung nach München als Hofbauinspector, da er vorher noch 1815 wieder nach Paris gegangen war. Von seinem Gönner, dem Kronprinzen, ward er nunmehr auch in Folge einer glücklich bestandenen Concurrenz mit der Entwerfung der Detailpläne für die Glyptothek betraut, deren Ausführung ihn dann von 1815–30 beschäftigte. Unstreitig ist dieser weihevolle Bau auch seine reizvollste und eigenthümlichste Leistung geblieben, zeigt in seiner Mischung ionisch-griechischer mit römischen Formen eine jugendliche Wärme und schöne Idealität, die ihm später selbst bei viel correcteren Werken doch kaum mehr zu erreichen gelang. Und das obwol die Decoration der einzelnen Säle weit mehr dem Empire als der Antike angehört, und die Detailausführung bei der damaligen Ungeübtheit aller Bauhandwerker gar viel zu wünschen übrig läßt. Dafür erhielt der Bau freilich einen unvergleichlichen Schmuck durch die Fresken des zu seiner Verzierung nach München berufenen Cornelius, sowie durch eine Anzahl Skulpturen Schwanthalers, die wie besonders das Giebelfeld des Portikus seine besten geblieben sind. – Mit diesen beiden Künstlern hatte aber auch die Romantik ihren Einzug in München gehalten und der Gegensatz derselben zu den classizistischen Tendenzen Klenze’s konnte nicht ausbleiben. Der stille Kampf um den Einfluß beim König entspann sich denn auch schon sehr früh zwischen [164] dem gewaltigen Maler und dem ihm an Weltgewandtheit so weit überlegenen Architekten, ja er füllte die ganze Zeit des Zusammenseins beider in München aus. Cornelius selber hat Klenze’n indeß später das Zeugniß gegeben, daß er ihn immer auf eine weit anständigere Art geführt habe als Andere. Das romantische Umherprobiren in allen möglichen Stilformen, das die Bauperiode König Ludwigs um einen großen Theil ihrer Fruchtbarkeit, vorab um die Wirkung auf das Kunstgewerbe gebracht hat, weil es die Bildung eines festen Stilgefühls unmöglich machte, konnte indeß selbst der in seinen classischen Tendenzen doch ganz feststehende Architekt nicht verhindern. Im Gegentheil ward er selbst zum Werkzeug desselben gebraucht, mußte, um seinen Einfluß nicht zu verlieren, den Forderungen und Neigungen des Königs sehr große Concessionen machen. So baute er, der sich doch sonst auf die architektonische Charakteristik sehr wol verstand, z. B. 1818 das Leuchtenberg’sche Palais und 1826 das gegenüberliegende Odeon, also zwei in ihrer Bestimmung grundverschiedene Gebäude auf des Monarchen Wunsch mit ganz gleichen Façaden in italienischer Renaissance. Diese zeigt auch der gegenüberliegende Bazar, während dann die 1818 erbaute Reitschule wieder mehr altrömisch ausfiel. Bazar und das bald darauf 1824 folgende Kriegsministerium waren indeß nur Vorstudien zu dem etwas später 1826–35 nach dem Muster des Palazzo Pitti begonnenen sogenannten Königsbau oder der Residenz, einem Palast, bei dem K. zwar die gigantische Wucht und Kühnheit Brunellesco’s in der Ausführung nicht, wenn auch viel von seiner Majestät und seinem strengen Ernst erreichte. – Bei der Gestaltung des Inneren, dessen Gemächer fast durchweg mit Fresken verziert wurden, hat sein Einfluß offenbar nicht allzuweit gereicht in der Auswahl der Künstler, was indeß kaum sehr zu bedauern ist, da Farbensinn und Decorationstalent überhaupt die schwächsten Seiten dieser sonst so reichbegabten Natur blieben. – Weit mehr seinen eigenen Neigungen war er bei dem schon im Anfang der zwanziger Jahre begonnenen Bau des Palastes für den Herzog Max von Baiern in der Ludwigstraße gefolgt, der an die Bramante’schen Palastbauten, speciell an die Cancelleria in Rom anklingend, seine bedeutendste architektonische Fähigkeit, den Sinn für große und edle Verhältnisse am wohlthuendsten zeigt. Weniger findet man diesen Sinn in dem gleichzeitig entstandenen triumphbogenartigen Hofgartenthor mit daranstoßenden Arkaden und dem anatomischen Theater, die beide 1825 im römischen Stil gebaut, ebenso wie viele um diese Zeit entstandene Privathäuser in der Ludwigstraße und anderwärts eine Neigung zu allzu schweren und derben Formen offenbaren. Mit der ebenfalls