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ADB:Krause, Karl Ernst Hermann

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Artikel „Krause, Karl Ernst Hermann“ von Edward Schröder in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 51 (1906), S. 368–370, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Krause,_Karl_Ernst_Hermann&oldid=- (Version vom 6. November 2024, 21:36 Uhr UTC)
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Krause: Karl Ernst Hermann K., Schulmann und Kenner niederdeutscher Sprache und Geschichte, wurde am 10. September 1822 als Sohn eines hannoverschen Husarenrittmeisters zu Northeim geboren, besuchte zunächst das Progymnasium seiner Vaterstadt und erhielt seine weitere Vorbereitung zu den akademischen Studien auf dem Pädagogium in Ilfeld, von wo aus er Ostern 1841 die Universität Göttingen bezog. Als Student der Philologie und Mathematik immatrikulirt, hat er nach eigenem Bekenntniß von Fr. Wieseler und K. Fr. Hermann die stärksten Anregungen erfahren; in der Staatsprüfung, die er im achten Semester ablegte, erwarb er die facultas docendi außer für die alten Sprachen, Geschichte und Geographie auch für Mathematik: in Ilfeld hatte man seine besondere Beanlagung nach dieser Seite erkannt und ihn ermahnt, sie für seinen zukünftigen Beruf auszunutzen. Nachdem er sich in Northeim und Göttingen die pädagogischen Sporen verdient, ward er schon zu Ostern 1846 als Lehrer und Hofmeister an die Ritterakademie zu Lüneburg berufen, der er bis zu ihrer Auflösung im J. 1850 angehört hat. Die politisch erregte Zeit führte auch ihn in den Vordergrund des öffentlichen Lebens: als Präsident des Arbeitervereins, Schriftführer des Bürgervereins und Mitredacteur einer oppositionellen Zeitung vertrat er von vornherein einen durchaus national gerichteten, aber allen socialen Utopien abholden Liberalismus, wie er ihn als überzeugungstreues Mitglied der nationalliberalen Partei auch dann festgehalten hat, als ihn seine Stellung und seine Berufsarbeit dem politischen Wirken entzogen. Es spricht für die Frische und den Reichthum seines geistigen Wesens, daß er in diesen selben Jahren auch den Grund zu seiner großen Belesenheit in Büchern und Handschriften und zu seinem umfassenden Thatsachenwissen in der Sprache und Geschichte wie in der ganzen Heimathskunde Niedersachsens gelegt hat. Ausdehnung und Vertiefung erfuhren diese Studien in Stade, an dessen Gymnasium er 1850 versetzt ward und wo er fünfzehn Jahre lang als eines der meistbeschäftigten, gewiß aber als das vielseitigste und anregendste Mitglied des Lehrkörpers wirkte. Seine Thätigkeit bezeichnen die Empfehlungen, mit denen man ihn, der inzwischen zum Conrector aufgerückt war, ausstattete, als er sich 1857 um die Directorstelle der im Entstehen begriffenen höheren Bürgerschule [369] in Bremerhaven bewarb. Da sich die Voraussetzungen, unter denen er die Bewerbung eingereicht hatte, nicht erfüllten, verblieb K. in Stade bis zum Jahre 1865, wo er einer ehrenvollen Berufung als Leiter der „Großen Stadtschule“ nach Rostock folgte. Dieses Amt verlieh ihm, nachdem er bald das volle Vertrauen der städtischen Behörden gewonnen hatte, einen hohen Grad von Selbstständigkeit und gab ihm ein reiches Arbeitsfeld, aber es stellte ihn auch vor schwierige Aufgaben, deren nur eine ungewöhnliche Arbeitskraft und ein ausgesprochenes Organisationstalent Herr werden konnte. K. hat das höhere Schulwesen der alten Hansestadt, das unter mangelhafter Leitung und Aufsicht hinter den Anforderungen der Zeit arg zurückgeblieben war und ebenso unter einer unklaren Gesammtverfassung wie unter allerlei didaktischen Mißbräuchen litt, aufs gründlichste reorganisirt und reformirt. Er hat von der „Großen Stadtschule“ die höhere Bürgerschule unter gesonderter Leitung losgelöst, die combinirten Classen ganz beseitigt und so zwei von ihm als gemeinsamem Director geleitete Anstalten, ein Gymnasium und ein Realgymnasium, entwickelt. Mitten hinein in diese Arbeit fiel die Einführung der Einjährig-Freiwilligen-Berechtigung, und auch später hat es an Nöthigung, das Rostocker höhere Unterrichtswesen dem preußischen, so besonders den Lehrplänen von 1882 anzupassen, nicht gefehlt. Allem dem waren die Kräfte dieses wahrhaft tüchtigen Mannes, der stets auch ein freudiger, durch Unterricht und Vorbild gleichmäßig fördernder Lehrer blieb, gewachsen bis über die Schwelle des siebenten Jahrzehnts, wo ein Herzleiden seiner unermüdlichen Thätigkeit ein Ziel setzte. Am 28. Mai 1893 ist er in Rostock gestorben.