um die Mitte der zwanziger Jahre begonnenen Allerheiligenkirche ward K. gezwungen, einen Versuch im byzantinischen Stil zu machen, der im Innern, wo er sich an die Markuskirche anschloß, jedenfalls glücklicher ausgefallen ist, als im Aeußern. Der Meister war nun allmählich auf dem Gipfel seiner Gunst beim König angelangt, nacheinander vom Hofbauintendant zum Oberbaurath, dann zum Chef der obersten Baubehörde ernannt und geadelt worden, bis ihm nun auch noch der Bau der alten Pinakothek und des Festsaalbaues der Residenz übertragen wurde, obwol ihm der auf Cornelius’ Empfehlung verwendete Gärtner bereites eine gefährliche Concurrenz zu machen anfing. Beide Meister haben aber bei der Ausführung ihrer Pläne unleugbar unter der fieberhaften Ungeduld des Königs, dem die Sache nie rasch genug ging, unendlich zu leiden gehabt und vieles Rohe an ihren Bauten ist zweifellos blos dieser beständigen Hetze zuzuschreiben, die eine feinere Durchbildung des Einzelnen fast unmöglich machte. Um so mehr, als ihr die Unbildung des Handwerkerstandes, die Sparsamkeit des Königs und die noch allgemein herrschende Rohheit und Verwahrlosung des Geschmackes, die das Schöne der Arbeit an den alten Kunstwerken gar nicht mehr zu schätzen wußte, ohnehin [165] schon die größten Hindernisse in den Weg legten. Man kann daher von vielen Klenze’schen Bauten sagen, daß ihre Fehler weit mehr dem damaligen Kulturzustand und nur ihre Vorzüge ihm gehören. Das sollte sich nun auch an jenen obenerwähnten beiden Palästen zeigen, die sonst unleugbar zu Klenze’s besten Compositionen gehören. So ist der im Palladianischen Palaststil mit einer sehr schön erfundenen Loggia in der Mitte vor dem großen Thronsaal 1832–42 aufgeführte Festsaalbau durchaus großartig gedacht und hat vortreffliche Verhältnisse, wenn auch das Detail besonders im Innern gar sehr viel zu wünschen übrig läßt. Dasselbe gilt in noch höherem Maße von der in italienischer Spätrenaissance 1826–38 ausgeführten Pinakothek, die in ihrer ebenso zweckmäßigen als imponirenden, auch in der Façade vortrefflich charakterisirten Raumdisposition, dem den großen Oberlichtsälen auf der Südseite vorgelegten Corridor, dann den Cabinetten mit Seitenlicht auf der Nordseite, das Vorbild für fast alle moderne Galleriebauten abgab, in Dresden, Wien, Cassel, Frankfurt etc. nachgeahmt worden ist. Weniger freilich kann man die Raumverschwendung des Erdgeschosses und die falsche Treppenanlage an der Ostseite statt in der Mitte des Gebäudes loben, sowie die Decoration der Säle im frostigsten Empirestil. Immerhin aber hat K. das unbestrittene Verdienst wenigstens zur italienischen Renaissance früher als die meisten Anderen in Deutschland wieder zurückgegriffen zu haben, wenn er auch dabei, zum Classicismus neigend, wie er es durchaus blieb, weit nicht das Verständniß ihres ganzen Geistes, vorab ihrer Decoration entwickelte, das Semper unmittelbar nach ihm offenbarte. Ueber dieser Decoration kam denn auch der latente Conflict zwischen ihm und Cornelius zu vollem Ausbruch, da K. schon die Uebertragung der Ausmalung des Corridors an Zimmermann nach des Cornelius’ Entwürfen beim König durchgesetzt haben soll und jedenfalls zu verhindern wußte, daß die Bemalung der Saaldecken in Fresko, so wie sie Cornelius angeblich projectirte, ausgeführt ward. War das erstere ein Fehler, der sich durch die Reizlosigkeit der Zimmermann’schen Arbeit schwer rächte, so hat er dagegen mit dem letzteren aller Wahrscheinlichkeit nach vollkommen Recht gehabt, da cornelianische Fresken und classische Oelbilder zusammen sich nur gegenseitig schaden konnten. – In diese Zeit 1835–36 fällt auch die nach dem Muster der Innocenti in Florenz erbaute Façade der Post. Weitaus am glücklichsten war der Meister indeß mit seinen im griechischen Stil ausgeführten Bauten, so mit der vom König schon 1814 zur Concurrenz ausgeschriebenen, 1821 im Plan genehmigten, aber erst 1831 wirklich begonnenen und in der Form eines dorischen Tempels ausgeführten Walhalla bei Regensburg, sowie der bedeutend späteren baierischen Ruhmeshalle bei München (1840–50). An letzterer, einer von dorischen Säulen getragenen, nach Art der sogen. Basilica in Pästum hufeisenförmig gebauten offenen Halle, zeigt auch die Ausführung bereits einen großen Fortschritt in der Feinheit des Details, während der Walhalla besonders der großartig componirte Treppenbau zur Zierde gereicht. Niemand wird dieses Gebäude sehen können, ohne von der idealen Erhabenheit und Würde desselben aufs wohlthätigste berührt zu werden, wie es denn Dank der glücklichen Wahl des Platzes der ganzen Gegend einen herrlichen Schmuck verleiht, wenn auch die Ausführung des Inneren, vorab die reichlich angewandte Polychromie es wiederum nicht zu wahrhaft selbständigem Leben bringt. Bei diesen großartigen Werken, die ihm zu unvergänglicher Ehre gereichen, verdankte K. die verhältnißmäßig denn doch viel bedeutendere artistische Vollendung wol hauptsächlich einer Reise nach Griechenland, die er im Auftrag des Königs schon 1834 machte und die ihm Gelegenheit gab, die dortigen Bauten genauer zu studiren. Er hat die Ergebnisse seiner Studien sowol in seinen „Aphoristischen Bemerkungen auf einer Reise durch Griechenland“, Berlin 1838, als in verschiedenen [166] zum Theil gemalten Restaurationsprojecten der Akropolis, sowie in einem Plan zum Umbau Athen’s, endlich einem ebensolchen zur königl. Residenz dort und für das Pantechnion, einem Gebäude für Kunstsammlungen niedergelegt. Alle diese großartigen Arbeiten hatten dem Meister allmählich einen Weltruf erworben, der ihm Aufträge von allen Seiten zuführte. So veranlaßte Kaiser Nicolaus bei seinem Besuch in München 1838 K. auch nach Petersburg zu kommen und übertrug ihm dort den Bau des ganz im griechischen Stil gebauten Museums, der Eremitage, was ihn bis 1852 siebenmal nach der nordischen Residenz führte. – Es ward ihm das zur Entschädigung für die in dieser Zeit auffallend geschwundene Gunst des Königs, die er jedoch später bald wieder gewann, nachdem der Monarch erst gesehen hatte, daß er mit Anderen keinswegs besser gefahren war. Nächst der Vollendung der noch von Gärtner vor seinem frühen Tode angefangenen Befreiungshalle bei Kehlheim, einem Rundbau in der Art des von Raphael auf seinem Sposalizio componirten, den K. nicht eben glücklich änderte, war sein letzter größerer Bau die Propyläen, 1854–60, jener gewaltige triumphbogenartige Abschluß des Königsplatzes. Unstreitig hat diesen sein Talent nicht nur zum prächtigsten Platz Münchens, sondern zu einem der edelsten und schönsten der Welt überhaupt gemacht, dem nur sehr wenige an classischer Ruhe und Hoheit gleichkommen möchten. Verdankt er dieselbe auch gutentheils der Einrahmung durch blos idealen Zwecken dienende Gebäude und ihrer glücklichen Benützung antiker Muster, so ist doch auch der eigenen Erfindung des Meisters bei denselben keineswegs ungewöhnliche Größe und Erhabenheit abzusprechen. Die deutsche Baukunst verdankt in dieser Beziehung K. weit mehr, als man lange Zeit in München anzuerkennen geneigt war, bis die Nachfolger, die er erhielt, dafür sorgten, seine großen Verdienste wieder Jedem klar zu machen und seine Fehler verhältnißmäßig klein erscheinen zu lassen. Denn trug die höfische Glätte des vielgewandten Mannes, wie seine große Geschicklichkeit in Wahrnehmung der eigenen materiellen Interessen viel zu seiner unleugbar geringen Beliebtheit, wenigstens in den damaligen Künstlerkreisen, bei, so thaten dies vielleicht nicht minder seine große geistige Ueberlegenheit und tiefe Bildung, mit der er über die meisten künstlerischen Zeitgenossen weit emporragte. Nicht weniger auch, daß er ihren Umgang eher vermied als aufsuchte. Von der antiken Größe und unbeugsamen Charakterfestigkeit eines Semper war der während der tiefsten Erniedrigung Deutschlands aufgewachsene biegsame Mann freilich weit entfernt, wie unwandelbar er auch wenigstens seinen künstlerischen Idealen treu blieb. – Er hat wol einzelne Schüler gehabt, aber keine Schule gegründet, da er nie Lehrer war wie Schinkel oder Semper, nur Riedel, Dollmann und einige Andere, haben seine Richtung mehr oder minder fortgesetzt.