K. hat von früher Jugend auf ein lebhaftes Interesse für die heimathliche Sprache wie für alle Erscheinungen der heimathlichen Natur und Geschichte besessen, und er hat im Laufe der Zeit allen seinen weit divergirenden Interessen ein wissenschaftliches Fundament gegeben und sie bisweilen höchst fruchtbar zu vereinigen gewußt. Er gehörte zu den glücklichen Menschen, die fest im Heimathsboden wurzeln, aber auch rasch wieder Wurzeln treiben, wenn sie verpflanzt werden. Der Boden von Northeim und Lüneburg, von Stade und Rostock ist ihm vertraut gewesen wie Wenigen – mit allem was auf und unter ihm vegetirt und existirt hat. Er wußte mit voller Sachkunde über geologische Aufschlüsse von Bohrungen in der Marsch zu berichten, er schrieb zoologische und botanische Aufsätze und Miscellen, er konnte mit Schiffern und Salzsiedern, mit Bauern und Förstern über ihre Dinge und in ihrer Sprache reden. Die Sprache, insbesondere die niederdeutsche, nach ihrer culturhistorischen Seite, und wieder die Culturgeschichte im Spiegel der Sprache, das war wol das eigentliche Centrum seines weitverzweigten Interesses. Ferner lag ihm die schöne Litteratur und die große Weltgeschichte; aber wie sie sich in dem niederdeutschen Gebiet zwischen Weser und Oder abgespielt hatte, darüber wußte er ausgezeichnet Bescheid, von der Dynastengeschichte bis zur Gelehrten- und Handwerksgeschichte war ihm kein Gebiet und kein Winkel der heimathlichen Historie fremd, in genealogische, heraldische, numismatische Details, in die alten Sitten und Bräuche vor allem der charakteristischen Gewerbe des Küstenlandes hatte er sich hineingearbeitet und hineingelebt, und die verschiedensten wissenschaftlichen Unternehmungen vom Grimm’schen Wörterbuch bis zur Allgemeinen Deutschen Biographie haben bald seine gelegentliche, immer sachkundige Beisteuer, bald seine andauernde, wachsame Mitarbeit erfahren. Insbesondere der Herausgeber der A. D. B. weiß ihm herzlichen Dank für eine lange, lange Reihe von Beiträgen, deren Aufnahme zum nicht geringen Theil auf Krause’s eigene Anregungen zurückgeht; sind sie auch zumeist nur geringen Umfangs [370] und betreffen sie fast durchweg nur Persönlichkeiten von niederer Bedeutung, über die Specialkunde, die oft ganz abgelegene Gebiete der Gelehrsamkeit betraf, verfügte Keiner so wie er. Und nicht selten waren diese Artikel auch die reife Frucht langgepflegter Studien, wie etwa der über Lothar Udo II. von Stade mit einer ganzen Genealogie des Stader Grafenhauses (s. A. D. B. XIX, 257–261).

K. hat niemals ein wissenschaftliches Buch geschrieben, aber der Doctor philosophiae honoris causa, den ihm die Rostocker Facultät am 1. Febr. 1880 verlieh, galt wahrlich nicht nur der Jubelfeier der Großen Stadtschule, sondern einem gelehrten Schulmanne, der sich um die Belebung der Territorialgeschichte und der orts- und sprachkundlichen Erforschung Norddeutschlands unbestreitbare Verdienste erworben hat. Von Stade bis Riga ist auf niederdeutschem Boden kaum eine historische Zeitschrift erschienen, die nicht von ihm bald größere Aufsätze, bald kleinere Mittheilungen gebracht hätte. Lange Jahre (1878–1890) war er den „Jahresberichten der Geschichtswissenschaft“ ein zuverlässiger Berichterstatter für die Gebiete der deutschen Küstenlande. In Stade hat er den „Verein für Geschichte und Alterthümer der Herzogthümer Bremen und Verden und des Landes Hadeln“ mitbegründet (1857) und ist Jahre lang wie der Herausgeber und Hauptmitarbeiter des „Archivs“, so die Seele des Vereins gewesen; in Rostock hat er (1883) einen ähnlichen Verein schaffen helfen. Er war 1871 dabei, als in Lübeck der „Verein für hansische Geschichte“ begründet ward, ganz besonders aber hat er seit 1875 dem Verein für niederdeutsche Sprachforschung nahegestanden, dessen Präsident er von 1884 bis zu seinem Tode gewesen ist. In den Publicationen dieses Vereins, im „Korrespondenzblatt“ und besonders im „Jahrbuch“ sind denn auch diejenigen Aufsätze Krause’s erschienen, die unter den Arbeiten seiner späteren Jahre am meisten den Stempel seiner Eigenart wie seiner besondern Kraft verraten: die Vereinigung sprachlichen und historischen Wissens mit jener gründlichen Ausdeutung der realen Culturverhältnisse. Ich hebe heraus das bescheiden dargebotene, aber durch Fachkunde imponirende „Erklärende Wörterverzeichniß der Lüneburger Sülze“ (Bd. 5), die Ausführungen über „Brunsilgenholt“ (Bd. 2), „Quetsche, Zwetsche“ (Bd. 12), „Zitelose“ (Bd. 15), „Bohne und Vietzebohne“ (Bd. 16) und den in seiner Knappheit vortrefflichen Vortrag über das „Hundekorn“ (Bd. 15).

Autobiographische Mittheilungen im Progr. d. Rostocker Großen Stadtschule, Ostern 1866. – Nachruf im Progr. d. Rostocker Gymnasiums und Realgymnasiums, Ostern 1893. – Hauptquelle: K. Koppmann, im Jahrb. d. Vereins f. niederdeutsche Sprachforschung XVIII, 1–14, wo ein von dem Sohne Ludwig Krause aufgestelltes Verzeichniß der Aufsätze Krause’s benutzt ist.